Gegen Ende seiner ersten Amtszeit drohte Donald Trump der EU mit Strafzöllen. Der damalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versprach dem US-Präsidenten deshalb umgehend, die EU werde im grossen Stil amerikanische Sojabohnen und Flüssiggas importieren. Daraufhin verzichtete Trump auf seine Zölle und verkündete einen Sieg im Handelskrieg gegen Europa. Was er jedoch nicht erwähnte, war die Tatsache, dass Juncker sein Versprechen nicht hätte einlösen können, denn er besass die dazu benötigten Vollmachten gar nicht.
In seiner ersten Amtszeit versprach Trump auch vollmundig, den bestehenden Freihandelsvertrag zwischen den USA, Kanada und Mexiko grundsätzlich umzukrempeln. Sein damaliger Landwirtschaftsminister Sonny Perdue und sein damaliger Handelsminister Wilbur Ross klärten ihn jedoch auf, was für Folgen dies konkret für die amerikanische Wirtschaft haben würde. Trump revidierte daraufhin seine Ziele sehr rasch. Ausser einer Änderung des Namens von NAFTA zu USMCA blieb deshalb mehr oder weniger alles beim Alten.
Trump hat das legendäre Motto des US-Präsidenten Theodore Roosevelt in seinem Sinn umgewandelt. Anstatt: «Sprich leise, aber trag einen grossen Knüppel mit dir» heisst es nun: «Sprich laut, aber schwinge die Strafzoll-Keule». Der gewählte Präsident erklärt sich selbst zum «Taxman» und spricht nicht nur bei jeder sich bietenden Gelegenheit davon, dass «Zölle» sein Lieblingswort seien.
Noch bevor er im Amt ist, hat er bereits generelle Strafzölle in der Höhe von 25 Prozent gegen seine wichtigsten Handelspartner Kanada und Mexiko angekündigt. Importe aus China sollen zusätzlich zu den bereits bestehenden Strafzöllen mit 10 weiteren Prozent belastet werden.
Zuerst die banale Frage: Kann Trump diese Zölle überhaupt eigenmächtig beschliessen? Grundsätzlich ja, lautet die Antwort, denn der International Emergency Economic Power Act, ein Gesetz aus den Siebzigerjahren, räumt dem Präsidenten in Zoll-Fragen weitgehend eigenmächtige Kompetenz ein.
Im Fall von Kanada und Mexiko stellt sich jedoch auch noch die Frage, ob Trump nicht vertragsbrüchig werden würde, hat er doch dieses bis 2026 gültige Abkommen eigenhändig unterzeichnet. Der gewählte Präsident kümmert sich jedoch bekanntlich nicht wirklich um juristische Feinheiten, der USMCA wird ihn daher kaum aufhalten.
Trump hat jedoch auch grosse wirtschaftliche Ambitionen. Er strebt eine 3-3-3-Agenda an, will heissen: drei Prozent Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP), drei Millionen Fass Öl sollen zusätzlich pro Tag aus einheimischem Boden gefördert werden, und das jährliche Staatsdefizit soll auf drei Prozent des BIP gedrückt werden. Ob diese Ziele erreicht werden können, wenn man seine beiden wichtigsten Handelspartner vor den Kopf stösst, ist fraglich.
Mexiko ist inzwischen der grösste Handelspartner der USA geworden. Im vergangenen Jahr haben Güter und Dienstleistungen im Wert von 800 Milliarden Dollar die Grenze zwischen den beiden Ländern überquert. Die amerikanische Autoindustrie hat allein für 70 Milliarden Teile aus Mexiko importiert. Es ist sehr schwer vorstellbar, wie sie einen Strafzoll in der Höhe von 25 Prozent verkraften könnte. Es ist daher kein Zufall, dass die Aktien von Ford Motor (- 2,6 Prozent) und General Motors (- 9 Prozent) nach Trumps Ankündigung abgesackt sind.
Die USA führen aus Mexiko und Kanada auch rund die Hälfte ihres Gemüses ein. Und obwohl die USA inzwischen Erdöl exportieren, importierten sie noch 2022 täglich 8,3 Millionen Fass Erdölprodukte aus Kanada. Die angekündigten Strafzölle würden auch den amerikanischen Arbeitsmarkt empfindlich treffen. Marcelo Ebrard, der Wirtschaftsminister von Mexiko, spricht von 400’000 Jobs, die in den USA vernichtet würden.
Vieles spricht deshalb dafür, dass Trump blufft. So hat er kurz nach der Verkündung der Strafzölle mit Claudia Sheinbaum, der frisch gewählten Präsidentin Mexikos, telefoniert. Danach hat er verkündet, das Gespräch sei «wunderbar» gewesen. Trump will mit seinen Strafzöllen auch die Einfuhr der Droge Fentanyl und die Zuwanderung unterbinden. Auch diesbezüglich seien bereits Fortschritte erzielt worden, erklärte er nach dem Telefonat.
Präsidentin Sheinbaum ihrerseits gab sich ebenfalls versöhnlich, wenn auch weit nüchterner.
Für die Bluff-These spricht auch die Tatsache, dass Trump zwei traditionelle Männer an die Schalthebel der Wirtschaft gesetzt hat. Der nominierte Finanzminister Scott Bessent gilt als konservativ. Er hat zwar Trumps Strafzölle gelobt, aber auch darauf hingewiesen, dass sie nicht schockartig, sondern in kleinen Schritten eingeführt werden sollten. Auch Kevin Hasset, der nominierte Wirtschaftsberater, gilt als gemässigt. Und Robert Lighthizer, der in Sachen Handelspolitik wohl auch ein gewichtiges Wort beizutragen hat, gilt zwar als nationalistischer Hardliner, aber auch als kompetenter Ökonom.
Was aber, wenn die Jesuiten in Trumps Kabinett die Oberhand erreichen? Wenn es ihnen gelingt, Massen-Deportationen und Strafzölle durchzusetzen? Schliesslich hat Elon Musk bereits angekündigt, mit Schmerzen sei zumindest zu Beginn der erhofften konservativen Gegenreformation zu rechnen. Zudem haben viele renommierte Ökonomen die fatalen Folgen eines neuen Protektionismus für die USA und die Welt an die Wand gemalt.
Nur darauf zu spekulieren, dass Trump blufft, könnte sich daher rächen. Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, fordert die Europäer auf, die Drohungen ernst zu nehmen und mit dem gewählten Präsidenten den Dialog zu suchen. Sollte Trump auch Europa mit Strafzöllen eindecken, dann müsse die EU «nicht zurückschlagen, sondern verhandeln», rät Lagarde. «Das ist die bessere Strategie. Reine Vergeltung führt zu einem Hickhack, in dem es keinen Gewinner geben wird.»