Der Ironman auf Hawaii ist der berühmteste Triathlon der Welt. Auf der Originaldistanz müssen 3,9 Kilometer geschwommen werden, 180 Kilometer auf dem Rennvelo zurückgelegt werden und als wäre das noch nichts, wartet zum Abschluss ein 42,195 Kilometer langer Marathon.
Keine andere Frau auf dieser Welt beherrscht diese Ausdauerleistung in den 1980er- und 90er-Jahren besser als Paula Newby-Fraser. Geboren in Simbabwe, aufgewachsen in Südafrika, später wohnhaft in Kalifornien, triumphiert sie auf Hawaii zwischen 1986 und 1994 insgesamt sieben Mal. Sie ist die «Queen of Kona», benannt nach dem Austragungsort der Triathlon-WM auf Hawaiis Big Island.
Im Herbst 1995 startet die 33-jährige Newby-Fraser mit der Absicht, dass dies ihr letztes Rennen sein würde. Noch ein Mal die Tortur in der Glutofenhitze der Lavafelder, noch ein Mal der Traum vom Triumph.
Es sieht lange sehr gut aus. Paula Newby-Fraser läuft einem weiteren Sieg entgegen. Bis plötzlich die Kräfte schwinden. Wie bei der Batterie eines Smartphone-Akkus bei Volleinsatz verschwindet ein Balken ihrer Energiereserven nach dem anderen.
«Jeder erwartete meinen achten Erfolg, ich ebenfalls. Alles andere als der Sieg entsprach einem Versagen», schildert Newby-Fraser ihre Erinnerungen an den Tag. «Bis zum Marathon lief es fantastisch. Doch dann war ich so zuversichtlich, dass ich irgendwie die Grundlagen vergessen habe. Ich habe komplett vernachlässigt, mich richtig zu verpflegen und genügend zu trinken.» Sie habe sich so darauf fokussiert, die von hinten nahende Konkurrenz in Schach zu halten, dass sie es schlicht vergessen habe.
Das ist fatal. Denn wenn ein Motor kein Benzin mehr hat, dann läuft er nicht mehr. Ein Mensch ist da nicht anders als ein Auto. Paula Newby-Fraser lernt auf die ganz harte Tour, dass auch die besten der besten nicht vor einem Anfängerfehler gefeit sind. «Das war das Schlimmste daran: Dass ich so einen groben Fehler machte, der mir mit meiner Erfahrung einfach nicht passieren dürfte, und dass ich das nicht erkannt habe.»
Zwölf Minuten Vorsprung nimmt Newby-Fraser mit auf die Laufstrecke. Ihr Verlobter, Paul Huddle, kommentiert im lokalen Fernsehen und betont zwar, dass jeder Ironman erst im Ziel fertig sei. «Aber mit so einem Vorsprung und mit Paulas Geschichte, kann man sagen: Das Rennen ist entschieden.»
Doch er täuscht sich. Sechs Kilometer vor dem Ziel beträgt der Vorsprung noch drei Minuten. Die Führende wird langsamer und langsamer. Sie realisiert, was gerade geschieht. Also schüttet sie Wasser über den Kopf, trinkt Becher um Becher. Doch es ist zu spät. Ihr Körper ist gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Newby-Fraser ist am Ende ihrer Kräfte.
Noch eineinhalb Kilometer, noch zwei Minuten. Reicht es doch? Verwirrt weiss sie plötzlich nicht mehr, in welche Richtung sie laufen muss. Das Ziel ist schon fast in Sichtweite. Doch es zu erreichen ist für Newby-Fraser beinahe so, als müsste sie dahin noch einen zweiten Marathon bewältigen.
60 Meter nur noch sind es bis zur Ziellinie, 60 lächerliche kurze Meter, da bleibt sie stehen. Erschöpft, dehydriert. Sie kann nicht mehr.
Karen Smyers läuft an ihr vorbei, gibt ihr einen aufmunternden Klaps. Sie trennen nur noch wenige Meter vom Triumph.
Für Paula Newby-Fraser ist der weit weg. Sie torkelt, weigert sich aufzugeben, muss sich schliesslich hinsetzen. Die Schuhe ausgezogen, eine Wasserflasche in der Hand, sitzt sie am Strassenrand. Und sieht, wie eine weitere Konkurrentin an ihr vorbei zieht.
Doch immer noch ist ihr Wille zu gross, es ins Ziel zu schaffen. Es ist schliesslich so, so nah. Ihr Verlobter eilt herbei, verlangt panisch eine Ambulanz. Aber die Sportlerin denkt nicht daran, dass ihr Wettkampf nun vorbei ist, auch wenn sie mittlerweile am Boden liegt, alle viere von sich gestreckt, eine neugierige Menschentraube um sie herum. «Ich glaube, ich sterbe», sagt sie den Helfern. Und gibt trotzdem einfach nicht klein bei.
Nach einer rund zwanzig Minuten langen Pause steht sie auf und macht sich auf ins Ziel. Barfuss, ein Schritt nach dem anderen. Als sie keine fünf Meter mehr von der Ziellinie trennen, rennt Fernanda Keller an ihr vorbei. Die Brasilianerin schnappt Newby-Fraser den dritten Platz auf dem Siegerpodest weg.
Das spielt letztlich auch keine grosse Rolle mehr. Paula Newby-Fraser ist so am Boden zerstört, dass sie noch monatelang mit dem Missgeschickt hadert. «Um ehrlich zu sein: Ich musste im Jahr darauf wieder antreten, um darüber hinwegzukommen», sagt sie.
Und genau das macht Paula Newby-Fraser 1996. Sie hat den Rücktritt verschoben, tritt noch einmal auf Hawaii an – und gewinnt dort schliesslich doch ein achtes Mal.
Unglaublich welchen Power und Willen diese Menschen haben. Unglaublich - es ist nur Sport - was diese Menschen sich antun.
Ein Ironman alleine ist schon pervers und für die meisten Menschen nicht machbar. Dann noch in dieser Geschwindigkeit als Rennen. Einfach nur beeindruckend und unglaublich.