3 Jahre und 9 Monate Gefängnis: Bezirksgericht spricht Vincenz schuldig
Ein überraschend hohes Urteil
Vincenz-Anwalt will in Berufung gehen
Im Bild: Vincenz und Anwalt Erni
«Differenziertes Urteil»
Vincenz verschwindet kommentarlos
Mediale Vorverurteilung
Bei Stocker war der Profit höher, er hat deutlich mehr profitiert. Andererseits war bei ihm das Risiko höher, weil Vincenz im Hintergrund agierte. Das führte zur Gefängnisstrafe von 4 Jahren.
Zu den Schadenersatzforderungen wird ein Zivilgericht endgültig entscheiden müssen.
Das vollständige Urteil umfasst schon jetzt mehr als 500 Seiten.
Jetzt folgt die kurze Urteilsbegründung
Peter Wüst ist irreversibel verhandlungsunfähig. Darum wird das Verfahren gegen ihn eingestellt.
Richter Aeppli betont, der Artikel in Inside Paradeplatz über die 2,9 Millionen von Stocker an Vincenz sei nicht der Auslöser des Verfahren gewesen. Es sei viel früher durch eine Anzeige der Firma Aduno eingeleitet worden.
Die Verteidiger hatten erklärt, der Artikel basiere auf einer Verletzung des Bankgeheimnisses, weshalb das Verfahren eingestellt werden müsse.
Nun zu den Spesen von Vincenz:
Vincenz' geschäftliche Begründung gehe eindeutig zu weit.
Bei dem demolierten Hotelzimmer im Park Hyatt in Zürich und dem Tinder-Nachtessen liege eine Veruntreuung vor.
Bei einzelnen Reisen konnte nicht erstellt werden, ob sie rein privater Natur waren.
Nun zur Transaktion Commtrain:
Diese verjähre nicht in diesem April, sondern erst im September 2023, betonte Aeppli zu Beginn. Mit der Nichtoffenlegung ihrer Beteiligung hätten Vincenz und Stocker ihre Treuepflicht verletzt. Sie hätten Betrug durch Unterlassung begangen, ihr Verhalten war arglistig.
Transaktion GCL:
Stocker und Vincenz hätten für ihre Beteiligung keine adäquate Gegenleistung erbracht.
Stocker und Barbier-Mueller hätten Privatbestechung begangen.
Vincenz sei nicht beteiligt, aber informiert gewesen. Anders als bei Commtrain lag kein arglistiges Verhalten vor, jedoch eine ungetreue Geschäftsbesorgung.
Fall Investnet: Jetzt geht es um die ominösen 2,9 Millionen Franken. Das Gericht glaubt nicht, dass es sich um ein Darlehen gehandelt hat, sondern um den Erlös aus der Beteiligung. Andreas Etter sei stets im Bild gewesen, indem er von Wüst ständig informiert wurde.
Das Gericht anerkennt im Fall Investnet, dass kein gewöhnlicher Bürger geschädigt wurde, sondern eine Grossbank.
Fall Eurokaution:
Es liegt eine Privatbestechung von Vincenz und Stocker durch Ferdinand Locher vor. In diesem Fall wird das Vorgehen als arglistig gewertet.
Arena Thun:
Hier kam es zu einem Freispruch. Der angebliche Kauf durch Raiffeisen war stets der schwächste Punkt der Anklage.
Berufung innert 10 Tagen möglich
Hohe Gerichtskosten
Vincenz muss Schadenersatz zahlen
Die Schadenersatzfälle bei den Transaktionen werden überwiegend auf den zivilrechtlichen Weg verwiesen.
Das Strafmass
Beat Stocker erhält 4 Jahre Freiheitsstrafe, unter Anrechnung der U-Haft und mit einer Geldstrafe.
Die Freiheitsstrafe wird in beiden Fällen vollzogen, die Geldstrafe aufgeschoben.
Die Mitbeschuldigten erhalten bedingte Geldstrafen.
Die Urteilseröffnung
Das Vefahren gegen Peter Wüst wird definitv eingestellt.
Pierin Vincenz ist bei den Spesen schuldig der mehrfachen ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie der mehrfachen Urkundenfälschung.
Freigesprochen wird er bei den privaten Auslagen bei den Reisen nach London, Marrakesch, New York und Teneriffa.
