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Theranos: Warum Elizabeth Holmes nun eine lange Gefängnisstrafe droht

«Fake it till you make it»: Warum Elizabeth Holmes nun eine lange Gefängnisstrafe droht

Sie schwärmte für den Apple-Vordenker Steve Jobs, umgarnte einflussreiche alte Männer und versprach eine Revolution des Geschäfts mit Bluttests. Doch der Erfolg von Elizabeth Holmes' Firma Theranos war auf Sand gebaut. Nun muss die einstige Vorzeigeunternehmerin wohl ins Gefängnis.
04.01.2022, 08:27
Renzo Ruf, Washington / ch media
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Elizabeth Holmes walks into federal court in San Jose, Calif., Monday, Jan. 3, 2022. (AP Photo/Nic Coury)
Elizabeth Holmes am 3. Januar vor Gericht: Einst gefeiert, jetzt verurteilt.Bild: keystone

Auf den ersten Blick kommt das Urteil gegen die einstige Vorzeigeunternehmerin Elizabeth Holmes, das zwölf Geschworene am Montag in einem Bundesgericht in San Jose (Kalifornien) fällten, einem Erfolg für die Beschuldigte gleich. In vier der elf Anklagepunkte wurde die einstige Chefin des Technologiekonzerns Theranos freigesprochen. In drei weiteren Anklagepunkten konnten sich die Geschworenen auch nach 50 Stunden – so lange dauerten die Beratungen hinter verschlossenen Türen – nicht auf ein Urteil einigen.

Der Eindruck aber täuscht. Denn die Geschworenen sprachen Holmes, nach einem Monsterprozess, der 15 Wochen lang dauerte, eben auch in vier Anklagepunkten für schuldig. Demnach sahen es die Geschworenen als erwiesen an, dass die einstige Multi-Milliardärin eine Reihe von Theranos-Investoren gezielt um etwas mehr als 144 Millionen Dollar geprellt hatte, in dem sie Lügen über das von ihr gegründete Unternehmen erzählte.

Unter den betrogenen Menschen befand sich auch die Familie der ehemaligen Bildungsministerin Betsy DeVos, die im Kabinett von Präsident Donald Trump gedient hatte. Der Betrug flog auf, nachdem der Journalist John Carreyrou im «Wall Street Journal» eine Reihe kritischer Artikel publiziert hatte – und das, obwohl der Besitzer der Wirtschaftszeitung, Rupert Murdoch, zu den Theranos-Investoren gehörte.

Nun droht Elizabeth Holmes, dem einstigen Wunderkind des Silicon Valley, das angetreten war, das Geschäft mit Bluttests zu revolutionieren, eine Gefängnisstrafe von bis zu 80 Jahren. Das Strafmass wird in einem nächsten Schritt von Bundesrichter Edward Davila festgesetzt.

«Fake it till you make it»

Holmes hatte im Prozess ihre Unschuld beteuert; die charismatische Frau, die mit ihrer auffällig tiefen Stimme auch prominente «Elder Statesman» wie George Shultz und Henry Kissinger eingewickelt hatte, nahm während des Prozesses mehrere Tage lang im Zeugenstand Platz. Sie behauptete dabei, sie habe Investoren nie hinters Licht geführt, obwohl doch intern bekannt war, dass die Theranos-Maschinen nicht, wie grossmundig versprochen, das lukrative Testgeschäft revolutionieren würden.

Holmes stellte sich vielmehr auf den Standpunkt, Theranos habe sich verhalten wie andere Start-Up-Unternehmen im Silicon Valley auch: Nötigenfalls müsse man eben erzwungenen Optimismus und gute Laune verbreiten, bis es mit der Produkte-Lancierung endlich klappt. «Fake it till you make it», lautet die entsprechende Formulierung in der amerikanischen Umgangssprache. Dass Patientinnen dabei falsche Testresultate erhielten, weil die Theranos-Maschinen nicht funktionierten, daran schien sich Holmes nicht zu stören.

Holmes behauptete zudem, dass sie von ihrem langjährigen Liebhaber und Geschäftspartner Ramesh «Sunny» Balwani sexuell misshandelt worden sei. «Er zwang mich dazu, Sex mit ihm zu haben, wenn ich es nicht wollte, weil er mich wissen lassen wollte, dass er mich immer noch liebte», sagte Holmes im Zeugenstand unter Tränen. Sie habe den Fehler gemacht, Balwani zu vertrauen, ergänzte eine ihrer Anwältinnen. Balwani weist die Vorwürfe seiner ehemaligen Freundin zurück; der heute 56-Jährige wird sich bald auch vor Gericht verantworten müssen.

epa09665290 Elizabeth Holmes (C), founder of Theranos, her partner, Billy Evans (L), her mother Noel (2-R) and father Christian (R) departs the Robert F. Peckham Federal Building and US Courthouse aft ...
Holmes mit ihrem Ehemann und ihren Eltern (im Hintergrund).Bild: keystone

Holmes reagierte auf die Urteilsverkündigung gelassen. Ihre Anwälte werden wohl Berufung gegen den vierfachen Schuldspruch einlegen. Sie bleibt vorderhand auf freiem Fuss. Das Gerichtsgebäude in San Jose verliess Holmes an der Seite ihres Mannes, mit dem sie seit Sommer 2021 ein gemeinsames Kind hat. (bzbasel.ch)

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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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insert_brain_here
04.01.2022 08:50registriert Oktober 2019
Wissentlich Bluttests mit falschen Resultaten liefern und damit zahlreiche Menschenleben riskieren? Peanuts.
Reiche Investoren übers Ohr hauen? Ab in den Kerker!

Die Lektion hier ist klar: Solange du nicht der Elite auf die Füsse tritts kannst du arme Schlucker zu zehntausenden übers Ohr hauen und durchaus auch ins Grab bringen.
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Lord_ICO
04.01.2022 09:43registriert März 2016
Ich verfolge die Geschichte von Holmes seit ich von Theranos das erste mal gehört habe, das war so um 2010. Damals war jedem der darüber las schon klar, das kann nicht funktionieren. Zig Professoren ihrer Uni Stanford und anderer medizinischer Fakultäten warnten dringlichst vor Theranos und wurden von den Investoren als Miesmacher und Rückwärtsdenkende beschimpft. Ist halt klassisch, man wirft so lange Geld an die Wand, bis was kleben bleibt…der Thelen Effekt.
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Rivka
04.01.2022 09:27registriert April 2021
Halt moment, wieso erzählt die denn, dass sie sexuell misshandelt wurde, wenn es um ihre falschen Bluttests geht? Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Wobei, ein guter Staatsanwalt diese Misshandlung als Lüge bezeichnen kann. Ich meine ja nur, aber die Frau hat ihre Investoren und Diabetes-Kranke belogen. Sie ist eine Lügnerin. Da kauft ihr die Misshandlung niemand ab.
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