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Bergdahl wie Brody: Die Parallelen zwischen «Homeland» und der Taliban-Geisel

Bergdahl wird von den Taliban freigelassen.Video: YouTube/Storyful
Entführter US-Soldat

Bergdahl wie Brody: Die Parallelen zwischen «Homeland» und der Taliban-Geisel

Die Freilassung des US-Soldaten Bowe Bergdahl nach fast fünf Jahren in der Hand der Taliban sorgt für rote Köpfe. Seine Geschichte erinnert an die Fernsehserie «Homeland».
04.06.2014, 16:0605.06.2014, 14:59
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Die Taliban haben am Mittwoch ein Video veröffentlicht. Es zeigt angeblich die Übergabe von US Army Sgt. Bowe Bergdahl an Spezialtruppen, die ihn mit einem Helikopter in Sicherheit bringen. Der 28-Jährige war am 30. Juni 2009 im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet von den islamischen Extremisten gefangen genommen worden. Am Samstag wurde er im Austausch mit fünf im Lager Guantánamo inhaftierten Taliban-Kämpfern freigelassen.

Die Echtheit des Videos ist nicht bestätigt. Derzeit befindet sich Bowe Bergdahl in einem US-Militärspital im deutschen Landstuhl, wo er sich von der fünfjährigen Gefangenschaft erholt. Seine Rückkehr in die Heimat steht noch nicht fest. Dort ist um die Freilassung eine Kontroverse ausgebrochen. Republikanische Politiker kritisieren den Gefangenenaustausch, die USA seien dadurch erpressbar geworden. Ehemalige Kameraden beschuldigen Bergdahl zudem, er sei ein Deserteur. «Bowe Bergdahl is NOT a hero», heisst es auf einer Facebook-Seite.

Bergdahls Geschichte weist interessante Parallelen auf zur Fernsehserie «Homeland», die auch Präsident Barack Obama gerne sieht. Sie handelt vom Marineinfanteristen Nicholas Brody, der nach achtjähriger Gefangenschaft im Irak befreit wird und als Held in die USA zurückkehrt. Carrie Mathison, eine manisch-depressive CIA-Analystin, verdächtigt ihn, von seinen Entführern «umgepolt» worden zu sein – zu Recht, wie sich im Verlauf der Serie zeigt.

Kultserie «Homeland»: Carrie Mathison (Claire Danes) misstraut dem «Helden» Nicholas Brody (Damian Lewis). 

Ist Bergdahl ein zweiter Brody? Gewisse Analogien könnten darauf hindeuten:

● Nick Brody erteilt Issa, dem Sohn von Terrorboss Abu Nazir, während seiner Haft Englischunterricht. Als Issa bei einem amerikanischen Drohnenangriff getötet wird, schwört Brody Rache. Bergdahl soll in Afghanistan Zeuge geworden sein, wie ein Kind von einem US-Militärfahrzeug überfahren wurde, was die Soldaten gleichgültig gelassen habe. In E-Mails, die vom Magazin «Rolling Stone» 2012 veröffentlicht wurden, äusserte er seine Abscheu über den Einsatz in Afghanistan: «Ich schäme mich, Amerikaner zu sein.»

● Brody konvertiert während seiner Haft zum Islam und betet heimlich in seiner Garage. Gleiches behaupteten die Taliban in einem Video über Bowe Bergdahl. Er habe seinen Vornamen in Abdullah geändert. Später erklärte ein Taliban-Vertreter, der US-Soldat habe sich nicht bekehren lassen und an seinem christlichen Glauben festgehalten. Allerdings lernte er in der Gefangenschaft fliessend die Landessprache Paschtu.

● Nach der Heimkehr muss Brody feststellen, dass seine Frau Jessica während seiner Gefangenschaft ein Verhältnis mit seinem besten Freund begonnen hat. Auch Bergdahls Ex-Freundin Monica Lee hat seit 2012 eine neue Beziehung. Sie tat dies mit dem Segen von Bergdahls Familie. Der Soldat hatte Monica in einer Botschaft aus der Haft nahe gelegt, nicht auf ihn zu warten.

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Solche Übereinstimmungen sind in erster Linie eine Spielerei. Allerdings befeuern sie die Fantasie von Verschwörungsfans aus dem rechten Lager. Sie beschuldigen Präsident Obama, er habe mit dem «überstürzten» Austausch vom Skandal über die Zustände in einem Spital für Kriegsveteranen ablenken wollen. Das Weisse Haus hingegen betonte, Bowe Bergdahls Gesundheit habe sich rapide verschlechtert, man habe handeln müssen. In einem Video vom Dezember 2013 sei sein Zustand «alarmierend» gewesen, schreibt das «Wall Street Journal».

Schwerer wiegen die Vorwürfe, der Infanterist habe seine Kameraden im Stich gelassen. Matt Vierkant, ein Mitglied von Bergdahls Einheit, sagte gegenüber CNN, er sei «angepisst» von dem, was damals geschehen war, und erst recht von dem, was nun geschehe: «Bowe Bergdahl ist im Krieg desertiert, und andere Amerikaner haben auf der Suche nach ihm ihr Leben verloren.» Mindestens sechs Soldaten sollen dabei getötet worden sein, was vom Pentagon offiziell nicht bestätigt wird.

Bowe Bergdahl in Uniform: Liess er seine Kameraden im Stich?
Bowe Bergdahl in Uniform: Liess er seine Kameraden im Stich?Bild: US ARMY

Gemäss Aussagen von anderen Soldaten seiner Einheit verliess Bergdahl an jenem 30. Juni 2009 seinen Wachposten und liess dabei die Waffe zurück. Er habe nur einen Kompass, ein Messer, Wasser, eine Digitalkamera und ein Tagebuch bei sich gehabt. Gegenüber seinen Kameraden soll er angedeutet haben, er wolle nach Indien oder China abhauen. Eine Untersuchung des Pentagon kam 2010 zum Schluss, Bergdahl habe sich unerlaubt von der Truppe entfernt.

Ein hoher Beamter des Verteidigungsministeriums meinte laut CNN, er müsse vermutlich nicht mit einer Bestrafung rechnen: «Fünf Jahre sind genug.» Angesichts der Kontroverse erwägt die Armee zumindest eine Untersuchung. Man werde Sgt Bergdahl «umfassend und koordiniert» zu den Umständen seines Verschwindens befragen, heisst es in einer Mitteilung. 

Auch das erinnert an «Homeland».

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