Kein Mail. Nicht ein einziges. Da können wir den Posteingang auch um 23 Uhr noch lange aktualisieren. Es tut sich nichts. Elf Mails hätten wir erhalten sollen. Mit den Studenten war ausgemacht, dass sie die Dateien ihrer Gruppenarbeiten bis am Vorabend der Präsentationen per Mail schicken. Wir wollten diese in Ruhe anschauen, damit wir gut vorbereitet am nächsten Tag in die Stunde gehen und ein würdiges Feedback abliefern können. Bisschen enttäuscht gehen wir zu Bett.
Haben wir sie doch überfordert? War die Aufgabenstellung nicht ganz klar? Haben sie einfach wieder einmal keinen Internetzugang? Oder keinen funktionierenden Computer? Was machen wir, wenn keine der elf Gruppen eine Präsentation vorbereitet hat?
Mit mulmigem Gefühl setzen wir uns in den Bus zur Uni. Eine halbe Stunde vor Lektionsbeginn meldet sich Nema in unserem Büro. Sie habe schlechte Neuigkeiten: «Wir haben alles vorbereitet, aber genau als wir fertig waren, gab der Laptop den Geist auf. Stella versucht ihn zu reparieren. Sie kommt am Nachmittag. Könnten wir notfalls die Präsentation auch mit Hilfe der Flipcharts halten?».
Als die Lektion beginnt, sind die meisten der Gruppen noch in den letzten Zügen der Vorbereitungen. Wir geben ihnen noch 15 Minuten Zeit, dann geht es los. Einmal mehr werden wir positiv überrascht. Viele der Projekte sind gut durchdacht, die Themen reichen von Stars und Sternchen bis zu Bildung oder Umweltproblemen. Es sind Themen, welche die Sambier täglich beschäftigen.
Das Niveau der Präsentationen schwankt erheblich. Einige würden mit ihren Auftritten Schweizer Politiker mühelos in den Schatten stellen, andere stehen mit dem Rücken zur Klasse da und lesen einfach ab, was auf die Wand projiziert wird – sofern man es lesen kann. Versuche wie gelbe Schrift auf weissem Hintergrund sind eher der Normalfall als die Ausnahme und die Effekte bieten oft die ganze Palette von einfliegenden Worten, Drehungen, Wendungen, Spiegelungen, Vorhang-Übergängen und allem Weiteren, das irgendein Powerpoint-Entwickler nach dem vermutlich zehnten Drink irgendwann mal noch programmiert hat.
Integriert jemand wild viele Bilder auf einem Slide, brandet spontan Applaus auf. Man merkt, dass es für viele Studenten die ersten Gehversuche mit dem Programm sind, sie designmässig diverse neue Ideen entwickeln und Grenzen austesten. Oder etwas direkter und in einem Wort beschrieben: schrecklich.
Faszinierend ist die Diskussionskultur nach den Präsentationen. Es wird schonungslos auf den Kollegen herumgehackt, Mücken werden zu Elefanten. Unverblümt. Ehrlich. Emotional. Meist lassen wir sie etwas diskutieren, bevor wir uns einschalten. Denn es werden gute Themen angesprochen: Was für eine Art von Storytelling braucht es, um junge Leute zu erreichen? Darf man zwei Männer zeigen, die sich küssen? Sollte eine Newsplattform einen Social-Media-Redaktoren haben oder braucht es einen pro Ressort? Manchmal fühlen wir uns in die watson-Redaktion versetzt.
Auffallend ist zudem der Humor und das meist nicht zu knapp vorhandene Selbstvertrauen. Es fallen Sprüche und Seitenhiebe werden verteilt. Hier eine Auswahl:
Ganz zum Schluss ist die Gruppe um Nema an der Reihe. Stella ist zwar mittlerweile mit dem Laptop aufgetaucht, aber sie wollen die Flipcharts zur Hilfe nehmen. Das läuft wunderbar. Bis die drei präsentierenden Frauen bei der vorgezeichneten Sitemap bemerken, dass sie diese quer ausgerichtet haben. Unter grossem Gelächter und Anfeuerungsrufen aus der Runde lösen die drei das Ganze (ziemlich) souverän. Die Aktion bildet den Abschluss der Präsentationen und damit unserer ersten Arbeitswoche. Es war unglaublich spannend und trotz einigen Stolpersteinen hochinteressant. Oder etwas direkter und in einem Wort beschrieben: grandios.