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Wie Lücken in der AHV entstehen und was du dagegen tun kannst

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Wie Lücken in der AHV entstehen und was du dagegen tun kannst

Gib unnötigen Vorsorgelücken keine Chance! Die erste Säule sichert deine Grundbedürfnisse im Alter und Lücken in der AHV lassen sich einfach vermeiden – Fakten und Tipps dazu hier.
16.09.2022, 16:13
Olga Miler
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Wer weiss, vielleicht leben wir in ein paar Jahren schon als fidele Avatare in einer Metaverse-Schein-Realität? Oder werden von Robotern bedient und bekuschelt. Wird das Smartphone vergessen sein, so wie wir uns jetzt schon kaum daran erinnern können, was eine CD eigentlich war? Wird es in 20 Jahren Geld in der heutigen Form überhaupt noch geben oder bezahlen wir in der Zukunft mit Token?

In den letzten 100 Jahren hat sich unsere Lebenserwartung fast verdoppelt. Gleichzeitig werden immer weniger Kinder geboren – bereits 2050 kommen auf jede/n Rentner/in nur rund zwei erwerbsfähige Personen. Erwartet wird, dass in weniger als 30 Jahren 20 % der Weltbevölkerung über 60 Jahre alt sein wird – werden wir in der Zukunft länger arbeiten, weil die Gesundheit es zulässt oder das Geld nicht reicht?

Eine magische Kristallkugel, um in die Zukunft zu schauen, hat niemand. Aber einige Sachen sind heute schon klar: Dass wir länger und gesünder leben und unsere heutigen Rentensysteme dafür nicht gemacht sind. Altersvorsorge, Rente – vielleicht etwas staubige Schlagworte, die auf irgendetwas weit (oder weniger weit) in der Zukunft deuten, aber die Langlebigkeit unserer Finanzen geht uns alle etwas an.

Lücken in der Altersvorsorge sind weit verbreitet

Gemäss Studien des BFS beziehen 98 % der Personen in Rente Leistungen aus der AHV. Aber lange nicht alle können im Alter auf alle drei Säulen zählen: 76 % haben zusätzlich zur AHV Leistungen aus der zweiten Säule, der beruflichen Vorsorge, und nur knapp 40 % können auch auf Leistungen aus der 3. Säule zurückgreifen.

Zudem gibt es deutliche Geschlechterunterschiede, z. B. bei der Pensionskasse beziehen 83 % der Männer, aber nur 69 % der Frauen Leistungen, mit deutlich unterschiedlichen Beträgen: Frauen haben im Median eine Pensionskassenrente von 1165 Franken pro Monat, halb so viel wie Männer (2217 Franken).

Der sogenannte Gender-Pension-Gap ist kein schweizerisches Phänomen, sondern eine globale Herausforderung. Zahlen aus Österreich zeigen z. B. ein ähnliches Bild, dort haben Frauen ca. 42 % weniger Alterspension als Männer. Über alle europäischen OECD-Länder hinweg beträgt der Gender-Pension-Gap ca. 25 %, sprich Frauen bekommen um ein Viertel weniger an Pension als Männer. Damit ist die Vorsorgelücke eine grössere finanzielle Herausforderung als der Lohnunterschied, der beträgt in den europäischen OECD-Ländern 13 %.

Wie sich Lücken in der ersten Säule auswirken

Gerade weil die AHV einen wesentlichen Grundbaustein deiner Vorsorge im Alter bildet, vor allem wenn du z. B. nicht zusätzlich auf Kapital aus einer zweiten oder dritten Säule zurückgreifen kannst, lohnt es sich, Lücken bei der ersten Säule zu vermeiden.

