Wirtschaft
Schweiz

CS-UBS-Deal: Warum wir jetzt einen kühlen Kopf bewahren sollten

Bank building is collapsed. Bankruptcy bank. Collapse financial organization. Banking crisis. Signs of dollar near economic organization. Loss of money by bank depositors after bankruptcy. 3d image
Wir müssen analysieren, weshalb es zum CS-Crash kommen konnte.Bild: Shutterstock
Analyse

Warum wir jetzt einen kühlen Kopf bewahren sollten

Der Crash der Credit Suisse fällt in eine Zeit der Mega-Schocks. Wenn wir nicht auf der Hut sind, entsteht ein ideales Klima für Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten.
22.03.2023, 12:5922.03.2023, 14:37
Mehr «Wirtschaft»

Der Untergang der Swissair hat die Schweiz zu Beginn dieses Jahrhunderts emotional aufgewühlt. Politisch hingegen hielt sich der Schaden in Grenzen und betraf primär den Zürcher Freisinn. Natürlich wurde auch damals der Bundesrat hart kritisiert. Es wäre jedoch niemandem in den Sinn gekommen, die Schweiz deswegen als «Schurkenstaat» zu bezeichnen. Genau dies tut die äusserste Rechte bereits.

So hart der Crash der Credit Suisse für die Mitarbeiter ist, in der breiten Bevölkerung dürfte er kaum grössere Gefühlswallungen auslösen. Politisch hingegen könnte er weit gefährlicher werden als seinerzeit das Swissair-Grounding, denn er fällt in eine Zeit, in der die Menschen bereits mehrere aussergewöhnliche Schocks verarbeiten müssen: die Pandemie, die durch Putins Krieg gegen die Ukraine ausgelöste Angst vor einem Atomkrieg und die nicht mehr zu leugnende Klimakrise.

ZUM 15. JAHRESTAG DES SWISSAIR GROUNDING AM SAMSTAG, 1. OKTOBER 2016, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Swissair planes remain on the ground at the airport in Zurich-Kloten, Sw ...
Mussten 2001 am Boden bleiben: Swissair-Jets nach dem Grounding.Bild: KEYSTONE

Der CS-Crash, den so eigentlich niemand auf der Rechnung hatte, stürzt uns nun auf eine Achterbahn der Gefühle. Eben noch waren wir die Musterschüler, welche die Pandemie meisterten, ohne dabei eine gefährlich hohe Inflation auszulösen oder die Staatskasse übermässig zu strapazieren. Auch politisch schien alles im grünen Bereich. Corona-Schwurbler und Freiheitstrychler hatten ihre Viertelstunde des Ruhms eingelöst und verschwanden wieder in der Versenkung.

Nun sind wir über Nacht die Versager, unfähig, eine angeschlagene Grossbank zu retten und so Schaden vom Finanzplatz abzuwenden. Wir sind auch die Egoisten, die sich aus vorgeschobenen Neutralitätsgründen weigern, die Ukraine wirkungsvoll zu unterstützen. Von allen Seiten erfolgt daher der Ruf, die Schweiz befinde sich in einem Allzeit-Tief und sei ein internationaler Paria geworden.

Dabei muss der Spruch: «Ja, ja, es geht uns schlecht – aber auf hohem Niveau» aktuell nicht ironisch gemeint sein. Schauen wir auf unsere Nachbarländer, dann sind unsere Sorgen vergleichsweise überschaubar:

Die Probleme unserer Nachbarn

In Deutschland ist die von Kanzler Olaf Scholz vollmundig angekündigte Zeitenwende bisher ein Papiertiger geblieben. Frankreich steht wegen der von Präsident Emmanuel Macron eigenmächtig verordneten Rentenalter-Erhöhung vor der grössten sozialen Krise der jüngeren Vergangenheit. In Italien sitzt eine postfaschistische Regierung bereits an der Macht, in Österreich könnte dies nach den nächsten Wahlen der Fall sein.

Auch die Angelsachsen hat es bös erwischt: Die Briten haben sich mit dem Brexit wirtschaftlich ins Knie geschossen und sich international lächerlich gemacht. In den USA stehen sich Republikaner und Demokraten unversöhnlicher denn je gegenüber, und höchstwahrscheinlich steht uns ein erstmaliges und einmaliges Spektakel unmittelbar bevor: Ein Ex-Präsident wird wegen einer oder mehrerer Straftaten angeklagt.

Das heisst nicht, dass der CS-Crash deswegen verniedlicht werden darf. Wir müssen analysieren, weshalb es dazu kommen konnte, obwohl Regierung und Bankenaufsicht hoch und heilig versprochen haben, dass dies dank der neuen «Too big to fail»-Gesetze eigentlich unmöglich sei. Wir brauchen Lösungen, wie wir mit der neuen Monsterbank UBS umgehen sollen, und wir müssen auch das Versagen der Politik aufarbeiten. Sollte es dazu eine Sondersession des Parlaments brauchen, so sei’s drum.

