Je länger die Untersuchung gegen die Geschäfte des US-Präsidenten dauert, desto klarer zeigt sich: Trumpworld ist eine sonderbare Mischung aus wahrscheinlich krimineller Korruption und Dummheit.
Am besten lässt sich das an den Dokumenten aufzeigen, die Robert Mueller und die Justizbehörde des Southern District of New York in den letzten Tagen bei verschiedenen Gerichten eingereicht haben. Sie betreffen drei Schlüsselpersonen der Russland-Affäre: Michael Flynn, Michael Cohen und Paul Manafort.
Michael Flynn hat eine eindrückliche militärische Karriere hinter sich. Er hat 30 Dienstjahre auf dem Buckel und fünf Kampfeinsätze im Irak und in Afghanistan geleistet. Dabei brachte er es bis in den Rang eines Lieutenant General. Danach wurde er mit dem Amt des Direktors der Defense Intelligence Agency, dem militärischen Geheimdienst der USA, belohnt.
Flynn war ein ausgezeichneter Soldat, aber ein lausiger Manager. Deshalb wurde er bald als Geheimdienst-Chef von Präsident Barack Obama wieder abgesetzt. Diesen Karrierebruch hat er nie verkraftet. Einst hatte er mit den Demokraten sympathisiert, nun wandte er sich den Republikanern zu.
Dank seinem ausgeprägten Hass auf Muslime und seiner paranoiden Seite verstand er sich bald bestens mit Trump. Flynn wurde der sicherheitspolitische Berater und ständige Begleiter des Präsidentschaftskandidaten. Auch persönlich verstanden sich die beiden gut. Nach dem Wahlsieg ernannte ihn der Präsident zum nationalen Sicherheitsberater, einem der wichtigsten Ämter in der US-Regierung.
Wie Trump hat auch Flynn eine Vorliebe für Russland. Er trat am Propaganda-Sender RT auf und sass an einem Dinner in Moskau am gleichen Tisch wie Wladimir Putin. Während der Übergangszeit zwischen Obama und Trump telefonierte Flynn mehrmals mit Sergei Kisliak, dem damaligen russischen Botschafter in Washington.
Dabei besprachen die beiden, wie sie auf die Sanktionen reagieren sollten, die der noch amtierende Präsident Obama gegen Russland verhängt hatte. Das war ein Verstoss gegen den Logan Act, ein Gesetz, das es Privatpersonen verbietet, mit ausländischen Regierungen Abmachungen zu treffen. Die Gespräche zwischen Flynn und Kisliak wurden vom FBI abgehört.
Flynn bestritt diese Gespräche zunächst heftig, auch gegenüber dem FBI. Er musste sie später jedoch zugeben und wurde nach nur 20 Tagen im Amt entlassen. Das FBI anzulügen, ist eine Straftat. Deshalb geriet Flynn ins Netz des Sonderermittlers. Er hat sofort gestanden und in eine Kooperation eingewilligt.
In insgesamt 19 Sitzungen mit dem Mueller-Team hat er umfassend Auskunft erteilt. Das hat sich für ihn ausgezahlt. Mueller schlägt dem zuständigen Richter vor, Flynn nicht ins Gefängnis zu schicken. Seine Begründung lautet: «Seine (Flynns) frühe Kooperation war besonders wertvoll, denn er ist einer der wenigen Leute mit langjähriger Erfahrung aus erster Hand.»
Muellers Begründung für die Empfehlung an den Richter ist zu grossen Teilen eingeschwärzt. Deshalb ist unklar, was genau Flynn verraten hat. Trump dürfte es auf jeden Fall einen heiligen Schrecken eingejagt haben. Die Milde des Sonderermittler ist ein klares Zeichen dafür, dass es bedeutend sein muss. Offenbar ist Flynn nun ein reuiger Sünder geworden ist, der mit sich und dem Gesetz ins Reine kommen will.
Michael Cohen ist der Sohn von Einwanderern aus der Ukraine. Er hat Jus studiert und sich zunächst mehr schlecht als recht als kleiner Anwalt in New York durchgeschlagen. Er lebte in einer Wohnung, die einst zum Trump-Imperium gehört hat. Als ein Teil der Bewohner den Namen «TRUMP» am Gebäude entfernen wollte, organisierte Cohen den Protest dagegen.
Trump war darob so angetan, dass er Cohen zu seinem persönlichen Anwalt und Mann fürs Grobe machte. Für diese Funktion war Cohen wie geschaffen. Die Strafverfolger des Southern District of New York, die das Verfahren gegen Cohen wegen Wahlverfälschung durchführen, schreiben in der Strafempfehlung an die zuständige Richterin, Cohens Lügen und finanzielle Verbrechen «seien Teil eines Täuschungsmusters, das sein gesamtes Berufsleben durchziehe».
Cohen hat Trump während rund zwölf Jahren gedient. Er hat sich stets gerühmt, Kontakte zur russischen Mafia unterhalten zu haben. Er hat auch das Schweigegeld an den Pornostar Stormy Daniels und das Playboy-Model Karen McDougal organisiert.
Es handelt sich dabei um einen Verstoss gegen das Wahlgesetz. In diesem Punkt hat Cohen sich schuldig bekannt. Brisant dabei ist, dass er ausgesagt hat, auf Befehl von «Individual #1» gehandelt zu haben. Hinter diesem Pseudonym im Empfehlungsschreiben an die Richterin verbirgt sich der Präsident persönlich.
