Ein mickriges Zimmerchen mit vier weiteren Studenten zu teilen, mag wie ein Alptraum erscheinen. Aber so schlimm ist es nicht. Eigentlich ist es gar ein Segen fürs Leben, eine unvergessliche Erfahrung, die uns lehrt, um was es während unseres Daseins auf der Erde eigentlich geht.
Ein Zimmer mit anderen zu teilen, ist nichts ungewöhnliches an der Universität von Sambia in Lusaka (UNZA), dem höchsten Institut des Landes. Das Institut bietet 3775 Betten in Studentenunterkünften auf dem Campus. Studierende gibt es aber über 20'000. Die Regierung hat es in verschiedenen Bildungsanstalten verpasst, den Mangel an Unterkünften zu beheben.
3775 Betten für über 20'000 Studenten wirft natürlich die Frage auf: Wo finden alle einen Platz zum schlafen? Viele der «Bettlosen» finden bei anderen Studenten Unterschlupf, «squatting» (hineinkauern) nennen wir das. Auch ich, die Drittjahresstudentin im Departement der Massenkommunikation, bin davon betroffen. Ich teile mein Zimmer mit vier weiteren Studentinnen.
Diese Situation sehe ich allerdings als Segen für mein Leben, das mir vier «Schwestern von einer anderen Mutter» geschenkt hat. Wir sind zu fünft. Ja, zu fünft in einem Raum von ca. zwölf Quadratmetern. Aber es ist nicht so schlimm, wie man denkt. Wir sind wie Schwestern, ich würde uns als eine grosse Familie bezeichnen.
Der Hauptgrund, warum wir an der Universität studieren, ist, dass wir die akademische Reife erreichen wollen. Aber das Leben an der Universität bietet viel mehr als nur akademische Bildung. Wir erhalten die Möglichkeit Kontakte zu knüpfen und zusammenzuarbeiten. Wir sammeln Erfahrungen fürs Leben, welche wir in keinem Studiengang erlernen können.
Wir fünf Frauen tauschen uns in allen möglichen Bereichen von Styletipps übers Kochen bis zur Körperpflege aus. Ich muss nie zum Coiffeur, meine Mitbewohnerin Beauty, «die Kosmetikerin», sorgt für eine gute Frisur, macht mir die Maniküre und berät mich in Kleiderfragen. Sie verwandelt uns in Prinzessinnen. Zudem bietet ein Kleiderschrank von fünf Frauen sicherlich für jeden Anlass die passende Garderobe – irgendeine hat immer das passende Outfit bereit.
Natürlich bietet das enge Zusammenleben auch Vorteile für die Universität und abzuliefernde Arbeiten. Die meisten Aufgaben werden vor dem Abgabetermin selbstverständlich von allen vier Mitbewohnerinnen gegengelesen. Wie kann so eine Situation ein Fluch sein? Und da wir alle unterschiedliche Studiengänge belegen, profitieren wir in verschiedensten Bereichen von unseren Zimmergenossinnen.
Meine Mitbewohnerin Makonde Ngawa pflegt zu sagen: «In einem überfüllten Raum zu leben, ist für viele Sambier nichts Ungewöhnliches. Das ist unsere afrikanische Kultur. Wir achten auf unsere Mitmenschen.» Die Drittjahresstudentin führt weiter aus: «Wir dürfen nicht vergessen, dass Sambia ein Drittweltland ist. Wenn wir es wie in westlichen Ländern machen wollen und höchstens zu zweit einen Raum teilen, dann bleibt der Rest auf der Strecke. Das geht nicht.»
Makonde spricht dabei von «Ubuntu», einer in Afrika verbreiteten Lebensphilosophie der Zusammengehörigkeit. Das unterscheidet uns vom Rest der Welt. Ja, fünf Menschen in so einem kleinen Raum ist nicht hygienisch, aber ich kenne sonst nichts, das uns besser zusammenschweissen könnte.»
Auch Sheila Siyakabeya, die vierte der Frauen und als Erstjahresstudentin das Küken in der Runde, sieht kein Problem in der engen Wohnsituation, alle seien immer für einander da: «Sie beraten mich beispielsweise in Liebesfragen und können dies auf einer Ebene tun, weil wir alle gleich alt sind. Wir sind wie eine Familie, obwohl wir aus verschiedenen Ecken des Landes stammen. Wir sind weit mehr als Freundinnen, wir sind wie Schwestern.
Trotz der guten Erfahrungen der fünf Girls wird Überbelegung an vielen Universitäten als Problem angeschaut, das behoben werden muss. Wir können aktuell aber nichts dagegen machen. Also was sollen wir anderes machen, als das Gute darin zu sehen? Überbelegung ist ein Problem, aber für uns ist es ein Segen.