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Analyse
Christliche Juristen wollen mit Trump einen Gottesstaat errichten
Justizminister William Barr, Pat Cipollone, Anwalt des Weissen Hauses, der ehemalige Chefstratege Steve Bannon: Sie alle sind tiefgläubige Katholiken und wollen mit Trump den Rechtsstaat und die Demokratie aushebeln.
William Barr war einst ein konservativer, aber geachteter Jurist. Unter George Bush war er bereits in den Neunzigerjahren Justizminister. Damals sprach er sich für die strikte Trennung von Justiz und Politik aus.
Seit rund einem Jahr amtet Barr erneut als Justizminister. Unter Donald Trump sieht er sich jedoch nicht mehr als neutralen Juristen. Der Mann ist auf einer Mission gegen Linke und Progressive, die angeblich das christliche Abendland zerstören wollen.
Diener seines Herrn: William Barr. Bild: AP
Pat Cipollone ist derzeit der Anwalt des Weissen Hauses. Auch er hat einen eindrücklichen juristischen Leistungsausweis vorzuweisen. Im Impeachment-Prozess hat er die Verteidigung des Präsidenten geleitet und standhaft an der absurden These von einem «perfekten Telefongespräch» festgehalten.
Steve Bannon war einst Chefstratege im Weissen Haus, bevor er mit Schimpf und Schande davongejagt wurde. Das hindert ihn nicht daran, in einer modernen Version von Nibelungentreue Trump weiterzudienen und ihn gegen alle Angriffe zu verteidigen.
In Nibelungentreue mit Trump verbunden: Steve Bannon. Bild: AP/AP
Barr, Cipollone und Bannon sind tiefgläubige Katholiken. Sie sehen in Trump nicht einen narzisstischen Egoisten, der gegen sämtliche christlichen Werte verstösst. Sie glauben vielmehr, Trump sei zwar ein Sünder, aber auch ein Werkzeug Gottes. Im Einklang mit den Evangelikalen sind sie überzeugt, dass er das christliche Abendland vor Dekadenz und Untergang bewahren müsse.
Wenn so viel auf dem Spiel steht, haben Rechtsstaat und Demokratie zurückzustehen. Nur liberale Weicheier können besorgt sein, dass Trump das Justizministerium schamlos in ein Werkzeug für seinen persönlichen Rachefeldzug verwandelt hat. So sagt Bannon:
«Er (Trump) ist wütend, und er sollte es auch sein. Die Demokraten und die Medien haben drei Jahre von der Zeit der Nation mit einer Hexenjagd vergeudet. Nun hat er begriffen, wie er die volle Macht seiner Präsidentschaft einsetzen kann. Die feinsinnigen Gemüter müssen sich daran gewöhnen.»
Tatsächlich sagt Trump bei jeder sich bietenden Gelegenheit: «Ich habe das absolute Recht, das zu tun.» Es sind keine leeren Drohungen, wie die letzten Tage gezeigt haben. Seit dem Freispruch im Impeachment-Prozess kennt der Präsident keine Grenzen mehr:
- Per Tweet hat Trump sich beschwert, dass die von den Staatsanwälten geforderte Gefängnisstrafe in der Höhe von sieben bis neun Jahren gegen seinen Kumpel Roger Stone viel zu hoch sei. Stone ist von einem Gericht rechtsgültig verurteilt worden. Die geforderte Strafe entspricht den vom Gesetz verordneten Richtlinien. Trotzdem hat Justizminister Barr umgehend gekuscht und die Forderungen reduziert.
- Trump hat Amy Berman Jackson, die Richterin im Fall Roger Stone, ebenfalls per Tweet hart attackiert. Er warf ihr vor, sie bestrafe Paul Manafort mit Einzelhaft. Trumps ehemaliger Wahlkampf-Manager absolviert derzeit eine siebenjährige Gefängnisstrafe wegen verschiedener Vergehen. Richterin Jackson hat den Prozess gegen ihn geleitet. Sie hat jedoch keinerlei Einfluss darauf, wie er seine Strafe zu verbüssen hat.
- Trump hat Jessie K. Liu, einer von ihm eingesetzten Juristin, einen Job im Finanzministerium verweigert, weil er erbost darüber war, dass sie in einem für ihn ärgerlichen Fall zu milde geurteilt hat.
- Die Zeugen im Impeachment-Verfahren bekommen ebenfalls Trumps Rache zu spüren. EU-Botschafter Gordon Sondland und Col. Lt. Alexander Vindman, Mitglied des Sicherheitsrates, wurden entlassen, weil sie vor dem Abgeordnetenhaus ausgesagt hatten.
Eine unabhängige Justiz ist der Grundpfeiler von Rechtsstaat und Demokratie. In ihrem Eifer, das christliche Abendland zu retten, schlagen Trumps Helfer diesen Grundsatz in den Wind und machen so den Weg frei für einen autoritären Staat. Oder wie es die «New York Times» in einem redaktionellen Kommentar formuliert:
«In einem normalen Justizdepartement würden alle Alarmglocken schrillen, wenn der Präsident öffentlich Gnade für einen persönlichen Freund forderte. Aber wir haben kein normales Justizdepartement mehr. Ein ehrgeiziger Autokrat ist nur so mächtig wie seine Möglichmacher. Mit Mr. Barr hatte Mr. Trump einen Sechser im Lotto.»
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