Für Holland geht es im Spiel um Rang 3 um nichts. Doch Robben und Co. ist dies entgegen aller Unmutsbekundungen vor der Kehraus-Partie gegen Brasilien nicht anzumerken. Robben und Co. kämpfen und laufen, als ginge es noch um den WM-Titel.
Für Brasilien geht es im Spiel um Rang 3 um viel. Es ist die grosse Gelegenheit, sich mit dem Heimpublikum nach der 1:7-Schmach gegen Deutschland im Halbfinal zu versöhnen. Doch die Brasilianer lassen die Chance ungenutzt verstreichen. Auf fahrlässige Art und Weise.
Beim Singen der Hymne signalisieren die Brasilianer einmal mehr mit Inbrunst, dass sie willens sind, alles für ihre Farben zu geben. Wie Kriegsgeschrei tönt die «Hino Nacional Brasileiro» aus den Mündern von Captain Thiago Silva und Co. «Passt auf Holländer, euch werden wir es zeigen», meint man zwischen den Zeilen rauszuhören.
Als die Partie dann losgeht, ist von Entschlossenheit nichts mehr zu spüren. Wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen rennen die Brasilianer in den ersten Minuten über den Platz. Attacke, alles nach vorn!
Doch dann verliert der einmal mehr viel zu übermotivierte David Luiz, der Innenverteidiger, Spielmacher und Sturmspitze zugleich sein will, an der Mittellinie das Kopfballduell gegen Arjen Robben und trabt diesem danach nur locker hinterher. Robben sprintet allen davon, Robben wird festgehalten, Robben fällt, der Schiedsrichter pfeift Elfmeter, Robin van Persie versenkt: 0:1 nach 152 Sekunden.
Nach dem 0:2 durch Daley Blind können sich die Brasilianer zwar etwas fangen, doch vom Anschlusstreffer sind sie trotz intensivsten Bemühungen in etwa so weit weg wie der nächste bewohnbare Planet von der Erde.
Den grössten Fehler machen die Brasilianer aber schon vor dem Spiel. Der verletzte Neymar ist trotz seines Wirbelbruchs aus dem Viertelfinal gegen Kolumbien wieder beim Team. Als der verletzte Superstar mehr als eine Stunde vor Anpfiff des Spiels um Platz drei aus dem Teambus humpelt, jubeln die Fans in Brasilia mit Blick auf die Videoleinwände frenetisch.
Als Neymar dann umgezogen und mit Fussballschuhen an den Füssen im Stadion erscheint, drohen alle Dämme zu brechen. Dutzende Fotografen reihen sich vor der brasilianischen Bank auf, um ein Foto von ihm zu knipsen. Vom Mann, der Tage zuvor noch unter Tränen sagte, dass er hätte gelähmt sein können, und jetzt durchs Stadion stolziert. Das ist schlicht unprofessionell.
Er wolle das Team unterstützen, heisst es, doch Neymar erweist ihm einen Bärendienst. Was auf dem Spielfeld passiert, wird komplett zur Nebensache. Alles dreht sich kurz vor Spielbeginn nur noch um ihn. Kein Wunder, können sich seine Teamkollegen auf dem Feld nicht auf ihre Arbeit konzentrieren.
Nach der 0:3-Niederlage folgt der nächste seltsame Neymar-Auftritt. Brasiliens Trainer Luiz Felipe Scolari doziert an der Pressekonferenz bereits mehr als zehn Minuten über die neuerliche Pleite, als plötzlich der verletzte Superstar überraschend in den Saal platzt.
Im schwarzen Shirt und mit verkehrt herum aufgesetzter schwarzer Kappe tritt er auf die Bühne und herzt lange und innig seinen etwas perplexen Coach, der ihm zum Abschied noch ein Küsschen auf die Wange drückt.
Anschliessend schlendert Neymar zu Carlos Alberto Parreira, reicht dem Technischen Direktor die Hand und beendet seine Vorstellung, die wie ein Abschied wirkt. Dass Scolari kurz davor einen freiwilligen Abgang ausgeschlossen und seine sportliche Zukunft offen gelassen hat, geht dabei völlig unter. Es ist, wie wenn der Superstar seinen Trainer vor der Weltöffentlichkeit gerade selbst entlassen hätte.