In den Wochen zwischen Trumps Wahlsieg und seinem Amtsantritt wurde Rudy Giuliani immer wieder mal als möglicher Aussenminister gehandelt. Daraus wurde nichts. Es habe zu viele Interessenskonflikte mit dem ehemaligen Bürgermeister von New York gegeben, wurde damals gemunkelt.
Im Lichte der Ukraine-Affäre zeichnet sich nun eine andere Erklärung ab. Sie lautet wie folgt: Der Präsident wollte Giuliani nicht in seiner offiziellen Regierung. Er machte ihn vielmehr zum Chef eines Schattenkabinetts, das Trumps persönliche Interessen verfolgte. Diese These erhärtet sich mit jedem Hearing, das derzeit vom Intelligence Committee des Repräsentantenhauses abgehalten wird.
Marie Yovanovitch, die aus dem Amt gemobbte US-Botschafterin in der Ukraine, Fiona Hill, die ehemalige Russland-Beraterin des Präsidenten und George Kent, die ehemalige Nummer 2 hinter Yovanovitch, sie alle haben sich über das Redeverbot des Weissen Hauses hinweggesetzt und ausgesagt. Alle drei sind professionelle Diplomaten, die ihre Karriere keiner Parteizugehörigkeit verdanken.
Obwohl ihre Aussagen vorläufig unter Verschluss bleiben, lassen sich die Umrisse einer eigentlichen Schattenregierung im Weissen Haus erkennen. Dabei zeigt sich folgendes Bild: Giuliani war der Kopf dieses Gruselkabinetts. Aussenminister Mike Pompeo und Stabschef Mick Mulvaney waren Mitwisser und haben – anders als ihre Vorgänger Rex Tillerson, respektive John Kelly – ihre stillschweigende Zustimmung zu dieser inoffiziellen Schattenregierung gegeben.
Eine Stufe weiter unten haben die «drei Amigos» die ausführenden Arbeiten übernommen. Energieminister Rick Perry, EU-Botschafter Gordon Sondland und der ehemalige Sonderbotschafter Kurt Volker sollten dafür sorgen, dass die Wünsche des Präsidenten ausgeführt wurden, will heissen: Die Ukraine sollte Dreck gegen den ehemaligen Vize-Präsidenten Joe Biden liefern und Beweise für die absurde, längst widerlegte These, wonach der Angriff auf die Server des Hauptquartiers der Demokraten nicht aus Russland, sondern der Ukraine erfolgte.
Um dieses Ziel zu erreichen, mussten zunächst die Profis aus dem Weg geschafft werden. Für diese Drecksarbeit wurden Lev Parnas und Igor Fruman eingespannt. Beide sind amerikanische Bürger mit sowjetischem Hintergrund. Beide wurden letzte Woche verhaftet, als sie ein Flugzeug Richtung Wien besteigen wollten.
Parnas und Fruman kann man nicht wirklich als seriöse Geschäftsleute bezeichnen. Sie sind als Serien-Pleitiers und notorische Schuldner aufgefallen. Trotzdem spannte sie Giuliani für seine Zwecke ein. Er brauchte ihre Kontakte in Kiew und setzte sie als Übersetzer ein. «Dank meines ukrainischen Hintergrunds und meiner Kontakte wurde ich Rudys Assistent und sein Privatdetektiv», prahlte Parnas kurz vor seiner Verhaftung gegenüber dem «New Yorker».
Auch zur Trump-Familie fand Parnas offenbar Zugang. Es gibt mehrer Fotos, die ihn zusammen mit dem Präsidenten oder mit Donald Trump Jr. zeigen. In der Nacht des Wahlsiegs war er mit von der Partie, als der Triumph gefeiert wurde. «Wir waren alle da, ich werde es nie vergessen», so Parnas gegenüber dem «New Yorker».
Parnas/Fruman sollen via Strohfirmen auch grosse Beträge in ein Superpac – einen speziellen Wahlkampffonds – für Trump einbezahlt haben. Deswegen sind sie verhaftet worden. Die Strafverfolger des Southern District of New York (SDNY) vermuten, dass rund 500’000 Dollar im Auftrag eines russischen Oligarchen an diesen Fonds weitergeleitet wurden.
Es wird spekuliert, dass es sich bei diesem Spender um Dmytro Firtash handeln könnte, einem der reichsten Geschäftsmänner der Ukraine. Firtash steht derzeit in Wien unter Hausarrest. Ihm werden beste Verbindungen zur russischen Mafia nachgesagt. Die USA haben deswegen ein Auslieferungsgesuch an Österreich gestellt.
Parnas/Fruman haben auch die Kampagne gegen die Botschafterin Yovanovitch angezettelt. Dazu haben sie Pete Sessions, einen alten Bekannten von Giuliani und republikanischen Abgeordneten aus Texas, eingesetzt. Sessions war damals Mitglied des aussenpolitischen Komitees. Er hat in einem Brief an Aussenminister Pompeo verlangt, dass Yovanovitch ihres Postens enthoben wird.
Auch Sessions erhielt Geld von den beiden Giuliani-Kumpels. Trotzdem hat er in den Zwischenwahlen 2018 seinen Sitz verloren.
Parnas/Fruman haben offenbar Yovanovitch auch gezielt verleumdet. Dazu benutzten sie John Solomon, einen einschlägig bekannten Journalisten der sehr rechten Szene. (Er taucht regelmässig bei Sean Hannity in Fox News auf.) Solomon wurde eine Liste mit Namen zugespielt, die angeblich von Yovanovitch und Kent zusammengestellt worden war.
Auf dieser Liste sind Namen von Personen aufgeführt, die nicht von der ukrainischen Justiz behelligt werden dürfen. Peinlicherweise sind die meisten dieser Namen falsch geschrieben, etwas, was den beiden Profis Yovanovitch und Kent niemals passiert wäre.
Gegen Rudy Giuliani ermittelt nun auch das SDNY wegen illegaler Finanzgeschäfte. Das könnte für ihn, der diese Institution einst geleitet hat, böse enden. Denn es ist davon auszugehen, dass dieses Verfahren von allerhöchster Stelle abgesegnet worden ist. Zudem ist das SDNY dafür bekannt, dass es niemals verliert. Giuliani hat allen Grund, schlecht zu schlafen.