Rechtlich bedeutet dies, dass Trump ab sofort ein sogenannter «nicht angeklagter Mitverschwörer» (unindicted co-conspirator) in einer Straftat ist. Es ist umstritten, ob ein amtierender Präsident angeklagt werden kann oder nicht. Sonst müsste sich Trump nun vor dem Kadi verantworten.
Wie Flynn war Cohen ebenfalls in Trumps Russlandgeschäfte involviert. Zusammen mit dem russischen Mafioso Felix Sater hat er das Projekt eines Trump Towers in Moskau vorangetrieben und hatte dabei Kontakt mit Sergejewitsch Peskow, dem Pressechef und engem vertrauten Putins. Cohen hat zugegeben, dieses Projekt noch im Sommer 2016 verfolgt zu haben, zu einem Zeitpunkt also, in dem Trump bereits als republikanischer Präsidentschaftskandidat feststand. Trump selbst hat dies stets vehement bestritten.
Wie Flynn hat Cohen aus persönlicher Enttäuschung die Seiten gewechselt. Er hatte sich für seine Dienste einen prestigereichen Job im Weissen Haus erhofft, doch der Präsident liess ihn mehr oder weniger fallen. Das dürfte mit ein Grund sein, weshalb Cohen nun mit den Strafbehörden zusammenarbeitet.
Er tut dies jedoch nur halbherzig. Die Ankläger des Southern District of New York empfehlen daher eine langjährige Gefängnisstrafe, Mueller hingegen plädiert für ein bisschen Milde.
Für Paul Manafort ist Politik gleichbedeutend mit Geschäft. Er liebt den Luxus und ist bereit, dafür jede Schandtat zu begehen. Deshalb hat er seine Dienste den übelsten Diktatoren der Welt angeboten, so etwa Ferdinand Marcos, dem ehemaligen Präsident der Philippinen, oder dem Schlächter von Zaire, Sese Seko Mobutu.
In der Ukraine hat Manafort dem russlandfreundlichen Wiktor Janukowytsch ins Präsidentenamt geholfen und dafür rund 16 Millionen Dollar kassiert. Gleichzeitig hat Manafort beste Kontakte zu russischen Oligarchen, speziell zu Oleg Deripaska, einem Geschäftsmann im engen Umkreis von Putin.
Im Sommer 2016 leitete Manafort rund drei Monate lang das Wahlkampfteam von Trump. Als ruchbar wurde, dass auf sein Drängen hin die republikanische Wahlplattform zugunsten Russlands abgeändert wurde, musste er gehen. Bekannt wurde auch, dass Manafort Deripaska Unter-vier-Augen-Gespräche mit Trump angeboten hatte, als Gegengeschäft für eine Schuld in zweistelliger Millionenhöhe.
Manaforts Sorgen begannen, als seine ehemalige Nummer 2, Rick Gates, beim Sonderermittler zu singen begann. Mueller hatte bald genügend Beweise, um ihn der verschiedensten Verbrechen, darunter Steuerhinterziehung und Bankbetrug, anzuklagen. Ein Gericht in Virginia hat ihn deswegen verurteilt.
Manafort sitzt seit dem vergangenen Mai in Untersuchungshaft. Um einem zweiten Gerichtsverfahren zu entgehen, hat Manafort zunächst eingewilligt, ebenfalls mit Mueller zu kooperieren. Er hat dabei jedoch offensichtlich erneut gelogen, und er hat den Inhalt seiner Gespräche mit dem Mueller-Team an Trumps Anwälte weitergeleitet.
Mueller hat den Deal daher aufgekündigt. Manafort muss damit rechnen, den Rest seines Lebens im Gefängnis zu verbringen. Seine letzte Hoffnung ist eine Begnadigung durch den Präsidenten.
Trotz den jüngsten Entwicklungen bleibt in der Russlandaffäre noch vieles im Dunkeln. Grosse Teile der beim Gericht eingereichten Dokumente sind eingeschwärzt, im Fall von Manafort ist gar ein ganzer Anhang versiegelt. Trotzdem ist erkennbar geworden, dass «Individual #1» sich in gröberen Schwierigkeiten befindet. Zusammen mit Michael Cohen hat er im Fall der Schweigegelder bereits eine Straftat begangen.
Gleichzeitig wird immer offensichtlicher, dass Trump wahrscheinlich mehr als dubiose Geschäfte mit Russland getätigt hat oder tätigen wollte, und dass er deswegen von den Russen erpressbar geworden ist. Ebenso zeichnet sich ab, dass der Sonderermittler sehr viel darüber weiss.
Trump ist für das Endspiel schlecht gerüstet. Sein Stabschef John Kelly verlässt das Weisse Haus. Nick Ayers, der Wunschkandidat als Nachfolger, hat dankend abgewinkt. Das ist nicht erstaunlich: Die «Washington Post» hat ausgerechnet, dass mindestens 14 Mitglieder des Trump-Teams Kontakte zu Russen unterhalten haben.
Der Präsident selbst will davon nichts wahrhaben. Seine Reaktion auf die jüngsten Enthüllungen waren ein Tweet mit dem Inhalt: «Totally clears the President. Thank you!».