Im Gegensatz zu den Schweizer Miliz-Parlamentariern sind die 705 EU-Abgeordneten Berufspolitiker. Das heisst, sie werden auch dementsprechend entlöhnt. Zu den jährlichen 108'000 Euro Bruttolohn kommen 324 Euro pro geleisteten Sitzungstag und eine Büropauschale von über 4000 Euro pro Monat.*
Trotzdem lassen es sich zahlreiche EU-Abgeordnete nicht nehmen, neben ihrem Parlamentsmandat einer Nebentätigkeit nachzugehen. Diese erweisen sich zum Teil als ziemlich lukrativ: Die Topverdiener im EU-Parlament erwirtschaften mit ihren Nebenjobs ein Vielfaches ihres Parlamentssalärs, wie eine Datenanalyse von «Transparency International» (TI) zeigt. Mindestens 39 EU-Abgeordnete verdienen mit ihrem Nebenjob mehr, als sie vom Steuerzahler an Gehalt kriegen.
Das ist an sich nicht illegal und im Einklang mit der Parlamentsordnung. Laut den Autoren von TI gibt es wegen mangelnder Transparenz und Kontrolle aber trotzdem Potenzial für Interessenskonflikte.
Das sind die fünf Spitzenverdiener im EU-Parlament:
Der ehemalige polnische Aussen- und Verteidigungsminister der liberalen Bürgerplattform PO ist eine schillernde Figur. Er ist mit der amerikanischen Journalistin und Pulitzerpreisträgerin Anne Applebaum verheiratet und in der US-Politik bestens vernetzt. «Transparency International» schätzt seine Nebeneinkünfte auf mindestens 588'000 Euro bis maximal 800'000 Euro pro Jahr. Allein 40'000 Euro pro Monat gibt Sikorski an, mit seiner Beraterfirma «Sikorski Global» zu verdienen.
"Das ist die unerhörte Rechnung" - @sikorskiradek beweist seine 1000Euro Roaming-Rechnung in der Schweiz pic.twitter.com/rP1WZbAK5V
— Remo Hess (@remohess) November 7, 2019
Trotz seines Spitzen-Einkommens schaut der 58-Jährige aber durchaus genau auf seine Ausgaben. Ein Beispiel: Während einer Anhörung im EU-Parlament vor rund zwei Jahren beklagte sich Sikorski über eine ausserordentlich hohe Roaming-Rechnung, die er nach einem Besuch am Weltwirtschaftsforum in Davos erhalten habe.
Statt den rund 100 üblichen Euro kletterte seine Rechnung nach 24 Stunden Schweiz-Besuch auf einen Schlag auf über 1000 Euro. In der Hoffnung, dass ihm das nicht nochmals passieren würde, wollte Sikorski wissen, was die EU gegen die hohen Schweizer Roaming-Kosten tun könne.
Der zweite Topverdiener im EU-Parlament ist mit rund 360'000 bis maximal 720'000 Euro der frühere italienische Europaminister Sandro Gozi, der schon für den ehemaligen Kommissionspräsidenten Romano Prodi arbeitete und heute für die französische Präsidentenpartei «La République en Marche» im EU-Parlament sitzt.
Gozi verdient sein Geld ausserhalb des Parlaments vor allem mit gut bezahlten Lehraufträgen, bis 2020 auch für die Universität Genf. Früher war Gozi auch als Politberater unterwegs, zum Beispiel für den maltesischen Premierminister.
Der Grossbauer aus Dänemark betreibt neben seiner Tätigkeit als EU-Parlamentarier einen Hof mit rund 400 Hektaren Land und mehreren hundert Milchkühen. Seine Einnahmen beziffert er auf rund 20'000 Euro pro Monat. In einem Medienbericht wurde Christensen vorgehalten, dass er gleichzeitig im Landwirtschaftsausschuss des EU-Parlaments einsitzt, welcher auch über die Verteilung EU-Agrarmilliarden wacht, von denen er als Bauer wiederum profitiere.
Der ehemalige belgische Premierminister Guy Verhofstadt sorgte in seinem Land schon öfter für Schlagzeilen wegen seinen hohen Nebeneinkünften. Gemäss «Transparency International» kommt Verhofstadt auf zwischen 150'000 bis rund 300'000 Euro ausserhalb des Parlaments.
Unter anderem ist der 68-jährige Mitglied im Verwaltungsrat der belgischen Investmentgesellschaft Sofina. Verhofstadt ist aber auch als begnadeter Rhetoriker bekannt und lässt sich seine Auftritte als Redner dementsprechend gut bezahlen.
Der ehemalige polnische Fussballprofi Tomasz Frankowski gehört seit dem Jahr 2019 dem Europäischen Parlament an. In seiner Selbstdeklaration gibt er an, zusätzlich zu seinem Parlamentarierlohn rund 10'000 Euro monatlich aus einer nicht näher definierten unternehmerischen Tätigkeit zu verdienen. «Transparency International» schätzt sein Einkommen ausserhalb des EU-Parlaments auf zwischen 132'000 bis 180'000 Euro pro Jahr.
* Der Vollständigkeit halber: Nach Angaben der Bundeskanzlei belaufen sich Honorar und Spesen für einen Schweizer Parlamentarier je nach Anzahl Sitzungstage und Funktionen total auf rund 130'000 bis 150'000 Franken pro Jahr.