Wirtschaft

Die Aktionäre der Schweizer Grosskonzerne kassieren ab

Die Aktionäre dieser Schweizer Grosskonzerne kassieren ab – wer am meisten kriegt

Eine exklusive Auswertung zeigt, wie viele Milliarden die grössten Firmen des Landes an ihre Teilhabenden ausschütten – und bei welchen drei Firmen besonders viel Geld fliesst. Bemerkenswert ist die Entwicklung der Chef-Löhne.
19.04.2022, 07:31
Daniel Zulauf / ch media
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This aerial view shows the Yangshan container port in Shanghai, Saturday, July 10, 2021. China's exports surged in June while import growth slowed to a still-robust level as its economic rebound  ...
Der Containerhafen von Shanghai: Der Schweizer Logistikkonzern profitierte von höheren Frachtraten während der Pandemie. Das zahlt sich nun auch für die Aktionäre aus – vor allem einen.Bild: keystone

Die Schweiz ist ein Mekka für Dividendenjäger. Diesem Ruf macht der Markt auch in der gerade laufenden Ausschüttungssaison alle Ehre. Knapp 42 Milliarden Franken erhalten die Aktionäre der 30 nach Marktkapitalisierung wertvollsten Publikumsgesellschaften heuer an Gewinnabführungen, wie die jährliche Auswertung unserer Zeitung zeigt:

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Nestlé, Roche und Novartis sind die potentesten Zahler

Das Niveau aus der Zeit vor der Pandemie ist zwar noch nicht ganz erreicht. Dennoch ist die Dividendenkraft der 30 führenden Schweizer Konzerne, deren Aktien im Swiss-Leader-Index (SLI) abgebildet werden, von bemerkenswerter Potenz. Der Dividendensegen ist allerdings denkbar schlecht verteilt. Nahezu 23 Milliarden Franken oder mehr als die Hälfte fliessen in die Taschen der Aktionäre von Nestlé, Roche und Novartis. Die drei Multis repräsentieren auch gut die Hälfte des Wertes aller im SLI enthaltenen Gesellschaften.

Zu den grössten Dividendenempfängern in der Schweiz gehören die Basler Familien Hoffmann und Oeri, die auch heuer wieder einen Anteil von weit über 700 Millionen Franken aus dem Gewinn des von ihnen kontrollierten Roche-Konzerns erhalten. Harte Konkurrenz erhalten die Roche-Erben aber von Michael Kühne, der 52.9 Prozent aller Aktien des Logistikkonzerns Kühne+Nagel besitzt.

Konkurrenz für die Roche-Erben

epa04591089 Klaus-Michael Kuehne, majority shareholder of logistics company Kuehne+Nagel and grandchild of the company's founder, attends the celebrations for the company's 125th anniversary ...
Klaus-Michael Kühne, Mehrheitsaktionär des Logistikkonzerns Kühne+Nagel, hier an einem Firmenanlass 2015.Bild: EPA/DPA

Das Unternehmen profitierte während der Pandemie in extremem Mass vom starken Anstieg der Frachtraten und anderer Knappheitsphänomene und erreichte so fast eine Verdreifachung des Jahresgewinns auf über zwei Milliarden Franken im zurückliegenden Jahr. Für die Aktionäre fallen Dividenden von 1.2 Milliarden Franken ab – 670 Millionen Franken mehr als im Vorjahr. Allein für Hauptaktionär Kühne springen 635 Millionen Franken heraus.

Mit dem Geld konnte der 84-Jährige soeben den Kauf eines 10-Prozent-Anteils an der Lufthansa finanzieren, der aktuell einen Wert von über 800 Millionen Euro aufweist. Auch in der Schweiz sind nebst den Roche-Erben zahlreiche Familien Nutzniesser der Gewinnausschüttungen.

Der Schweizer Aktienmarkt ist fest in einheimischer Hand

Gemäss einer Studie des Finanzmarktforscherpaares Yvonne Seiler Zimmermann und Heinz Zimmermann aus dem Jahr 2019 ist der Schweizer Aktienmarkt entgegen anders lautenden Erhebungen fest in Schweizer Hand. Von den namentlich bekannten Aktionären von Schweizer Publikumsgesellschaften liegen 66 Prozent in den Händen von Einheimischen.

Entt�uschung f�r Novartis: Ein getestes Medikament erh�ht die �berlebenschance bei Corona-Patienten nicht. (Archivbild)
Novartis benötigte seine Gewinne auch, um neue Firmen hinzuzukaufen.Bild: sda

Allerdings ist in der Dividendenentwicklung der Schweizer Grossunternehmen seit einigen Jahren eine gewisse Verflachung feststellbar. Schuld daran hat nicht allein die Pandemie. Lorenzo Biasio, Pharmaspezialist bei der Credit Suisse, erklärt die Verflachung «zu einem grossen Teil mit spezifischen Entwicklungen bei zwei grossen Basler Pharmakonzernen». Novartis hat seit 2015 etliche reife Geschäftsteile veräussert und mit einem Teil der Einnahmen den Einkauf junger Forschungsfirmen in den USA finanziert. Die Dividendenkraft des Konzerns ist dadurch mindestens vorübergehend geringer geworden.

