Meine Mutter fuhr einen 1964er MGB Cabriolet. Wie die allermeisten Autos dieses Jahrgangs hatte es keine Sitzgurte. Und damit fuhr sie mehrmals von London nach Italien oder Zürich und zurück – mit Klein-Oliver auf dem Beifahrersitz. Musste auf der Autobahn eine Vollbremsung vollzogen werden, streckte sie einfach den Arm aus und drückte ihr Söhnchen in den Sitz.
Etliche meiner Altersgenossen werden ähnliche Kindheitserinnerungen haben. Und die eine oder andere Erinnerung beinhaltet vielleicht auch Autofahrten, die in einem jener fragwürdigen Metallkonstruktionen gefesselt verbracht wurden, die damals als Kindersitze galten.
Heute, freilich, sind Autositze eine Standard-Sicherheitsmassnahme. Sie unterliegen strengen gesetzlichen Sicherheits- und Qualitätsvorschriften, um unsere Kinder während der Fahrt zu sichern und ihnen im Falle eines Unfalls erhöhte Überlebenschancen zu gestatten. Dies war aber mitnichten schon immer so. Die ersten Kindersitze für Autos entstanden aus anderen Bedürfnissen.
Es ging weniger darum, die Überlebenschancen bei einem Unfall zu sichern, sondern vielmehr, dass die lästigen Bälger den Lenker oder die Lenkerin während der Fahrt nicht störten.
So war ein Kindersitz lange Zeit eine schlichte Sitzerhöhung, um das Kind auf Augenhöhe der fahrenden Eltern zu bringen. Zudem verschaffte so was dem Kleinkind freie Sicht auf die Strasse – weshalb viele dieser Sitze mit Spielzeug-Lenkrädern ausgestattet waren.
Erst 1962 wurden unabhängig voneinander zwei Konstruktionen entwickelt, die spezifisch dem Schutz von Kindern dienen sollten. Die britische Erfinderin Jean Ames entwickelte einen rückwärts gerichteten Kindersitz mit einem Y-förmigen Gurt, ähnlich den heutigen Modellen.
Zeitgleich entwarf Leonard Rivkin aus Denver, Colorado, einen nach vorn gerichteten Sitz mit einem Metallrahmen zum Schutz des Kindes.
Sowohl Ford ...
... als auch GM ...
... brachten Ende der Sechzigerjahre Kindersitze auf den Markt. Weite Verbreitung fanden diese aber nicht. In den Siebzigerjahren begannen staatliche Aufsichtsbehörden und Organisationen, sich ernsthaft mit dem Thema Kindersicherheit zu befassen – ein langwieriger Prozess, der schliesslich zu den ausgeklügelten Kindersitzen von heute führte.
Fallbeispiel Bunny Bear Booster Seat:
1933 leistete die Bunny Bear Company Pionierarbeit, indem sie den ersten kommerziell erhältlichen Kindersitz auf den Markt brachte: eine Sitzerhöhung aus Metall und Leder.
Er wurde auf den Vordersitzen von Fahrzeugen angebracht und hatte in erster Linie die Aufgabe, die Sitzposition des Kindes zu erhöhen. Ein einfacher Gurt sorgte für eine einfache Rückhaltefunktion.
Es ist wichtig zu betonen, dass diese frühe Kreation nicht in erster Linie der Crashsicherheit diente. Vielmehr ging es um ein anderes Anliegen der damaligen Zeit: Eltern sollten ihre Kinder besser überwachen können.
Und beim Rasthalt konnte man den Sitz zum praktischen Hochstuhl umfunktionieren!
In einer Zeit, in der es üblich war, dass sich Kinder frei im Fahrzeug bewegten, bot diese Sitzerhöhung eine Lösung, um sie zu kontrollieren.
Fallbeispiel Auto Strap:
Diese Anzeige aus einem Sears-Katalog aus dem Jahr 1961 zeigt, wie weit sich die Sicherheit im Auto im Laufe der Jahre entwickelt hat:
Der Auto Strap, im Einzelhandel für 1,88 US-Dollar erhältlich, wurde als Hilfsmittel beschrieben, das «Ihr Kind während der Fahrt durch den Verkehr schützt», und war für Kinder im Alter von 1 bis 10 Jahren gedacht. Ausserdem sollte er es dem Kind ermöglichen, «zu sitzen, zu stehen, zu knien oder zu schlafen, ohne den Fahrer zu stören». Aha – «stören». Da haben wir's wieder!
Fallbeispiel Baby-Hängematten:
Auto-Hängematten für Babys! Jap, in den Siebzigerjahren gab es das.
Ich – und ihr alle, die diese Kindheit überlebten: Wir sind Helden. 😉