Im vergangenen Herbst herrschte nicht nur an den Aktien-Börsen Euphorie. Wer sein Glück mit Kryptowährungen versuchte, wurde noch reichlicher belohnt. Erfolgsstorys von glücklichen Investoren waren allgegenwärtig. Renommierte Banken stiegen ins Geschäft ein. Bitcoin-ETFs wurden lanciert. Nur der Himmel schien die Grenze für die Kurse der Kryptos zu sein.
Heute sind das schöne Erinnerungen, derzeit wird der Krypto-Blues gesungen. Seit dem Höhepunkt vom vergangenen November sind die Kurse um rund die Hälfte eingebrochen. Gemäss der Kryptobörse CoinMarketCap sind so weltweit 1,35 Billionen vernichtet worden.
Dieser «Krypto-Crash» hat einige prominente Opfer gefordert. Melania Trump beispielsweise. Sie hat den Hut, den sie bei ihrem Besuch in Paris getragen hat, versteigert, unter einer Bedingung: «Die Auktion akzeptierte nur Kryptowährungen», meldet die «Washington Post». «Und diese sind in der letzten Woche getaucht. Bitcoin verlor 20 Prozent, Ethereum gar 30 Prozent.»
Die ehemalige First Lady versucht sich auch mit NFTs (Non Fungible Tokens, zu Deutsch: nicht ersetzbare Wertmarken). Der französische Künstler Marc-Antoine Coulon hat ihre Augen mit Wasserfarben gemalt und das Werk als NFT unter dem Titel «Melanie’s Vision» angeboten. Derzeit ist es gerade mal 185 Dollar wert.
Ebenfalls massive Verluste muss wohl auch Elon Musk verkraften. Tesla hat im vergangenen Jahr 1,5 Milliarden Dollar in Bitcoin investiert. Bei einem Jahresgewinn von 5,5 Milliarden Dollar wird Musk damit leben können.
Hierzulande leidet das Städtchen Zug unter dem Krypto-Blues. Die Innerschweizer wollen sich bekanntlich mit dem Segen des Bundesrates und der Finanzaufsicht Finma als «Crypto-Valley» positionieren. Mit Erfolg: Von den 960 Schweizer Krypto-Start-ups befinden sich 433 in Zug. Doch die Stimmung ist in diesen Tagen eher mies. So schreibt die «Financial Times»:
Krypto-Fans pflegen Kursverluste mit einem Achselzucken wegzustecken. Ja, sie begrüssen sie gar. «Buy the dip» lautet die Devise, will heissen: Schlag zu, wenn die Kurse am Boden sind. So tweetete etwa David Hoffman, der Co-Besitzer von Bankless: «Auf Wiedersehen, ihr Ungläubigen. Natürlich hat niemand Freude, wenn er zusehen muss, wie sein Portfolio um 40 Prozent schrumpft. Aber letztlich geht es um die Frage: Glaubt ihr an die Kryptos oder nicht?»
Dieser Glaube könnte auf eine harte Probe gestellt werden. Die Kryptos haben nämlich in der Corona-Krise ihren Charakter verändert. Aus den Aussenseitern, die sich den üblichen Marktregeln entzogen, sind Vermögenswerte geworden, die sich wie die anderen verhalten, vor allem wie die Tech-Aktien. So stellt die «Financial Times» fest:
Gerade die Tech-Aktien sind jedoch derzeit unter Druck, und die von Fed-Präsident Jay Powell angekündigten Leitzins-Erhöhungen werden diesen Druck wohl noch weiter erhöhen. «Derzeit deutet wenig darauf hin, dass Bitcoin eine Absicherung gegen die Inflation sind» erklärt daher Inigo Fraser-Jenkins, Mitbesitzer der Beratungsfirma AllianceBernstein.
Alt sehen derzeit auch die Politiker aus, die sich im Krypto-Glanz sonnen wollten. Dazu gehört etwa Eric Adams, der neue Bürgermeister von New York. Er hat sich sein erstes Gehalt in Bitcoin und Ethereum auszahlen lassen, mit der Begründung: «New York ist das Finanzzentrum der Welt, und wir wollen auch das Zentrum der Krpytowährungen und anderer Finanzinnovationen sein.»
Für Adams mag dies eine mehr oder weniger geglückte PR-Aktion gewesen sein – die Umweltschützer sind überhaupt nicht begeistert –, für die Menschen in El Salvador hingegen sind Politspiele mit Kryptos eine Katastrophe. Präsident Nayib Bukele hat nämlich vor eineinhalb Monaten Bitcoin in den Stand eines legalen Zahlungsmittels erhoben, will heissen, die Kryptowährung muss von allen akzeptiert werden.
Bukele ist ein autoritärer Rechtspopulist, der sich als Hipster ausgibt. Er pflegt in lockerer Montur mit einem verkehrt aufgesetzten Baseball-Käppchen aufzutreten und von illusionären Projekten zu schwafeln. So will er seine Landsleute nicht nur Bitcoin aufs Auge drücken. Er will auch mit einer Bitcoin-Milliarden-Anleihe eine Bitcoin-Stadt bauen.
Diese Stadt soll in der Nähe eines Vulkans gebaut werden, der die geothermische Energie liefert, welche benötigt wird, um die Bitcoins zu fördern. Sie soll auch ein libertäres Paradies werden: keine Steuern, modernste Hochhäuser, schicke Café und ein Flughafen für die Privatjets der Krypto-Milliardäre.
All dies wird nie passieren. Stattdessen leidet die ohnehin schon von Armut gebeutelte Bevölkerung unter dem Grössenwahn ihres Präsidenten. Dieser hat sogar die Nationalbank dazu gezwungen, in Bitcoin zu investieren, und damit 22 Millionen Dollar kostbare Devisen verbrannt. Daher hat der Internationale Währungsfonds den Präsidenten von El Salvador dringend aufgefordert, das Bitcoin-Experiment abzublasen. Die Risiken seien zu viel gross, so die Begründung.
Die Krypto-Gemeinde hingegen hat Bukele lange als Helden verehrt. Nun zeigt sich, dass er ein Desaster angerichtet hat. Steve Hanke, Finanzprofessor an der Johns Hopkins University, erklärte gegenüber dem Magazin «Fortune»: «El Salvador hat jetzt die schlimmste Schuldensituation weltweit, und das ist die Folge des Bitcoin-Wahns. Die Märkte glauben, Bukele sei verrückt geworden – und er ist tatsächlich verrückt geworden.»
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