Die neue Erfolgsformel der Politik: Zuwanderung plus Klimaerwärmung
Erstmals hat sich Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz zu seiner neuen konservativ-grünen Regierung in einem Interview geäussert. Gegenüber der «Financial Times» gab er zu Protokoll:
In Österreich will nun eine schwarz-grüne Regierung versuchen, Klimaerwärmung und Zuwanderung unter einen Hut zu bringen. Für uns mag dies zunächst befremdlich erscheinen. Schliesslich hält die SVP nicht nur in Sachen Immigration die Fahne am höchsten. Sie poltert auch am lautesten gegen alles Grüne. Chefideologe Roger Köppel schwafelt gar öfters von einer «grün-marxistischen Diktatur».
Doch auch in der Schweiz ist die Formel Ökologie plus Zuwanderungs-Hysterie nicht gänzlich unbekannt. In den Achtzigerjahren versuchte die Nationale Aktion unter der Leitung eines gewissen Valentin Oehen damit zu punkten. Der Sohn eines Käsermeisters schaffte es immerhin in den Nationalrat, bevor er sich auf einen Bio-Bauernhof im Tessin zurückzog.
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Oehen wurde zuletzt 2018 auf einem Parteitag der rechtsextremen Pnos gesichtet. Sein Gedankengut lebt in der Ecopop-Bewegung weiter, allerdings ohne rechtsextremen Einschlag und weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Die Formel konservativ plus grün besitzt grosses Zukunftspotential. Wie die SVP gibt sich die AfD in Deutschland zwar wirtschaftspolitisch noch stramm neoliberal und klimaskeptisch, doch das kann sich sehr schnell ändern.
Die bayrische CSU hat unter der Führung ihres neuen Leithammels Markus Söder grüne Themen entdeckt, so etwa das Wohl der Bienen. In den Bundesländern Baden-Württemberg und Hessen sind schwarz-grüne Regierungen an der Macht. Bei einem Erfolg könnte das österreichische Experiment Signalwirkung für ganz Europa haben.
Die riesigen Waldbrände in Australien sind ein deutliches Zeichen, dass die Klimaerwärmung die politische Debatte der nächsten Jahre dominieren wird. Das Wef bittet nicht zufällig Greta Thunberg erneut nach Davos. Die versammelte Wirtschafts- und Politelite wird sich vorwiegend mit diesem Thema beschäftigen.
Das tun auch immer mehr Zentralbanker. Klimaerwärmung verändert nicht nur die Umwelt, sie beeinflusst zunehmend auch die Geldpolitik der Notenbanken. Von der Fed über die EZB bis zur SNB wälzen Experten Fragen wie: Ist die Stabilität des Finanzsystems durch Katastrophen wie die Brände in Australien gefährdet? Was sind die Folgen der Klimaerwärmung für das Wachstum des Bruttoinlandprodukts? Können die Zentralbanken mit ihrer Politik helfen, die Klimaerwärmung zu mildern?
In den USA hat der grosse Schatten von Präsident Donald Trump bisher verhindert, dass die amerikanische Notenbank Fed aktive Schritte gegen den Klimawandel unternimmt. Doch weltweit sind bereits 50 Zentralbanken dem NGFS beigetreten, einem Netzwerk, das sich mit den Risiken des Klimawandels befasst. Auch die Schweizerische Nationalbank ist Mitglied dieser Organisation.
Besonders ins grüne Zeug legt sich die Europäische Zentralbank (EZB). Die neue Präsidentin Christine Lagarde hat den Klimawandel zur «kritischen Mission» ihrer Amtszeit erklärt. Sie will künftig den Kauf von «grünen Obligationen» bevorzugen. «Das könnte das Wachstum von grünen Finanzmärkten fördern, indem die Kapitalkosten für die Investitionen von sauberer Energie gegenüber der fossilen Energie sinken», stellt Gavyn Davies in der «Financial Times» fest.
Lagardes Vorgehen ist bei Ökonomen umstritten, insbesondere Jens Weidmann, der Hardliner der deutschen Bundesbank, stemmt sich dagegen. Hingegen kann die EZB-Präsidentin auf politische Unterstützung zählen. Die ebenfalls aus Deutschland stammende Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat einen Green New Deal zur Priorität der EU-Politik erklärt.