Die Gefahr droht von rechts aussen. Auf seinem Videokanal «Weltwoche daily» hetzt Roger Köppel bereits gegen einen angeblichen «Schurkenstaat Schweiz». Dabei wirft er ein vermeintliches Versagen des Bundesrates und der Nationalbank mit der Neutralität und der Aufhebung der Sanktionen gegen Russland in einen Topf. Angereichert wird der Mix mit den aus der post-faschistischen Ecke sattsam bekannten Sprüchen wie: Die Schweiz dürfe sich nicht länger einem Diktat aus dem Ausland beugen und das Volk müsse endlich wieder das Heft in die Hand nehmen.

Des personnes manifestent contre la loi Covid-19 avec la presence des Freiheitstrychler lors d'un rassemblement le samedi 13 novembre 2021 a Geneve. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)
Kriechen wieder aus ihren Löchern: die Freiheitstrychler.Bild: keystone

Die Schwurbler-Bewegung «Mass-Voll» kriecht derweil aus ihren Löchern und mischt sich auf dem Paradeplatz unter die Jusos, um gegen die Banken zu demonstrieren. Es dürfte bloss eine Frage der Zeit sein, bis auch die Freiheitstrychler die Gunst der Stunde nutzen und ebenfalls wieder in Aktion treten. Neuerdings machen sie nicht nur mit ihren Glocken Lärm, sie skandieren auch «Harus», den Schlachtruf der Schweizer Nazi-Sympathisanten in den Dreissigerjahren.

Es wäre fahrlässig, dies alles zu verharmlosen oder gar zu ignorieren. Die bereits erwähnten Schocks haben auch hierzulande die Menschen erschüttert und machen immer mehr von ihnen empfänglich für Verschwörungstheorien und Chauvinismus. Dazu kommt, dass sich zum politischen Schock bald auch ein wirtschaftlicher gesellen könnte. Die Bankenkrise ist noch längst nicht ausgestanden. Die internationale Finanzgemeinde ist daher äusserst nervös und wartet darauf, wo die nächste Zeitbombe explodieren könnte. Eine weltweite Rezession, die bereits verhindert schien, ist wieder denkbar geworden. Sie würde den bereits toxischen Mix noch giftiger machen.

In den Dreissigerjahren schrieb der italienische Philosoph Antonio Gramsci den Satz: «Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren. Es ist die Zeit der Monster.» In mancherlei Hinsicht beschreibt dieser Satz auch die aktuellen Zustände. Wir müssen daher verhindern, dass die Monster an die Macht gelangen. Dazu müssen wir Lösungen finden, wie wir die Mega-Schocks erfolgreich in den Griff bekommen – und dazu brauchen wir einen kühlen Kopf.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
UBS übernimmt Credit Suisse: Die Verordnung
1 / 28
UBS übernimmt Credit Suisse: Die Verordnung
Die Verordnung zur Übernahme der CS durch die UBS im Originallaut. Die ersten drei Seiten bilden die Verordnung, danach folgen die Erläuterungen.
quelle: keystone / michael buholzer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Warum dich die Übernahme der CS durch die UBS interessieren sollte
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
114 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Hans Jürg
22.03.2023 13:05registriert Januar 2015
ähmmm....

Also in Katastrophenfilmen bricht immer erst dann die Panik aus, wenn jemand ruf "Don't panic!"....
675
Melden
Zum Kommentar
avatar
Firefly
22.03.2023 13:04registriert April 2016
Ich sag nur; die fetten Jahre sind vorbei.

Das ist keine Verschwörung sondern schlicht der Unfhähigkeit und Selbstüberschätzung geschuldet.
5810
Melden
Zum Kommentar
avatar
Rikki-Tiki-Tavi
22.03.2023 13:02registriert April 2020
Wir brauchen einen kühlen Kopf, und die Gewissheit, nicht alles begreifen und schon gar nicht beherrschen zu können. Aber völlig unerwartet kam dieser Crash nicht, im Gegenteil: Management und VR habe seit Jahren darauf hin gearbeitet und die DNA der CS entsprechend infiziert.
536
Melden
Zum Kommentar
114
Schweizer geben weniger für Sportartikel aus – es ist trotzdem noch viel
Die Schweizerinnen und Schweizer haben im letzten Jahr 2,17 Milliarden Franken für Sportartikel ausgegeben. Das waren laut der Fachstelle Sportartikel Schweiz Swisspo 1,5 Prozent weniger als im Vorjahr.

Der Onlinehandel wuchs um ein Prozent und erzielte einen Anteil von 28 Prozent am Umsatz, wie Swisspo am Montag mitteilte. Im Jahr 2019 – vor der Corona-Pandemie – lag der Anteil des Onlinehandels am Umsatz mit 16 Prozent noch deutlich tiefer.

Zur Story