Endlos-Streit mit Twitter, Aktiencrash, uneheliche Zwillinge: Elon Musk kann sich derzeit wahrlich nicht über einen Mangel an Problemen beklagen. Am meisten ärgern dürfte ihn jedoch die Tatsache, dass Tesla vom Thron als grösster Hersteller von Elektroautos gestossen wurde. Neu trägt die Krone die Automarke BYD (Abkürzung von «Build Your Dream»). Im ersten Halbjahr 2022 haben die Chinesen mehr Autos (641’000) verkauft als die Amerikaner (564’000).
BYD ist das Werk von Wang Chuanfu. Der 56-Jährige ist ein chinesisches Spiegelbild von Musk. Er ist gleichzeitig ein genialer Ingenieur und ein cleverer Unternehmer, und er ist ein Workaholic. So zitiert die «Financial Times» einen Manager der Autoindustrie, der mehrmals mit Wang zu tun hatte, wie folgt: «Für ihn gibt es keine Work-Life-Balance. Er arbeitet immer.»
Wang stammt aus einfachen Verhältnissen und wuchs in der Provinz Anhui auf. Nach dem Tod seiner Eltern studierte er an einer technischen Hochschule in Peking Metallurgie. Danach arbeitete er in einem Staatsbetrieb. Dessen Bürokratie begann ihn jedoch rasch zu langweilen. Deshalb übersiedelte er in die aufstrebende Wirtschaftsmetropole Shenzhen in Südchina und gründete dort BYD.
Zunächst konzentrierte sich BYD auf die Herstellung von Batterien. Heute ist es hinter CATL die Nummer zwei auf diesem Gebiet. Schon früh erkannte Wang jedoch auch das Potenzial von Elektroautos. Dabei stand ihm ein gewichtiger Pate zu Seite: der legendäre Investor Warren Buffett. Dieser beteiligte sich mit zehn Prozent an BYD.
Während sich die traditionellen Autobauer im Sog der Lean Production immer mehr auf das Kerngeschäft (Design, Motoren) konzentrierten und den Rest von Lieferanten herstellen liessen, wollte Wang stets alle Fäden in der eigenen Hand behalten. Wie Musk setzt er auf eine vertikale Integration, das heisst, er lässt fast alles im eignen Haus fertigen. Diese Strategie macht sich nun bezahlt. Während die meisten Autohersteller unter unterbrochenen Lieferketten leiden und das Ausbleiben von Chips und anderen Komponenten beklagen, läuft die Produktion bei BYD auf Hochtouren.
In die Hände spielt Wang zudem, dass er von der Konkurrenz lange belächelt wurde. «Selbst Musk hat ihn unterschätzt», sagt Tu Le von der chinesischen Beratungsfirma Sino Autos gegenüber der «Financial Times». «Es gibt jedoch keinen Zweifel daran, dass sein Ehrgeiz mindestens so gross ist wie derjenige seiner Konkurrenten.»
Chuanfu Wang ist mittlerweile einer der reichsten Männer Chinas. Sein Vermögen wird auf mehr als 25 Milliarden Dollar geschätzt. Doch während andere Milliardäre derzeit in der Kritik der Regierung stehen, ist dies bei Wang nicht der Fall. BYD passt bestens in die ehrgeizigen Pläne von Xi Jinping, China zur führenden Tech-Macht der Welt zu machen.
Deshalb sagt Alex Payette von der Beratungsfirma Cercius Group: «Gemäss unserer Einschätzung geniesst Wang sehr gute Beziehungen zur Regierung von Xi. Er investiert massiv in die chinesische Wirtschaft, vor allem in den Hi-Tech-Sektor. Angesichts der wachsenden geopolitischen Spannungen ist dies besonders wichtig.»
Gefahr für Elon Musk droht nicht nur aus Asien. Auch in Deutschland wittert man Morgenluft. VW-Chef Herbert Diess sieht sich bereits auf der Überholspur. «Tesla schwächelt», erklärte er jüngst an einer Betriebsversammlung. «Diese Chance müssen wir nutzen und schnell aufholen – 2025 können wir in Führung gehen.»
Offenbar leidet VW nicht unter dem Krieg in der Ukraine. «Wir verdienen so viel wie nie – trotz Halbleitermangel und stockenden Lieferketten», prahlt Diess. Allerdings haben die Wolfsburger noch einen weiten Weg vor sich. Tesla hat im vergangenen Jahr weltweit 936’000 Elektroautos ausgeliefert, VW nicht einmal die Hälfte, nämlich 435’000. Zudem sind die Probleme bei der IT-Tochter Cariad noch längst nicht behoben.
Finanziell läuft es für Musk alles andere als rund. Sein neues Werk bei Berlin schreibt tiefrote Zahlen. Der Crash der Tech-Aktien hat Tesla besonders hart getroffen und den Kurs um rund 40 Prozent einbrechen lassen. Das Vermögen von Musk soll daher um rund 100 Milliarden Dollar geschrumpft sein.
Darin dürfte auch der Grund für das Twitter-Schlamassel liegen. Nachdem Musk zunächst vollmundig für den Social-Media-Kanal einen Preis geboten hat, der weit über dem damaligen Aktienkurs lag, hat er nun offenbar kalte Füsse bekommen und will den Deal abblasen. Das ist leichter gesagt als getan. Musk muss mit einer Konventionalstrafe in der Höhe von einer Milliarde Dollar rechnen – und mit endlosen juristischen Streitereien.
Dazu gesellt sich ein Image-Problem. Musk äussert sich immer öfters zur amerikanischen Politik und unterstützt dabei neuerdings die Republikaner. So hat er sich jüngst als Fan von Ron DeSantis geoutet. Der Gouverneur ist ein Hardliner der übelsten Sorte und gilt als möglicher Nachfolger von Donald Trump.
Zudem hat Musk den Hauptsitz von Tesla von Kalifornien nach Texas verlegt und die Demokraten als «woke» beschimpft. Wie dies bei der traditionell linksliberalen Tesla-Kundschaft ankommt, bleibt abzuwarten.
Schliesslich ist Musk zum neunten Mal Vater geworden. Shivon Zilis, eine Spezialistin für künstliche Intelligenz, ist die Mutter von Zwillingen, die Musk gezeugt hat. Sie hat zwischen 2017 und 2019 für Tesla gearbeitet.
Musk ist dafür bekannt, dass seine Partnerschaften tendenziell instabil sind, ebenso dafür, dass er Kinder mag. Auch die jüngste Erweiterung seiner Patchwork-Familie vermag ihn daher nicht zu erschüttern. «Ich tue mein Bestes, um das Problem der Unterbevölkerung zu bekämpfen», tweetete Musk. «Eine einbrechende Geburtsrate ist die grösste Gefahr, welche der Zivilisation droht.»