2022 beträgt die Maximalrente für Einzelpersonen 2390 Franken pro Monat / 28'680 Franken im Jahr. Für Ehepaare beträgt die Maximalrente höchstens 150 % der Maximalrente für Einzelpersonen, 3585 Franken im Monat. Bei Konkubinatspaaren hingegen sind zwei maximale Renten möglich, ein Konkubinatspaar kann 4780 Franken an Rente erhalten. Die durchschnittliche Rente in der Schweiz beträgt gemäss der AHV-Statistik 1876 Franken im Monat. Gemäss dem BFS liegt die Armutsgrenze 2020 bei 2279 Franken pro Monat für eine Einzelperson. Sich somit nur auf die AHV als Vorsorge zu verlassen, genügt nicht.

Um die Maximalrente zu erhalten, musst du ab dem 21. Altersjahr bis zum ordentlichen Rentenalter lückenlos AHV-Beiträge bezahlen und auf ein massgebendes Durchschnittseinkommen von mindestens 86'040 Franken pro Jahr kommen. Für Männer sind dies 44, für Frauen derzeit noch 43 Jahre. Fehlen Beitragsjahre, dann wird die Rente um 1/44 oder 2,3 % für jedes fehlende Beitragsjahr entsprechend gekürzt. Gerechnet auf die gegenwärtig durchschnittliche AHV-Rente von 1876 Franken sind dies 43 Franken im Monat / 517 Franken im Jahr, die fehlen, wenn nur ein Beitragsjahr fehlt.

Das könnte sich mit der AHV-Reform ändern

Die wichtigsten Punkte
Das Rentenalter für Frauen steigt von heute 64 auf 65 Jahre.
Dies wird teilweise kompensiert, Frauen der Jahrgänge 1964 und 1965 erhalten einen Zuschlag, der abnimmt bis zum Jahrgang 1970.

Die Regelungen für den Vorbezug ändern sich: Heute kannst du die AHV-Rente höchstens zwei Jahre früher beziehen oder bis max. fünf Jahre aufschieben. Neu sollst du die Rente flexibel zwischen 63 und 70 beziehen können und es soll möglich sein, nur 20 bis 80 % der Rente zu beziehen und den Rest aufzuschieben.

Beiträge, die nach 65 einbezahlt werden, sollen neu rentenbildend sein, was Menschen zugutekommt, die länger als bis zum offiziellen Pensionsalter arbeiten möchten. Länger arbeiten kann man schon heute, aber für die AHV-Rente bringt es bis jetzt nichts.

Alle Pensionskassen sollten neu auch eine Teilpensionierung ermöglichen.

Häufige Gründe für fehlende Beitragsjahre

  • Reisen wie längere Auslandreisen, Zwischenjahre
  • Studium/Ausbildung, vor allem, wenn du während des Studiums nicht arbeiten solltest
  • Erwerbsunterbrüche und Familienzeit
  • Viele kurze Einsätze bei verschiedenen Arbeitgebern, da Löhne bis 2300 Franken pro Kalenderjahr und Arbeitgeber nicht AHV-pflichtig sind
  • Wegzug ins Ausland und Wiederkehr, z. B., wenn du für zwei oder drei Jahre ins Ausland arbeiten gehst und zu dortigen Bedingungen angestellt bist

7 Tipps, wie du Lücken in der AHV vermeiden und stopfen kannst

Beitragslücken in der AHV kann man mit Mindestbeiträgen vermeiden oder bis zu 5 Jahre nachzahlen. Ein paar Tipps:

  1. Den Auszug aus deinem individuellen Konto (IK) bestellen, um zu sehen, ob dir Beitragsjahre fehlen – Anleitung zur Bestellung hier.
  2. Wenn du studierst: Bei der AHV anmelden und den jährlichen Mindestbeitrag von gegenwärtig 503 Franken pro Jahr bezahlen.
  3. Jugendjahre nutzen: Die Beiträge, welche im Altersjahr 18, 19 und 20 eingezahlt werden, sind zwar nicht rentenbildend, können aber helfen, Beitragslücken zu schliessen. Fehlt dir später z. B. ein Beitragsjahr, dann wird die AHV diese Jugendjahre anrechnen.
  4. Wenn du nicht erwerbstätig bist: Wer im Sinne der AHV als nicht erwerbstätig gilt (z.B. Weltreisende), muss trotzdem AHV-Beiträge bezahlen. Bei der Kasse melden, die Beiträge werden basierend auf dem Vermögen und dem 20-fachen jährlichen Renteneinkommen berechnet. Ausgenommen sind Ehepaare: Es gilt keine Beitragspflicht, wenn eine Person im Sinne der AHV erwerbstätig ist und mindestens Beiträge in der Höhe von 1006 Franken pro Jahr (doppelter Mindestbeitrag) entrichtet. Details zu den Regelungen für Nichterwerwerbstätige findest du hier.
  5. Wenn du ins Ausland arbeiten gehst, dann gibt es unterschiedliche Regelungen für dich und allenfalls auch für die Angehörigen, je nachdem wohin und wie lange du arbeiten gehst. Du kannst z. B. freiwillig in die AHV einzahlen. Allerdings geht dies für Menschen, welche in EU- oder EFTA-Staaten arbeiten gehen, nicht, da sie im System des jeweiligen Landes versichert sind. Details dazu hier. Am besten genau erkundigen, wie deine persönliche Situation aussieht und welche Möglichkeiten du hast.
  6. Du kannst den Bezug der AHV-Rente auch maximal 5 Jahre aufschieben, dadurch erhöht sich dann die Rente, welche du bekommst. Das Vermögenszentrum hat dies berechnet und festgestellt, dass sich ein Aufschub oft nur lohnt, wenn du sehr alt wirst, im Berechnungsbeispiel hätte der Mann 86 werden müssen, bis die Summe aller erhaltenen Renten beim Aufschub höher gewesen wäre als bei einem regulären Bezug. Allerdings wurden allfällige frühere Beitragslücken nicht berücksichtigt.
  7. Privat ansparen: Wenn du eine Lücke hast und diese nicht nachzahlen kannst, dann bleibt nichts anderes übrig, als privat die Beträge, welche dir später in der AHV fehlen werden, anzuhäufen.

Egal, wie du's anpackst, Lücken in der AHV zu vermeiden ist sicher sinnvoll, aber um im Alter finanzielle Freiheit zu haben, brauchst du zusätzliche Vorsorge, idealerweise aus beiden Säulen: der Pensionskasse und der dritten Säule.

Wie ist das bei euch, habt ihr AHV-Lücken oder diese erfolgreich gestopft und weitere Tipps? 👩🏼‍🌾

olga miler, frauen und geld, blog, watson
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Olga Miler ...
... war über zehn Jahre in verschiedenen Funktionen bei der UBS tätig, unter anderem hat sie dort das Frauenförderungsprogramm und den UBS Gender ETF aufgebaut. Jüngst gründete sie das Start-up SmartPurse, eine Plattform, auf der sie digitale Kurse und Workshops zum Thema Finanzen für Frauen anbietet. Letztes Jahr schrieb Miler den watson-Blog «Frauen und Geld» und wird uns dieses Jahr mit «MoneyTalks» an ihrer Expertise teilhaben lassen.

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Overton Window
15.09.2022 11:21registriert August 2022
"Die erste Säule sichert deine Grundbedürfnisse im Alter". Yeah right, das reicht bis dann nicht einmal für die Krankenkasse alleine.
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Bratspeck
15.09.2022 16:17registriert Mai 2021
Ach hilfe, ich werde niemals auf ein Jahreseinkommen von 86'040.- kommen! Habe knapp die Hälfte... 😬😰😫
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Garp
15.09.2022 14:22registriert August 2018
Die erste Säule ist viel zu tief um die Grundbedürfnisse zu sichern, selbst ohne Lücke. Man denke an KK und Miete. Es gibt auch sehr viele, die nie 6500.- Brutto pro Monat verdienen.
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