Wachsender Druck auf die Pharmakonzerne

ARCHIV – ZU DEN QUARTALSZAHLEN VON ROCHE STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG -The Roche Tower (building 1), by architects Herzog & de Meuron, next to the banks of the river Rhi ...
Der Roche-Tower am Rhein in Basel: Die Dividenden des Pharmariesen sind in den vergangenen Jahren nicht mehr ganz so stark angestiegen.Bild: KEYSTONE

Auch Roche sieht sich seit einigen Jahren mit einer erstarkenden Konkurrenz von Firmen konfrontiert, die sich auf die Nachahmung von biologischen Medikamenten (Biosimilars) spezialisieren. Ein Blick in die tiefere Vergangenheit der beiden Konzerne zeigt, dass diese ihre Ausschüttungen in den Jahren 2007 bis 2009 um 50 Prozent (Novartis), beziehungsweise um 30 Prozent (Roche) zu steigern wussten. Seit 2014 haben die Ausschüttungen der beiden Konzerne in absoluten Zahlen nur noch um ein, beziehungsweise drei Prozent (Roche) zugenommen.

Ungebrochen hoch ist die Dividendendynamik dagegen bei der ungekrönten Schweizer Dividendenkönigin Nestlé. Der Nahrungsmittelmulti schüttet heuer fast 7.9 Milliarden Franken an seine Eigentümer aus – 11 Prozent mehr als 2014. Obschon sich seit jenen Jahren auch Aufsteiger wie der Bauchemiekonzern Sika, Versicherer Swiss Life oder der Zementhersteller Holcim in der Statistik nach vorne arbeiten konnten, ist in den kommenden Jahren für den Gesamtmarkt mit einer anhaltend flachen Dividendenentwicklung zu rechnen.

Hohes Rezessionsrisiko in Europa

Credit-Suisse-Chefökonom Claude Maurer.
Credit-Suisse-Chefökonom Claude Maurer.

Ein wichtiger Grund dafür sind die eingetrübten Wirtschaftsprognosen. «Das Rezessionsrisiko in Europa ist derzeit relativ hoch und die Schweiz wird sich einem Konjunktureinbruch in Europa nicht entziehen können», sagt Credit-Suisse-Chefökonom Claude Maurer. «Glücklicherweise können wir uns im Moment immer noch auf eine robuste und stark wachsende US-Wirtschaft verlassen. Aber auch dort nimmt das Rezessionsrisiko zu, weil die Notenbank die schnell drehende Lohn-Preis-Spirale zum Stillstand bringen muss», sagt Maurer.

Nach Einschätzung von Analyst Biasio ist die Dividendenverlässlichkeit des Schweizer Marktes im Vergleich zu den Zeiten vor der Finanzkrise aber deutlich grösser geworden. Nach der Finanzkrise dauerte es in Europa ganze fünf Jahre, bis das alte Dividendenniveau wieder erreicht werden konnte. Das hatte mit dem hohen Anteil der Finanzbranche am gesamten Dividendenaufkommen zu tun. In der Schweiz ist das Gewicht der Finanzbranche gemessen an der Kapitalisierung des Gesamtmarktes seit 2006 aber deutlich kleiner geworden, sagt Biasio. Für die Anleger ist das eine gute Nachricht. Der Markt ist auf Konjunkturschwankungen widerstandsfähiger geworden.

Der Zenit bei den CEO-Löhnen liegt sechs Jahre zurück

Der relative Bedeutungsverlust der Finanzbranche dürfte auch ein Grund dafür sein, dass auch die Chef-Löhne seit einigen Jahren nicht weiter gegen den Himmel steigen. Der Höchstwert von 198 Millionen Franken innerhalb des Beobachtungsraumes der vorliegenden Statistik liegt immerhin bereits sechs Jahre zurück. Mit einer Gesamtentschädigung von 191 Millionen Franken sind die Chefs der 30 grössten Schweizer Konzerne freilich immer noch die bestbezahlten Manager Europas. (aargauerzeitung.ch)

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bokl
19.04.2022 08:54registriert Februar 2014
Entscheidend ist die Rendite (Dividende in % des eingesetzten Kapitals) und nicht die absolute Ausschüttung in CHF.
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Pragmatiker17
19.04.2022 08:25registriert Juni 2018
Was die Grossaktionäre erhalten, ist für Wirtschaftsjournalisten ja relativ einfach zu ermitteln. Interessant wäre mal ein Bericht darüber, wieviel Geld aus Dividenden an die Bevölkerung fliesst (Pensionskassen und Kleinaktionäre).
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Radio Eriwan - mit Echtheitszertifikat
19.04.2022 09:12registriert November 2020
Im Prinzip ist es Korrekt, dass Aktionäre eine Dividende für ihr Kapital erhalten.
Wie wäre es, wenn die Pharmabranche bei diesen enormen Gewinnen mehr in die Bekämpfung von Krankheiten und senkung von Preisen für Medis- welche wir notabene über unsere obligatorische Krankenkasse finanzieren- sprechen würden?
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