Die krankhafte Sehnsucht nach dem eigenen Kind. Von der ist ein Ehepaar befallen, das ein Mädchen entführt und sich in eine mörderische Illusion der familiären Vollkommenheit flüchtet. So wie die Ermittler Saalfeld (Simone Thomalla) und Keppler (Martin Wuttke), die einst ihr gemeinsames Kind verloren haben und noch immer einsam und verzweifelt durch die Welt treiben.
Nicht besonders blutig, aber doch verstörend.
Nein. Hier geht es um das konsequente Ausleuchten psychologischer Abgründe.
Nachdem Keppler und Saalfeld herausgefunden haben, dass das Opfer in einer dreckigen Unterführung gekidnappt wurde, und Rotze an der Wand entdecken, beantragen sie beim Chef einen Massengentest. Der entgegnet erst bewundernd: «Das ist ja erstaunlich, da hat also tatsächlich jemand gestanden und geniest? Phänomenale Arbeit!» Dann bricht es wütend aus ihm heraus: «Menschenskinder, dieser Gang ist eine Kloake, da hat halb Leipzig hingeschissen, da braucht man keinen Massengentest. Das ist ein Massengentest!»
Sascha Arango ist einer der aufregendsten Drehbuchautoren der «Tatort»-Szene: Statt öde Täterrätsel zu schreiben, steigt er tief in die Psyche von kranken Tätern hinab. Nie war man Spannern, Psychopathen und Borderlinern näher. Regisseurin Claudia Garde hat mit Arango bereits einige der besten Borowski-«Tatorte» gedreht. Gerade arbeiten die beiden wieder im Team – an einer Fortsetzung des Voyeurismus-Thrillers «Borowski und der stille Gast», in dem Lars Eidinger 2012 für Furore gesorgt hat.
Ja. Wobei es hier nicht um schnöden Realismus geht. Stattdessen sehen wir die Ereignisse zum Teil aus der pathologisch verzerrten und verstörend heiteren Sicht des Entführerehepaars.
Unbedingt. Zum Finale laufen die notorischen Nervensägen Martin Wuttke und Simone Thomalla noch mal zu grosser Form auf.
Und wenn ich mehr über diesen «Tatort» wissen will?
«Tatort: Niedere Instinkte», Sonntag, 20.15 Uhr, ARD
(cbu)