Im Börsenjargon gibt es den Ausdruck «dead cat bounce». Etwas zynisch wird damit ausgedrückt, dass selbst eine tote Katze leicht aufspringt, wenn sie auf den Boden fällt. Was die Börsen derzeit erleben, ist jedoch mehr. Es ist ein Tiger-Sprung. Die amerikanischen Aktienindizes Dow Jones und S&P sind gestern um rund fünf Prozent in die Höhe geschnellt, die meisten europäischen Börsen um mehr als zwei Prozent.
Die Hausse scheint sich fortzusetzen. Das hat verschiedene Gründe:
Die Finanzminister und die Zentralbanker der G7-Staaten treffen sich heute, um zu besprechen, wie sie der Wirtschaft unter die Arme greifen können.
Die japanische Notenbank hat bereits angekündigt, sie werde «genügend Liquidität bereitstellen, um die Stabilität der Finanzmärkte zu garantieren».
Luis de Guindos, Vize-Vorsitzender der Europäischen Zentralbank (EZB), erklärte, die «EZB werde wachsam bleiben und die Daten sorgsam prüfen», und betonte gleichzeitig, dass die EZB bereit sei, «jederzeit ihre Instrumente der Situation anzupassen».
In einem Radio-Interview betonte François Villeroy de Galhau, der Gouverneur der französischen Nationalbank, ebenfalls, dass seine Bank «wachsam» bleiben werde.
Die italienische Regierung hat angekündigt, mit einem Betrag von 3,6 Milliarden Euro die Wirtschaft wieder ankurbeln zu wollen.
Die US-Notenbank will ebenfalls «angemessen reagieren», will heissen, voraussichtlich Mitte März die Leitzinsen erneut senken.
Alles wieder im grünen Bereich? Waren die letzten Tage ein kurzer Albtraum und werden sich die Aktienbörsen nun in V-Form erholen und bald wieder neue Rekordwerte erzielen? Wettet nicht zu viel Geld darauf. Die Erholung könnte nur kurzfristig sein. Auch dafür gibt es verschiedene Gründe:
Kurserholungen nach schweren Verlusten sind normal, und je tiefer der Fall war, desto kräftiger fällt der Sprung aus. Das bedeutet nicht, dass die Gefahr vorbei ist. Bloomberg-Kolumnist John Authers erinnert an die Finanzkrise und stellt fest:
«Der beste Tag für den S&P war der 13. Oktober 2008. Nach dem Kollaps von Lehman legte der Index zunächst 11,6 Prozent zu. Für die Zukunft hatte dies nichts zu bedeuten. Wer damals Aktien zukaufte, musste danach 27 Prozent Verluste verkraften, bis die Märkte den Talboden gefunden hatten.»
Der kräftige Sprung in den USA hat auch technische Gründe. Wegen den erwarteten Leitzinssenkungen ist der Kurs des Dollars eingebrochen. Das macht die Amerikaner glücklich, die Europäer weniger.
Sämtliche Tricks der Notenbanken können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die reale Wirtschaft in Schwierigkeiten befindet. So warnt die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dass sich das Wachstum der globalen Wirtschaft verlangsamen wird und sich im schlimmsten Fall gar halbieren könnte. Das ursprünglich prognostizierte Wachstum von 2,9 Prozent war schon auf der mageren Seite.
Es ist fraglich, ob die Zentralbanken die wirtschaftlichen Schäden auffangen können. «Sie können das Virus nicht heilen», sagt Paul Donovan vom UBS Global Wealth Management in der «Financial Times». «Und sie können die Menschen nicht zwingen zu konsumieren.»
Die globalen Versorgungsketten sind unterbrochen. So müssen Computer- und Smartphonehersteller wegen des Coronavirus mit massiven Verspätungen aus China rechnen. Apple hat deswegen bereits eine Gewinnwarnung veröffentlicht.
In China geht die Zahl der Infizierten zurück, doch weltweit ist die Gefahr noch nicht gebannt. Auch in den USA gibt es mittlerweile mehr als 100 Covid-19-Fälle, 6 Menschen sind gestorben. In den Läden kommt es zu Panikkäufen.
Die Regierungen können zwar fiskalische Massnahmen zur Wirtschaftsankurbelung ankündigen. Sie umzusetzen ist weit schwieriger. In den USA sind die Staatsschulden wegen den Steuergeschenken der Trump-Regierung bereits astronomisch hoch. In Euroland befinden sich die Sparonkel der Nordstaaten und die Mittelmeerstaaten wegen dieser Frage in einem Endlosstreit.
Ob der Tiger-Sprung der Anfang einer raschen Erholung der Aktienmärkte ist, wird sich weisen müssen. Vorerst zeigt er vor allem eines: Derzeit werden die Börsen nicht von der Vernunft, sondern von Emotionen beherrscht.
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Die beliebtesten Kommentare
Sauäschnörrli
03.03.2020 12:47registriert November 2015
„ Derzeit werden die Börsen nicht von der Vernunft, sondern von Emotionen beherrscht.“
«230 Mal rein und raus» – Mit dem Paketboten unterwegs im Dauerstress
Pakete, so weit das Auge reicht: Zwischen Black Friday, Cyber Monday und Weihnachten ist dieses Bild in den Paketzentren der Post- und Paketzusteller Realität. Jeweils ab Ende November, zu Beginn der vermeintlichen Rabattschlacht in der Vorweihnachtszeit, erreicht der Konsumrausch der Schweizerinnen und Schweizer den Höhepunkt.
Leitsatz an den Börsen weltweit.