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Interview

Trump-Zölle: Diese Massnahme könnte die USA in die Knie zwingen

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«Die Trump-Administration folgt dem Gesetz des Stärkeren», sagt Christophe Germann.bild: CONSOLIDATED NEWS PHOTOS POOL
Interview

Diese Massnahme könnte die Trump-Regierung im Zollstreit in die Knie zwingen

Viele Länder sehen sich den Strafzöllen von Donald Trump ausgesetzt und reagieren mit eigenen Zollerhöhungen darauf. Doch laut dem Schweizer Juristen Christophe Germann gibt es eine andere Methode, die bereits Früchte getragen hat: ein Angriff auf den Schutz des geistigen Eigentums.
13.03.2025, 20:4113.03.2025, 20:41
Alberto Silini
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Der amerikanische Handelskrieg ist an diesem Mittwochmorgen in eine neue Phase eingetreten, als die von Donald Trump verhängten Zölle von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium in Kraft traten. Betroffen sind Kanada, China, die Europäische Union, Japan und Australien.

Als Reaktion darauf kündigte die Europäische Kommission an, dass sie «starke, aber verhältnismässige» Zölle auf eine Reihe von US-Produkten erheben werde. Doch «Auge um Auge», das sei nicht die richtige Methode, meint Christophe Germann, Anwalt und ausserordentlicher Professor für internationales Recht an der Webster University in Genf. In einem Beitrag für die Zeitung «Le Monde» ruft der Jurist die «potenziellen Opfer der MAGA-Terrorherrschaft» dazu auf, stattdessen anders auf die Zölle zu reagieren. Wir haben ihn getroffen.

Sie sagen, dass die von Trump angegriffenen Länder nicht auf die gleiche Weise reagieren sollten. Warum?
Christophe Germann:
Die Trump-Administration folgt dem Gesetz des Stärkeren. Sie nimmt sich alles heraus, weil sie glaubt, tun zu können, was sie will. Natürlich muss man reagieren, aber spiegelbildlich mit Strafzöllen auf US-Produkte zu antworten, ist keine gute Idee. Eine solche Symmetrie würde letztlich auf die Verbraucher zurückfallen, die dann höhere Preise zahlen müssten.

Warum?
Wenn die USA die Zölle um 25 Prozent erhöhen, werden importierte Produkte 25 Prozent teurer. Das betrifft auch in Amerika hergestellte Waren, weil ein Teil der Wertschöpfungskette im Ausland liegt. Am Ende zahlt der amerikanische Verbraucher mehr. Wenn die von Trumps Handelskrieg betroffenen Länder genauso reagieren, haben sie dasselbe Problem. Meiner Meinung nach gibt es einen besseren Weg.

Wie sieht dieser aus?
Anstatt mit Zöllen auf amerikanische Waren und Dienstleistungen zu antworten, könnten die betroffenen Länder aufhören, das geistige Eigentum amerikanischer Unternehmen in ihrem Hoheitsgebiet zu schützen. Diese Strategie wurde bereits erfolgreich von Ecuador im sogenannten «Bananenstreit» im Jahr 2000 eingesetzt.

Dr Christophe Germann, avocat et professeur adjoint en droit international, université américaine Webster (campus de Genève).
Dr. Christophe Germann, Anwalt und ausserordentlicher Professor für internationales Recht an der Webster University (Campus Genf).bild: zvg

Der «Bananenstreit»?
Damals erhoben die Europäer niedrigere Zölle auf Bananen aus bestimmten afrikanischen Ländern als auf solche aus Lateinamerika. Dies verstiess gegen die sogenannte Meistbegünstigungsklausel, ein grundlegendes Prinzip des WTO-Rechts: Lateinamerikanische Produzenten, darunter Ecuador, wurden benachteiligt, da ihre Bananen in Europa teurer verkauft wurden.

Was tat Ecuador daraufhin?
Das Land erhielt von der WTO das Recht, sogenannte «sektorübergreifende» Sanktionen in Höhe des erlittenen Schadens zu verhängen. Konkret durfte Ecuador den Schutz des geistigen Eigentums europäischer Unternehmen in mehreren sensiblen Bereichen aussetzen. Die WTO-Regeln erlauben solche Vergeltungsmassnahmen, insbesondere auf Grundlage des TRIPS-Abkommens, das den Schutz geistigen Eigentums in das WTO-System integriert.

«Die Reaktion Ecuadors war also völkerrechtskonform.»

Diese Strategie funktionierte, weil solche Vergeltungsmassnahmen für betroffene Unternehmen äusserst schmerzhaft sein können. Die betroffenen europäischen Lobbygruppen mobilisierten sich schnell und übten massiven Druck auf ihre Regierungen aus. Die EU entschied sich daraufhin, ein Abkommen mit Ecuador auszuhandeln, noch bevor die Sanktionen umgesetzt wurden. Die blosse Drohung hatte also eine abschreckende Wirkung. David brachte Goliath zu Fall, indem er seine Achillesferse traf.

Bananas are seen on a plantation outside Guayaquil, Ecuador, in this file photo taken February 23, 2012. U.S. fruit firm Chiquita Brands and Irish rival Fyffes, Europe's largest distributor, have ...
Ecuadorianische Bananen könnten bei den Verhandlungen mit Trump als Inspiration dienen.Bild: keystone

Inwiefern kann der Verzicht auf den Schutz geistigen Eigentums einem Unternehmen schaden?
Geistiges Eigentum ist wirtschaftlich betrachtet eine riesige Einnahmequelle. Ein Medikamentenpatentinhaber kann den Verkaufspreis festlegen und Konkurrenten daran hindern, das gleiche Produkt herzustellen und zu verkaufen. Der Schutz geistigen Eigentums gilt nicht nur im Ursprungsland der Unternehmen, sondern auch im Ausland. Ein erheblicher Teil der Einnahmen stammt aus dem Ausland – in Form von Lizenzgebühren. Die hier betroffenen Summen sind enorm, auch wenn sie schwer zu beziffern sind.

