Ökonomiestudenten lernen bereits im ersten Semester, was ein Schweinezyklus ist. Es ist auch leicht zu verstehen: Schweinefleischmangel gleich hohe Preise. Bauer züchtet Schweine. Schweinefleischüberfluss. Preise rasseln in den Keller, Bauer züchtet keine Schweine. Schweinefleischmangel, zurück auf Feld eins.
Beim Erdöl gibt es einen Schweinezyklus auf Stelzen. Kleine Veränderungen in der Weltwirtschaft haben fast unmittelbar grosse Wirkung auf den Erdölpreis. Als die Wirtschaft coronabedingt absackte, herrschte bald weltweit ein Überschuss an Erdöl. Weil bald sämtliche Lager bis zum obersten Rand gefüllt waren, erhielt man zeitweise gar Geld, wenn man sich verpflichtete, den Händlern das Öl abzunehmen.
Nun bewegt sich der Ölpreis wieder um die 80 Dollar pro Fass, und es ist damit zu rechnen, dass er noch weiter zulegen wird. Denn die OPEC+, die traditionellen Ölproduzenten plus Russland, haben beschlossen, dem Drängen der Amerikaner nicht nachzugeben und die Förderung nicht anzuheben. Sie hoffen so, diesmal dem Schweinezyklus die Stirne bieten zu können.
Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb wir uns auf eine Periode mit höheren Energiepreisen einrichten müssen. Die Produzenten sind verunsichert, weil selbst die Internationale Energieagentur IEA kürzlich in einem Aufsehen erregenden Bericht empfohlen hat, wegen der Klimaerwärmung keine neuen Ölfelder mehr zu erschliessen. Viele Banken weigern sich deshalb, solche Projekte zu finanzieren.
Das vor allem in den USA forcierte Schieferöl ist nicht nur wegen seiner Produktionsmethode, dem Fracking, in Verruf geraten. Es zeigt sich auch, dass diese Quellen zwar kurzfristig viel Öl liefern, jedoch rasch wieder versiegen. Wegen der Fluktuationen des Ölpreises mussten zudem viele Produzenten in der Covid-Flaute den Bankrott anmelden.
Ein hoher Ölpreis mag kurzfristig im Portemonnaie schmerzen, langfristig ist er in vieler Hinsicht ein Segen. Er beschleunigt nicht nur den Übergang von Ölheizung zu Wärmepumpe. Er vertreibt vor allem die Benzinmonster von den Strassen. Nähert sich der Preis für einen Liter der Zwei-Franken-Grenze, beginnen auch hartgesottene Pick-up- und SUV-Fahrer über Alternativen nachzudenken.
Bei der letzten Benzinpreis-Hausse stiegen viele auf einen sparsamen Benziner um. Nun schielen sie nach einem Elektroauto. Welcher Autobesitzer überlegt sich derzeit nicht, ob sein nächster Wagen nicht ein Elektromobil sein soll? Die Vorteile sind inzwischen zahlreich und unübersehbar geworden. Und hier sind die Gründe:
Nicht nur Tesla profitiert vom Elektroauto-Boom. Polestar beispielsweise, eine Volvo-Tochter, kommt mit dem Liefern ihrer Elektromobile nicht mehr nach. «Das ist kein Nischenmarkt mehr wie vor zwei, drei Jahren», sagt Jonathan Goodman, Chef von Polestar UK, in der «Financial Times».
Tatsächlich explodieren die Verkaufszahlen von Elektroautos förmlich. Prognosen gehen davon aus, dass 2025 mehr als 10 Millionen, 2030 gegen 30 Millionen E-Mobile verkauft werden sollen. Kein Wunder, investiert die Autoindustrie kräftig. Gemäss der Beraterfirma McKinsey waren es seit 2020 rund 100 Milliarden Dollar. In den nächsten fünf Jahren sollen weitere 330 Milliarden Dollar dazukommen.
Nissan hat 2010 mit dem Leaf das erste massentaugliche Elektroauto auf den Markt gebracht. Andy Palmer war damals in leitender Stellung mit dabei. Heute sagt er in der «Financial Times»: «Es ist wie damals beim Übergang von Pferdekutsche zum Auto. Die Erschütterung ist seismisch. Sie wird alles verändern, und zwar in einem Ausmass, dass alle, die sich nicht rasch genug anpassen, die nicht genug investieren, keine Zukunft mehr haben.»
Was also kann den Siegeszug des Elektroautos noch aufhalten? Zum einen der Preis. Obwohl es inzwischen eine breite Palette von Modellen gibt, ist das Angebot im untersten Preissegment noch ausbaufähig. Vor allem aber fehlt noch ein landesweites Netz von Ladestationen.
Während der hohe Ölpreis den Elektroauto-Boom beim Mittelstand fördern wird, kann er bei der ärmeren Landbevölkerung das Gegenteil bewirken. Die Proteste der Gilets jaunes in Frankreich wurden durch eine ökologisch begründete Benzinsteuer der Regierung ausgelöst.
BlackRock, der grösste Vermögensverwalter der Welt, hat sich zwar verpflichtet, der Ökologie eine zentrale Rolle bei seinen Investitionen einzuräumen. Doch CEO Larry Fink warnte schon im vergangenen Juli: «Wir riskieren eine Preiserhöhung für die Konsumenten – vor allem für diejenigen, die es sich nicht leisten können – und wir riskieren damit, dass der Übergang politisch nicht machbar wird.»
Ich wage mal die Prognose: Eine Energiewende, die nicht sozialverträglich ist wird nicht zustandekommen.