Das Gefängnis von Fresnes ist mit seinen über 1500 Inhaftierten das zweitgrösste von Frankreich. Kürzlich haben ungewöhnliche Aktivitäten im Gefängnishof landesweit für Aufsehen gesorgt. Ungewöhnliche Aktivitäten – damit ist aber nicht etwa ein Ausbruchsversuch gemeint. Es ging um ein Schwimmbecken und ein Kart-Rennen. Sieh selbst:
Die Kontroverse, die seit Tagen ganz Frankreich beschäftigt, nahm ihren Lauf wegen der Internet-Serie «Kohlantess». Für die neuste Episode drehte man im Gefängnis Fresnes einige Challenges, bei denen sich die Häftlinge mit den Wärtern messen konnten. Das Siegerteam gewann dabei Geld, welches dann für einen guten Zweck gespendet wurde.
Eine dieser Challenges war zum Beispiel Tauziehen. Beide Teams mussten versuchen, das andere in ein Schwimmbecken zu ziehen. Dieses war für die Dreharbeiten in der Mitte des Gefängnishofes aufgestellt worden. Ausserdem wurde der ganze Hof in eine Gokart-Rennstrecke umgewandelt.
Dass sich die Verurteilten hinter den Gefängnismauern anscheinend köstlich amüsierten, stiess einigen rechten Politikern sauer auf. So schrieb beispielsweise Damien Rieu von der ultra-rechten Partei «Reconquête» auf Twitter:
Tatsächlich trugen die Kohlantess-Produzenten mit ihren Sponsoren sämtliche Kosten. Einzig den Gefängnisbeamten seien für die Dreharbeiten Überstunden gewährt worden. Dennoch verbreitete sich der Tweet von Rieu wie ein Lauffeuer in Frankreich. Schliesslich zeigte sich auch der von Rieu konfrontierte Justizminister Éric Dupond-Moretti betroffen und leitete eine Untersuchung ein.
Après les images choquantes de la prison de Fresnes, j’ai immédiatement ordonné une enquête pour que toute la lumière soit faite. La lutte contre la récidive passe par la réinsertion mais certainement pas par le karting !
— Eric Dupond-Moretti (@E_DupondM) August 20, 2022
Dupond-Moretti behauptete, dass weder Justizministerium noch Gefängnisverwaltung von dem Kart-Rennen gewusst hätten. Auf Twitter jedoch hatte sich der Gefängnisdirektor Jimmy Delliste direkt nach den Dreharbeiten noch positiv über die Aktion geäussert:
Moment d'engagement fraternel au bénéfice de 3 associations respectivement représentées par une sélection de personnes détenues, de membres du personnel et de jeunes Fresnois. Merci aux organisateurs et à Djibril DRAME. pic.twitter.com/C9r9gogEMJ
— Jimmy DELLISTE (@DellisteJ) July 27, 2022
Mittlerweile hat «Kohlantess» das Video aus dem Internet entfernt. Aber nicht wegen der haltlosen Anschuldigungen der rechten Politiker, sondern weil französische Medien einen anderen kontroversen Aspekt aufgedeckt haben. Bei einem der teilnehmenden Häftlinge soll es sich um einen verurteilten Mörder, bei einem anderen um einen Vergewaltiger gehandelt haben.
Aus Respekt den Opfern gegenüber habe man das Video deshalb entfernt, heisst es von «Kohlantess». Eigentlich habe man aber mit dem Gefängnis vor den Dreharbeiten abgesprochen, dass keiner der Teilnehmer wegen Verbrechen gegen Leib und Leben verurteilt worden sei, schreibt Kohlantess-Moderator Djibril Drame auf Twitter:
#kohlantess pic.twitter.com/iILu4KXNJn
— Djibril94260 (@djibril94260) August 22, 2022
Die Kontroverse beschäftigte ganz Frankreich. Natürlich trugen auch linke Politiker zum Diskurs bei. Viele bedauern, dass die «wirklichen» Probleme französischer Gefängnisse unsichtbar gemacht worden seien.
«Ausnahmsweise können Insassen und Wärter gemeinsam lachen und sich für einen guten Zweck einsetzen. Es ging darum, Geld an Wohltätigkeitsorganisationen zu spenden, die sich um Kinder kümmern. Ich sehe nicht, wo das Böse ist», sagte Dominique Simonnot, Generalkontrolleurin der Hafteinrichtungen, in einem Interview mit franceinfo. Sie prangert regelmässig die «schrecklichen» Haftbedingungen in Frankreich an, wo Insassen täglich 22 Stunden zu dritt zusammengepfercht seien. (lzo)
Bei Mördern oder Vergewaltigeren bin ich ja auch überhaupt nicht für "Kuscheljustiz".
Die Mehrheit der Teilnehmenden waren wohl aber wegen etwas weniger gravierenden Verstössen verurteilt. Natürlich soll der Gefängnisaufenthalt für diese kein "Bespassungs-Urlaub" sein.
Aber der Sinn der Freiheitsstrafe ist nun mal, dass man keine Freiheit hat, und nicht, dass man während dieser Zeit "gefoltert" wird.
Ein "nicht-kriminelles" Hobby haben zu können,kann ja auch die Wiedereingliederung nach der Entlassung vereinfachen.
Die Aufgabe des Vollzuges ist es, diese Menschen auf die Zeit nach der Strafe vorzubereiten, damit sie im Idealfall nicht erneut im Vollzug landen.
Diese sog. Resozialisierung beginnt mit dem Eintritt in den regulären Vollzug.
Damit so etwas gelingt, müssen diese Menschen auch als Menschen behandelt werden.
Mit Restriktionen erreichen wir primär, dass sie potenziell krimineller werden und nach dem Austritt deutlich professioneller ihrem kriminellen Tagewerk nachgehen.