Haben Sie die letzten zwölf Monate in einem abgelegenen Kloster ohne Fernseher und Internet verbracht? Falls nicht, dann wissen Sie wohl bereits, dass Josip Drmic bei der anstehenden WM in Brasilien zu den grössten Schweizer Hoffnungsträgern zählt.
Zur Erinnerung noch einmal die Fakten: Nach seinem Wechsel vom FCZ avanciert der 21-jährige Knipser beim Bundesliga-Absteiger Nürnberg zu einem der Shootingstars der Saison. Mit 17 Toren knackt er im ersten Anlauf nur knapp nicht die historische Bestmarke eines Schweizer Stürmers (Stéphane Chapuisat, 1991/92, 20 Treffer) und sichert sich Platz 3 in der Torjägerliste hinter den Topstars Robert Lewandowski und Mario Mandzukic. Der Lohn: Ein Fünfjahresvertrag beim Champions-League-Qualifikanten Bayer Leverkusen. Der Werksklub soll für Drmic rund sechs Millionen Euro nach Nürnberg überwiesen haben.
Im Trainingslager der Schweizer Nati in Weggis hört man Josip Drmic an, dass ihm das Selbstvertrauen nach dieser Wahnsinnssaison aus allen Poren tropft: «Unsere Mannschaft ist jung und ehrgeizig. Wir fahren nach Brasilien, um uns der ganzen Welt zu zeigen. Wir wollen beweisen, was wir können und was in uns steckt.»
Drmic schwärmt von der Infrastruktur und den Fans im Camp am Vierwaldstättersee. Eine Sache stinkt ihm trotzdem ganz gewaltig: «Der Kuhgeschmack vom Bauernhof nebenan. Das ist manchmal wirklich nicht sehr angenehm.»
Doch davon lässt sich der Nati-Aufsteiger die Laune nicht vermiesen. In Ottmar Hitzfelds Überlegungen ist er wohl spätestens seit seinem Doppelpack gegen Kroatien im vergangenen März als Sturmspitze gesetzt.
Entsprechend euphorisch wird der Goalgetter beim Gedanken an die bevorstehende Kampagne in Brasilien: «Ich bin begeistert von diesem Land und seiner Fussballtradition. Als kleiner Knopf hätte ich mir nie vorstellen können, dass ich dort einmal im Trikot der Nati auf dem Platz stehen darf. Das macht mich unglaublich stolz und glücklich.»
Drmic hofft, dass er bei der WM sein grosses Vorbild trifft: «Leider ist er nicht im Kader, aber Ronaldinho ist für mich mit Abstand der beste Fussballer aller Zeiten – noch vor Pelé. Er ist wie von einem anderen Planeten. Ich habe Stunden damit verbracht, seine Tricks auf Video zu analysieren und mir Dinge abzuschauen. Es ist mein grosser Wunsch, ihm einmal persönlich zu begegnen.»
Je länger die Schweizer Equipe in Brasilien bleibt, desto wahrscheinlicher geht auch dieser Traum in Erfüllung. Josip Drmic selbst kann mit Toren gegen Frankreich, Honduras und Ecuador einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Kühe werden ihn dann wohl eher nicht mehr stören und auch das viel diskutierte heisse Klima macht dem Schweizer mit kroatischen Wurzeln keine Sorgen: «Ich spiele viel lieber in der Hitze als im kalten Winter. Es ist alles eine Frage der Einstellung und der Gewöhnung. Leider bin ich anfällig auf Sonnenbrand, aber gut eingeschmiert wird das schon klappen.»