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Warum Trump diesmal wirklich Angst haben muss

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Trumps Angst, Pelosis Macht und «die richtige Zeit für eine historische Schelte»​

Das Telefongespräch mit dem Präsidenten der Ukraine stellt einen Wendepunkt in der Ära Trump dar: Ein Impeachment ist unausweichlich geworden.
27.09.2019, 15:2927.09.2019, 15:43
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Telefoniert gerne und unvorsichtig: Präsident Donald Trump.Bild: EPA

Lange war eine deutliche Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner gegen ein Impeachment. Die jüngsten Umfragen zeigen jedoch, dass es mittlerweile ebensoviele Befürworter wie Gegner eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Präsidenten gibt. Auch im Kongress ist die Stimmung gekippt. Nun gibt es eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus, die Trump impeachen will.

«Als Präsident habe ich das Recht, zu tun, was ich will.»
Donald Trump

Das macht den Präsidenten sichtlich nervös. Er wirft einmal mehr mit wilden Anschuldigungen um sich, bezeichnet die Informanten des unbekannten Whistleblowers als «Spione» und «Landesverräter», und erklärte in einer Rede vor einer geschlossenen Gesellschaft gar, in früheren Zeiten sei man mit solchen Leuten anders umgesprungen, will heissen, man habe sie erschossen oder erhängt.

Mit seiner bekannten Masche – «Ich nicht, der andere auch» – bringt Trump seinen Vize Mike Pence ins Spiel. Auch der habe ja mehrmals mit Wolodymyr Selenskyj telefoniert, erklärte er. Trumps persönlicher Anwalt Rudy Giuliani gibt ein wirres Interview nach dem anderen.

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Kann er ihm auch diesmal aus der Patsche helfen? Trump und sein Justizminister William Barr.Bild: EPA

Republikanische Senatoren fliehen derweil vor TV-Kameras und drücken sich um eine Stellungnahme mit der fadenscheinigen Begründung, sie hätten den Brief des Whistleblowers noch nicht gelesen.

Der Präsident und die Republikaner haben allen Grund, nervös zu sein. Mit Nancy Pelosi haben sie die wahrscheinlich fähigste Politikerin der USA als Gegenspielerin. Und die Mehrheitsführerin der Demokraten im Abgeordnetenhaus hat sehr gute Karten. Die bereits bekannten Fakten sind erdrückend:

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Lässt kein Fettnäpfchen aus: Rudy Giuliani.Bild: EPA

Trump hat am 25. Juli den Präsidenten der Ukraine unter Druck gesetzt, er solle ein Verfahren gegen Joe Biden einleiten. Er hat gegen 400 Millionen Dollar vom Kongress bereits bewilligte Hilfsgelder an die Ukraine blockiert, und die Anwälte im Weissen Haus haben versucht, dieses Telefonat zu vertuschen. Sie haben die Unterlagen auf einen streng geheimen Server verschoben, das ist das digitale Äquivalent zum guten alten Schreddern.

Nancy Pelosi hat damit – in Anlehnung an den griechischen Philosophen Archimedes – den Punkt gefunden, von dem aus sie die Trump’sche Welt aus den Angeln heben kann. Sie wird nun mit ihrem extrem fähigen Adlaten Adam Schiff die Ukraine-Affäre zum Mittelpunkt des Impeachment-Verfahrens machen und dieses mit süffigen Zutaten schmücken.

Stoff dazu gibt es reichlich: Die Frage, ob Trump in der Russland-Affäre die Justiz behindert hat, ist nach wie vor ungeklärt. Dazu kommen die Schweigegelder, die persönliche Bereicherung und der Verdacht auf Geldwäscherei.

Das Weisse Haus hingegen ist sehr schlecht auf ein Impeachment vorbereitet. Nachdem der Mueller-Report mehr oder weniger wirkungslos verpufft ist – er war für den Durchschnittsamerikaner einfach zu komplex –, ist man im Trump-Lager unvorsichtig, ja übermütig geworden.

