«Hallo Amerika. Ich bin Amy Klobuchar, und ich werde Donald Trump schlagen!», so begann die Senatorin ihre Rede nach dem überraschenden Resultat der Primärwahlen in New Hamsphire. «Wie bitte, Amy wer?», werden sich viele fragen. «Ist die Frau übergeschnappt?»
Nicht wirklich. Klobuchar (ausgesprochen «Klobutschar») mag der breiten Öffentlichkeit noch wenig bekannt sein. Doch sie hat eine Chance, die erste Präsidentin der USA zu werden, und zwar wenn es so läuft:
Elizabeth Warren gibt auf. Als Frau erbt Klobuchar einen grossen Teil ihrer Stimmen. Biden wirft ebenfalls den Hut. Wiederum ist Klobuchar die Nutzniesserin.
Pete Buttigieg hat keine Chancen bei den Schwarzen und den Hispanics. Folglich hat er auch keine Chancen, demokratischer Herausforderer von Trump zu werden. Als erklärter Sozialist scheitert Bernie Sanders erneut am Parteiestablishment und den moderaten Demokraten, die nach wie vor die Mehrheit der Partei bilden.
Einen zweiten Milliardär aus New York wollen die Amerikaner nicht im Weissen Haus sehen. Mike Bloomberg kann sich daher ebenfalls nicht durchsetzen, doch er hält sein Versprechen und investiert rund zwei Milliarden Dollar in den Wahlkampf der Demokraten.
Was bleibt? Amy Klobuchar, ausgerüstet mit genügend Geld, um gegen Trump bestehen zu können.
Es geht jedoch um mehr als Geld. Amy Klobuchar hat, was die Amerikaner «grit» nennen. Sie ist zäh, und sie gibt niemals auf. Gerne erzählt sie, dass sie ausgelacht wurde, als sie im Winter in einem Schneesturm ihre Kandidatur erklärte. Im Sommer wurde ihr prophezeit, eines der ersten Opfer des brutalen Ausscheidungsrennens zu werden. Sie schaffte knapp den Sprung auf die Podien der TV-Diskussionen.
In Iowa ist ihr der Durchbruch missglückt. Wieder wurde sie abgeschrieben. In New Hampshire landete sie zwar hinter Sanders und Buttigieg bloss auf dem dritten Platz. Doch dieser dritte Platz fühlt sich wie ein Sieg an. «Klobuchar ist im Zentrum des demokratischen Präsidentschaftsrennens gelandet», titelt die «Washington Post».
Die Senatorin versteht es, eine pragmatische Linie zu verfolgen, ohne dabei die Progressiven vor den Kopf zu stossen. So hat sie als einzige der demokratischen Kandidaten bei der letzten TV-Debatte erklärt, sie habe ein Problem damit, dass sich Sanders als Sozialist bezeichnet. Sie lehnt eine Einheitskrankenkasse und Gratis-Universität für alle ab.
Doch anders als Sanders ist Klobuchar keine Ideologin. Sie verbindet Bodenständigkeit mit Witz. Anders als Warren erinnert sie auch nicht an eine strenge Lehrerin, und anders als Buttigieg hat sie Erfahrung und einen Leistungsausweis vorzuweisen.
Gleichzeitig kann sie wenn nötig auch knallhart sein. Davon weiss Brett Kavanaugh ein Liedchen zu singen. Der mit viel Getöse in den Obersten Gerichtshof gewählte Richter versuchte, sich mit Klobuchar in den Senatshearing anzulegen. Mit einem durchdringenden Blick und einem kalten Lächeln stoppte sie ihn auf der Stelle.
Klobuchar versteht es sehr gut, ihre eigene Biografie mit dem Leben der Durchschnittsamerikaner zu verbinden. Sie stammt aus einfachen Verhältnissen. Ihr Grossvater malochte in einer Kohlengrube. (Ihre Grossmutter ist übrigens aus der Schweiz ausgewandert.) Ihr Vater war Reporter und Alkoholiker.
Ohne zu heucheln kann sie daher ihren Wählerinnen und Wählern sagen: «Heute geht es darum, durchzuhalten. Meine Geschichte dreht sich, wie so viele von euren Geschichten, darum, Widerstandskraft zu zeigen.»
Bisher sind auch keine Skelette in Klobuchars Schrank gefunden worden. Sie hat keine Kinder, die sich ungebührlich bereichert haben. Sie hat weder Schwarze noch Schwule beleidigt und sie ist nicht abhängig von superreichen Strippenziehern.
Daher ist es Trump bisher noch nicht gelungen, ihr ein abwertendes Attribut anzuhängen. Sie ist weder «schläfrig» wie Biden noch «Pocahontas» wie Warren; und sie als Sozialistin zu brandmarken, dürfte ebenfalls nicht ganz einfach sein.
Dass endlich eine Frau das höchste Amt der USA bekleidet, ist ein Wunsch von vielen Amerikanerinnen und Amerikaner. Als Frau hat Klobuchar daher einen weiteren Trumpf gegen Trump in der Hand. Es lag nicht am Geschlecht, dass Hillary Clinton gescheitert ist, es lag an der Person.
Klobuchar ist so ziemlich das Gegenteil von Clinton. Sie ist keine Kreatur des Washingtoner Sumpfes, sie kommt aus dem ländlichen Bundesstaat Minnesota.
Kurz: Klobuchar hat die richtigen Fähigkeiten, das richtige Alter, das richtige Geschlecht und einen überzeugenden Leistungsausweis, um die erste amerikanische Präsidentin zu werden – und sie hat mehrmals bewiesen, dass sie Republikaner schlagen kann.
Was kann sie also stoppen? Klobuchar hat eine vergleichsweise mickrige Wahlorganisation, die sie jetzt in Windeseile aufstocken muss. Ob es ihr gelingen wird, bei den Schwarzen und den Hispanics anzukommen, ist ebenfalls noch ungewiss. Sie hat noch einen langen und steinigen Weg zurückzulegen.
Schliesslich ist sie nicht die einzige, die sich in diesem verrückten Wahljahr Gewinnchancen ausrechnet. Auch Bernie Sanders hat nach dem Resultat in New Hamsphire vollmundig erklärt: «Mit meinem Sieg ist das Ende von Donald Trump eingeläutet worden.»
„Sie lehnt eine Einheitskrankenkasse und Gratis-Universität für alle ab.“
beides unglaublich Populäre Ideen.