Die Luftfahrtbranche war sich einig: Der A380 sei mit seinen vier Triebwerken zu teuer; er sei zu gross für viele Flughäfen, zu schwierig zu warten. Anfangs 2019 zog Airbus die Konsequenzen und stellte die Produktion seines prestigereichsten, aber laut Umfragen bei Passagieren beliebtesten Flaggschiffs ein.
Der Zähler stoppte bei 241 Maschinen – tausend während nötig gewesen, um in die Gewinnzone zu fliegen. Bereits ausgelieferte Maschinen wurden in der Covidkrise reihenweise eingemottet, verkauft oder gar zerlegt. Qantas lagerte seine zwölf A380 in der kalifornischen Mojave-Wüste aus. Singapore Airlines verwandelte eines seiner Doppeldeckerflugzeuge in ein Restaurant.
Jetzt kehrt der Trend wieder. Singapore will seine zwölf A380 bis Ende Jahr wieder in Betrieb nehmen, wie Regionalsprecher Peter Tomasch gegenüber CH Media erklärte. Von Frankfurt fliegen sie New York und Singapur an. Zürich-Kloten steht dabei vorläufig nicht auf dem Programm.
A380-Hauptkunde Emirates will seine 118 Airbus-Jumbos, von denen derzeit gut die Hälfte um den Planeten kurvt, wieder allesamt in Betrieb nehmen. Mit dem A380 fliegt Emirates derzeit täglich von Dubai nach Zürich. Die japanische ANA fährt ihre drei A380 auch wieder aus dem Hangar. Korean Air will die Strecke Seoul-New York erneut mit einer Bestuhlung von 410 Plätzen absolvieren.
In Europa, wo der europäische Supervogel mit bis zu 800 Sitzen weniger eingeschlagen hatte als in Asien, ist British Airways seit Ende letzten Jahres dabei, seine zwölf A380 flugklar zu machen.
Auch Lufthansa prüft gerade, wie viele seiner acht A380 wieder verwendbar sind. Deren sechs hat die deutsche Fluggesellschaft bereits verkauft, und noch im April hatte der Vorsitzende Carsten Spohr kategorisch erklärt: Der A380 «kommt bei Lufthansa nicht wieder». Im Vergleich zu den neuen zweistrahligen Langstreckenjets sei er «zu unwirtschaftlich».
Das stimmt nur bedingt. Bei voller Auslastung ist der A380 heute rentabel. Da auf den langen Strecken noch weniger Flugzeuge als vor der Pandemie zirkulieren, sind die Kabinen gut gefüllt und die Einnahmen pro Sitz entsprechend. Der A380 frisst zwar mehr Kerosin als Airbus-Nachfolger wie der A350 oder der A321XLR. Mit seiner hohen Sitzzahl macht er dies aber wett. Emirates hält den A380 für «das rentabelste Flugzeug» seiner Flotte. Einer seiner Europa-Spitzen, Cédric Renard, rechnet seinen Konkurrenten sogar vor, dass Emirates «60 bis 70 Prozent» seiner Gewinne mit dem A380 erziele.
Der Massentransporter Emirates aus Dubai ist allerdings mit seiner gewaltigen Jumboflotte ein Spezialfall. Kleineren Airlines mit nur einer Handvoll A380 fällt es schwer, die hohen Wartungskosten des Doppeldeckers zu amortisieren. Trotzdem sind sie darauf angewiesen, solange die Lieferengpässe von Boeing-Modellen wie dem 777-9 anhalten.
Zudem fehlt es an Piloten und Kabinenpersonal - und in den Flughäfen an Abfertigungs- und Sicherheitsleuten. Tausende von Flügen sind deshalb schon annulliert worden. Der A380 benötigt pro Passagier weniger Personal. Lufthansa will nun A350-Piloten auf den Gross-Airbus umschulen, um ihn ab Sommer 2023 wieder breitflächig einsetzen zu können. Insgesamt sollen zur nächsten Jahreswende hin wieder 6000 A380-Flüge pro Monat stattfinden, wie das Branchenbüro Cirium schätzt. Das wäre mehr als die Hälfte des Vor-Covid-Standes.
Die grosse Frage ist, wie dauerhaft das Comeback des A380 ausfallen wird. Bei Emirates gibt sich Europadirektor Thierry Aucoc gegenüber CH Media überzeugt: «Der A380 wird in den kommenden Jahren, bis Mitte der 2030er Jahre, unser Flaggschiff bleiben.» Lufthansa äussert sich dazu nicht. Aber wenn das Kranich-Unternehmen ein Jahr lang Zeit und Geld investiert, um den Jumbo wieder in den Flugplan aufzunehmen, dann sicherlich für mehrere Jahre. Darüber hinaus dürfte der Kerosin-Preis ausschlaggebend sein. Und er hängt von derzeit unwägbaren Faktoren wie dem Ukrainekrieg oder dem nachhaltigen Flugtreibstoff SAF ab.
Airbus verfolgt das Comeback des A380 mit Genugtuung, seine Sprecher wollen die Wiederaufnahme der Produktion aber nicht einmal in Betracht ziehen. Der A380 ist ein guter Krisenhelfer, aber vorerst nicht mehr. Die Airlines setzen von Emirates abgesehen nicht mehr auf das Hub-Prinzip, das dem A380 zugrunde lag. Sie bevorzugen kleinere Langstreckenjets, die nicht nur die grossen Drehscheiben-Flughäfen ansteuern, sondern mittlere Destinationen direkt miteinander verbinden.
Deshalb denkt niemand an den Neustart der A380-Fliessbänder. Niemand ausser Tim Clark. Der langjährige Emirates-Chef fragte diese Woche im Fachportal Airlinesrating, wie die Welt die erwarteten acht Milliarden Flugpassagiere pro Jahr ab 2035 meistern wolle - wenn nicht mit Riesenmaschinen. Er schlägt den Bau eines Flugzeugs «doppelt so gross wie der A380» vor, mit drei oder vier Null-Emissions-Triebwerken. Gewiss, das ist Zukunftsmusik. Oder wird es einmal heissen, der A380 sei zu klein gewesen?
(aargauerzeitung.ch)