Sämtliche Begehren des Kongresses und der Untersuchungsbehörden wurden niedergeschmettert mit der dreisten Begründung, der Präsident könne nicht nur nicht angeklagt werden, es dürfe auch nicht gegen ihn ermittelt werden.

Im vergangenen Juli erklärte Trump vor einer Gruppe Teenagern in Anlehnung an Artikel II der Verfassung: «Als Präsident habe ich das Recht, zu tun, was ich will.»

Nun zeigt sich aber, dass dies so nicht stimmt. Trump ist in die Defensive gedrängt und muss zu seinen alten Gassenhauern greifen, zu Tiraden auf Demokraten, Journalisten und einen vermeintlichen «Deep State».

Unterstützt wird der Präsident von den konservativen Medien. Ob Fox News, Breitbart oder Rush Limbaugh, sie alle stellen die Welt auf den Kopf und jammern, dass der Präsident nicht einmal mehr in Ruhe telefonieren dürfe und dass die nationale Sicherheit auf dem Spiel stünde.

Trump und seine Mitstreiter versuchen mit aller Kraft, die Ukraine-Affäre als eine weitere Episode eines endlosen Parteien-Gezänks darzustellen. Doch diesmal geht es um sehr viel mehr. So schreibt die «New York Times» in einem redaktionellen Leitartikel:

«Das ist ein Moment, in dem es politischen Mut braucht. Die Amerikaner verdienen eine Regierung, die ihre Probleme löst. Aber dazu ist es nötig, dass sie eine ausgewogene Regierung im Sinne der Gründerväter haben, mit freien und fairen Wahlen und einem Präsidenten, der vom Kongress daran gehindert wird, seine Macht für seine eigenen Zwecke zu missbrauchen. Mr. Trump hat die Institutionen des amerikanischen Systems verunglimpft und beschmutzt. Um die Hoheit der repräsentativen Demokratie zu demonstrieren, ist es daher an der Zeit für eine historische Schelte.»
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Trump: Die Beschwerde des Whistleblowers
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Trump: Die Beschwerde des Whistleblowers
US-Präsident Donald Trump hat nach Einschätzung des im Zentrum der Ukraine-Affäre stehenden Geheimdienstmitarbeiters eine «Einmischung» aus dem Ausland bei der Wahl 2020 angestrebt.
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Trump kennt (k)eine Antwort
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55 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sherlock_Holmes
27.09.2019 16:06registriert September 2015
Wie immer – im Prinzip rechtlich und ethisch absolut richtig und notwendig.

De facto wird Recht und Ethik jedoch nicht erst seit Trump mit Füssen getreten.

Was seit Trump droht, ist die dagewesene absolute Pervertierung und Leugnung jeglicher rechtsstaatlicher Prinzipien und vor allem die irreparable Diffamierung und Schädigung sämtlicher demokratischen, politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Kontrollmechanismen.

Somit geht es nicht mehr nur um die irren Handlungen eines ausser Kontrolle geratenen Präsidenten, sondern um den Schutz der verfassungsmässigen Grundlagen.
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Hans Jürg
27.09.2019 15:38registriert Januar 2015
«Als Präsident habe ich das Recht, zu tun, was ich will.»

Also sinngemäss "L'État, c'est moi" (das sagte der Sonnenkönig jeweils).

Wenn Trump so was sagt zeigt er, dass er Demokratie entweder nicht verstanden hat oder dass sie ihm sch....egal ist.

ich glaube, dass letzteres auf ihn zutrifft.
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De Flip
27.09.2019 16:11registriert April 2019
Wenn man Trumps Aussage, "Als Präsident habe ich das Recht, zu tun, was ich will" hört kann man nur den Kopf schütteln. Von der Devise "Der Herrscher ist der erste Diener des Staates" hat er sicherlich noch nie was gehört.
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