Pierin Vincenz ist bei den Unternehmenstransaktionen schuldig des Betrugs, des versuchten Betrugs, der mehrfachen ungetreuen Geschäftsbesorgung und der Privatbestechung.
Freigesprochen wird er von den Vorwürfen des gewerbsmässigen Betrugs und der ungetreuen Geschäftsbetreuung in diversen Punkten.
Beat Stocker ist bei den privaten Auslagen schuldig der ungetreuen Geschäftsbesorgung.
Stocker ist bei den Unternehmenstransaktionen schuldig des Betrugs, des versuchten Betrugs, der mehrfachen ungetreuen Geschäftsbesorgung und der Privatbestechung.
Freigesprochen wird er wie Vincenz in einzelnen Punkten bei den Transaktionen von GCL, Arena Thun und Commtrain.
Der Mitbeschuldigte Andreas Etter ist schuldig in den meisten Punkten. Er war Mitgründer von Investnet.
Der Mitbeschuldigte Andreas Etter ist schuldig in den meisten Punkten. Er war Mitgründer von Investnet.
Schuldsprüche mit teilweisen Freisprüchen gibt es auch für Ferdinand Locher und Stéphane Barbier-Mueller.
Einen Freispruch gibt es für Christoph Richterich, den kleinsten Fisch unter den Angeklagten.
Die Sitzung ist eröffnet.
Volles Haus – und ein Protestler
Heute kommt das Urteil im #Raiffeisen-Prozess. Es hat deutlich mehr Medienleute als zuletzt. Und einen einsamen Protestler. @watson_news pic.twitter.com/BvNJuq18ri
— Peter Blunschi (@PetBlun) April 13, 2022
Urteilseröffnung um 8:30 Uhr
Das Bezirksgericht Zürich verkündet heute Mittwoch sein Urteil gegen den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz, seinen Geschäftskollegen Beat Stocker sowie die fünf weiteren Mitbeschuldigten. Die Urteilseröffnung beginnt um 08.30 Uhr.
Nach acht teilweise zähen Verhandlungstagen gingen die Befragungen und Plädoyers am 22. März zu Ende. Auch in seinem Schlusswort betonte Vincenz, dass er in seinen zwanzig Jahren bei Raiffeisen zwar Fehler gemacht und manchmal übertrieben habe. Er habe aber «nichts Unrechtmässiges getan».
Die Staatsanwaltschaft wirft Vincenz und seinem Geschäftskollegen Beat Stocker, dem ehemaligen Chef der Kreditkartenfirma Aduno, unter anderem Betrug vor.
Die beiden sollen sich versteckt an Firmen beteiligt und danach dafür gesorgt haben, dass diese Unternehmen durch die Raiffeisen oder die Aduno aufgekauft wurden. Bei diesen Transaktionen und Übernahmen sollen Vincenz und Stocker unrechtmässige Gewinne in Millionenhöhe eingestrichen haben.
Für 200'000 Franken in Stripclubs
Vincenz wird zudem angelastet, private Auslagen auf Geschäftsspesen genommen zu haben. In der Anklageschrift sind Besuche in Stripclubs für insgesamt 200'000 Franken und private Reisen für 250'000 Franken aufgeführt. Vincenz hatte diese Ausgaben mit «Beziehungspflege zu Geschäftsleuten» begründet. Ein Tinder-Date in einem teuren Restaurant bezeichnete er als «Bewerbungsgespräch».
Die Staatsanwaltschaft beantragt für Vincenz und Stocker Freiheitsstrafen von je sechs Jahren. Fünf weitere Mitbeschuldigte sind angeklagt, weil sie Vincenz und Stocker Beihilfe geleistet haben sollen. Für sie fordert die Staatsanwaltschaft bedingte und teilbedingte Freiheitsstrafen sowie in einem Fall eine Geldstrafe.
Anwälte kritisierten Anklage als «Quatsch»
Die Verteidiger der sieben Beschuldigten hatten die Anklage während des Prozesses heftig kritisiert: Sie bezeichneten dabei einzelne Passagen auch als «Quatsch» und als «beinahe schon spassig». Fakten würden konsequent ausgeblendet. Sie forderten vollumfängliche Freisprüche sowie angemessene Genugtuung für ihre Mandanten. (meg/sda)
