Der Langlaufsport sucht um die Jahrtausendwende neue Wege. Unter dem Motto «Raus aus dem Wald, hin zu den Leuten» wird der Sprint kreiert. Und in der Saison 2006/2007 findet mit der Tour de Ski erstmals ein Etappenrennen für Langläufer statt.
An Silvester beginnt diese Tour im Münchner Olympiastadion. Und deren allererster Leader wird ein Schweizer: Christoph Eigenmann. Der 27-Jährige aus Wattwil SG nimmt allen anderen schon in der Qualifikation zwei Sekunden und mehr ab. Und im Final schlägt dann Eigenmanns grosse Stunde.
Nebst der Topform kommt dem gelernten Elektromonteur auch der Kurs entgegen: Topfeben ist er. Gelaufen wird in der von Eigenmann bevorzugten Skatingtechnik, das Material passt und drei Gegner – darunter Petter Northug – nehmen sich im Final durch einen Sturz schon kurz nach dem Start gleich selber aus dem Rennen. Eigenmann läuft es von A bis Z an der Spitze und feiert einen Start-Ziel-Sieg. «Das war wohl ganz einfach mein Tag», strahlt er.
Eigenmann geht als erster Etappensieger einer Tour de Ski in die Langlauf-Geschichte ein. Und er sorgt für einen der grössten Schweizer Erfolge im Rahmen des Weltcups, der 1982 eingeführt wurde. Für den bis dato einzigen Sieg war 1987 in Calgary Evi Kratzer verantwortlich.
Dass Eigenmanns Sieg nur für die Tour-Wertung zählt, nicht aber für den Gesamtweltcup, verkommt zur Nebensache. Trainer Giachem Guidon betont: «Christoph hat die Weltelite in einem hochklassigen und offiziellen Wettkampf besiegt. Seine Leistung muss das Thema sein, und nicht, ob es dafür Punkte gibt.»
Dass der Grenzwächter überhaupt an der Tour de Ski teilnimmt, liegt auch am Wetter. Ursprünglich ist als erste Etappe ein Rennen über 4,5 km in Nove Mesto vorgesehen, der Sprinter deshalb gar nicht gemeldet. Weil in Tschechien aber zu wenig Schnee liegt, wird der Prolog abgesagt und Eigenmann flugs für München aufgeboten.
Als reiner Sprinter ist der Toggenburger in der ersten Etappe nach seinem Sieg chancenlos. In der Doppelverfolgung in Oberstdorf muss er die Tour de Ski nach einer Überrundung aufgeben. «Für mich war dieses Rennen wie eine Bergetappe an der Tour de France für Fabian Cancellara», vergleicht er es. «Ich war chancenlos. Aber das Gefühl, inmitten der Weltelite im Goldtrikot laufen zu dürfen, war schon etwas Spezielles.»
Die Strapazen nimmt er jedoch gerne in Kauf, schliesslich hat er sie seinem grössten Erfolg zu verdanken. «Es war für mich ein Gänsehaut-Gefühl, das mir niemand mehr wegnehmen kann», sagt er nach dem Tour-Ausscheiden. Es sei auch sehr schön gewesen, die vielen Glückwünsche der Gegner entgegennehmen zu dürfen.
Meistens ist er es, der den anderen gratulieren muss. Sein einziges Weltcup-Podest erreicht Eigenmann, der Schweizer Sprinter der ersten Stunde, einige Monate vor seinem Sieg in München, als er im chinesischen Changchun Zweiter wird. Hinzu kommen rund ein Dutzend Top-Ten-Plätze, drei Olympia- und fünf WM-Teilnahmen. 2014 beendet Christoph Eigenmann seine Karriere.