Wie könnten die von Trumps Zöllen betroffenen Länder diesen Mechanismus nutzen?
Indem sie damit drohen, den Schutz des geistigen Eigentums von US-Unternehmen wie Apple, Google, Netflix, Tesla oder Pfizer in ihren Ländern aufzuheben. Ihre Produkte wären dann nicht mehr geschützt, könnten legal kopiert und imitiert werden – was normalerweise als Produktpiraterie und Markenrechtsverletzung gilt.

Wäre das umsetzbar?
Ohne Probleme. Wer setzt denn den Schutz des geistigen Eigentums durch? Es sind unsere Polizei, unsere Justiz, unsere Behörden. Es sind unsere Beamten und Richter, die im Falle einer Verletzung eingreifen – egal ob das geistige Eigentum einer ausländischen oder nationalen Firma gehört. Der Schutz von Urheberrechten, Marken, Patenten etc. erfordert, dass jedes Land die Umsetzung in seinem eigenen Hoheitsgebiet selbst finanziert.

Besteht nicht die Gefahr, dass die USA mit der gleichen Strategie reagieren?
Natürlich. Im Gegensatz zu Ecuador sind europäische oder chinesische Unternehmen bedeutende Inhaber geistigen Eigentums im Ausland. Sie haben ein starkes Interesse daran, dass das System ausserhalb ihrer eigenen Grenzen intakt bleibt. Ich glaube jedoch, dass sektorübergreifende Sanktionen eine abschreckende Wirkung haben könnten – wie im Fall von Ecuador.

«US-Patent-, Marken- und Urheberrechtsinhaber würden Druck auf die Trump-Regierung ausüben, damit sie ihre Politik ändert.»

Die Amerikaner werden es sich zweimal überlegen, bevor sie sich weiterhin auf eine Handelskriegsspirale einlassen, wenn sie dabei erhebliche wirtschaftliche Einbussen riskieren. Sollte der abschreckende Effekt wirken, könnte man in einem zweiten Schritt an den Verhandlungstisch zurückkehren, um eine Einigung ohne unfaire Massnahmen zu erzielen.

Diese sektorübergreifenden Sanktionen müssen von der Welthandelsorganisation (WTO) genehmigt werden. Wäre das heute möglich?
Das ist eine Frage der juristischen Auslegung. Laut WTO-Recht können sektorübergreifende Sanktionen nur genehmigt werden, wenn Vergeltungsmassnahmen im gleichen Bereich – also etwa durch Strafzölle – entweder nicht wirksam oder nicht möglich sind. Die von Trumps Zöllen betroffenen Länder könnten argumentieren, dass eine Zollaussetzung nicht effektiv oder praktikabel ist und dass die Umstände schwerwiegend genug sind, um eine Aussetzung von Verpflichtungen aus dem TRIPS-Abkommen zu beantragen. Ein Zollkrieg führt zu einer destruktiven Eskalation und könnte am Ende sogar die WTO völlig ins Abseits drängen.

Könnte die Schweiz diese Strategie anwenden?
Für die Schweiz wäre es schwierig, alleine vorzugehen. Wir sind ein kleines, wohlhabendes Land, das auf den Schutz geistigen Eigentums im Ausland angewiesen ist. Die Pharma-, Uhren- oder Softwareindustrie profitiert davon, weltweit durch Patente, Marken und Urheberrechte Einnahmen zu erzielen. Wenn die Schweiz ins Visier der USA gerät, könnte sie erhebliche Einbussen erleiden – anders als Ecuador im Bananenstreit, das kaum ausländische Lizenzeinnahmen hatte.

Es geht also darum, eine intelligente Strategie durch Allianzen zu verfolgen. Dasselbe gilt für die EU, die gut beraten wäre, sich mit BRICS-Staaten, Kanada, Australien etc. zu verbünden. Eine grössere Allianz würde die Wirkung der Massnahmen verstärken.

«Heute gibt es weltweit ein gemeinsames Interesse daran, die Trump-Regierung zu disziplinieren und in ihre Schranken zu weisen.»
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85 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ali mini äntli
13.03.2025 21:08registriert September 2021
Man muss Allianzen schmieden....
Wenn ich sehe, wie schwer sich die Schweiz mit der EU tut, hab ich bedenken dass wir das hinkriegen. Wahrscheinlicher ist, dass wir in Deckung gehen und erst einmal beobachten.
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001243.3e08972a@apple
13.03.2025 21:05registriert Juli 2024
Who im Kreml und Capitol cares for Regeln?
Dann schlägt Zar Donald zu Putins Gnaden halt zurück. Ein westliches Land vom USD abkoppeln? Kommt bald.
Boykottieren, boykottieren, boykottieren. Es gibt zu vielem europäische Alternativen.
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Conny 56
13.03.2025 21:14registriert April 2024
Trump die Stirn bieten und in die Schranken zu weisen, bringt mit der Zeit mehr und die USA macht in kürzester Zeit pleite. Dazu brsucht es keine 4 Jahre mehr.
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    Johann Philipp Ziegler war ein Kaufmann aus Winterthur. Seine Firma war am Ende des 19. Jahrhunderts der grösste Exporteur von Orientteppichen aus dem heutigen Iran.

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