Remco Evenepoel ist zum ersten Mal Weltmeister im Einzelzeitfahren. Die Schweizer Trümpfe Stefan Küng und Stefan Bissegger bleiben chancenlos.
Der 23-jährige Belgier Evenepoel, vor zehn Monaten Weltmeister auf der Strasse, siegte zwölf Sekunden vor dem italienischen Stundenweltrekordhalter Filippo Ganna und 48 Sekunden vor dem überraschenden britischen Youngster Joshua Tarling.
Küng und Bissegger verpassten die Medaillen deutlich und gehörten wie die Mitfavoriten Tadej Pogacar (22.), Geraint Thomas (10.) und Wout van Aert (5.) zu den Geschlagenen. Küng musste sich mit 2:17 Minuten Rückstand mit Platz 12 begnügen, Bissegger mit der Hypothek von 2:43 Minuten mit dem 17. Rang.
Sowohl Küng, der im Vorjahr in Australien Gold um drei Sekunden gegen den Norweger Tobias Foss verpasst hatte, als auch der letztjährige Europameister Bissegger waren auf den technisch wenig anspruchsvollen und verhältnismässig flachen 47,8 km mit kurzer Schlusssteigung über Pavés hinauf zum Schloss Stirling bereits bei der ersten Zwischenzeit praktisch geschlagen.
Bissegger war die Überraschung und Enttäuschung über diesen grossen Rückstand deutlich anzumerken. Eine stringente Erklärung dafür hatte er nicht, «sonst hätte ich ja etwas geändert». Ärgerlich für ihn war insbesondere, dass «ich schon nach 200 Metern meine Trinkflasche verloren habe. Das hat sich sicher nicht positiv auf mein Rennen ausgewirkt.»
Selbstredend zeigte sich auch Küng «enttäuscht» über den Ausgang des Rennens. Von seinem Gefühl her sei «das Pacing am Anfang gut gewesen, dann habe ich die Zwischenzeiten gehört. Ich habe dann aber trotzdem bis zum Schluss gekämpft. Aber es war nichts zu machen.» Sein Fazit des Zeitfahrens: «Ich hätte mir klar einen besseren Rang erhofft. Doch es ist kein Weltuntergang, kein Drama», befand der 29-Jährige nach einem seiner schlechtesten Zeitfahren in den letzten Jahren an einem Grossanlass.
Ganz überraschend kam der 12. Platz in Schottland allerdings für Küng nicht. «Ich habe nicht zum ersten Mal auf einer solchen Zeitfahr-Strecke mit langen Geraden, wo du nicht Gelegenheit hast, den Rhythmus zu wechseln, muskuläre Probleme im unteren Rücken- und Hüftbereich gespürt.» Es ist ein Problem, mit welchem sich der letztjährige WM-Zweite im Zeitfahren seit 2016 und seinem schweren Sturz an den Schweizer Zeitfahr-Meisterschaften herumschlägt. Da brach er sich das Becken.
«Im normalen Leben behindern mich die Folgen zwar nicht, aber es ist eine Baustelle, welche mich seither immer beschäftigt. Und unter solch einer Belastung in einer solch extremen Position merke ich, wie ich beginne, muskulär abzubauen. Nun werde ich mich im Winter diesen Punkten gezielt widmen müssen.» Wie? «Mittels Krafttraining und Physiotherapie. Während der Saison mit all den Rennen bleibt halt wenig Zeit für solche Dinge.»
Küng plant im Hinblick auf das nächste Jahr mit einem frühen Saisonende im Oktober. 2024 folgt für ihn mit den Olympischen Spielen und der Heim-WM in Zürich ein grosses Jahr. «Da ziehe ich lieber heute so einen Tag ein, und nächstes Jahr läuft dann alles perfekt», blickt Küng voraus.
Während Küng, der im Juli die Tour de France bestritt, nun ein paar Tage Ferien mit der Familie verbringen wird, steht für Bissegger voraussichtlich die Spanien-Rundfahrt an. Diese beginnt am 26. August in Barcelona mit einem Teamzeitfahren und beinhaltet auch ein Zeitfahren über 25,8 km in Valladolid.
Ende September geht es für den 24-Jährigen an den Europameisterschaften um die Titelverteidigung im Zeitfahren. Auch Küng plant, in den Niederlanden «nochmals anzugreifen». (sda)