Wirtschaft
Schweiz-EU

Schweizer Bauern brauchen polnische Milch nicht zu fürchten 

Wenig politischer Support für eine Öffnung der Milchmärkte: Kühe in Trimmis im Churer Rheintal.
Wenig politischer Support für eine Öffnung der Milchmärkte: Kühe in Trimmis im Churer Rheintal.Bild: KEYSTONE
Öffnung mit der EU

Schweizer Bauern brauchen polnische Milch nicht zu fürchten 

Der Bund beurteilt die Auswirkungen einer Öffnung mit der EU positiv. Politische Folgen hat der Bericht kaum.
15.05.2014, 04:5315.05.2014, 08:21
Ein Artikel von Aargauer Zeitung
Aargauer Zeitung
Doris Kleck / Aargauer Zeitung
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Ein umfassendes Agrarfreihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU ist so wahrscheinlich wie die Finalqualifikation der Fussballnati an der Weltmeisterschaft in Brasilien. Dafür verantwortlich ist nicht nur das angespannte Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU, sondern auch der innenpolitische Widerstand. Das Parlament hat die Sistierung der Verhandlungen gefordert.

Die Befürworter von Liberalisierungsschritten setzen deshalb auf die Öffnung einzelner Märkte. Sie gehen allerdings behutsam vor. Im Parlament brachten sie eine Motion durch, die vom Bundesrat einen Bericht zu den Auswirkungen einer Öffnung des Milchmarktes forderte. Den Markt für Käse haben die EU und die Schweiz bereits 2007 gegenseitig geöffnet. Nun geht es um die restlichen Milchprodukte, die sogenannte «weisse Linie».

Der Bundesrat hat den Auftrag erfüllt und die Analyse gestern geliefert. Das Fazit: Der verbesserte Marktzugang ist «volkswirtschaftlich positiv» zu werten. Der Wohlstandsgewinn wird mit 150 bis 200 Millionen Franken beziffert. Profitieren würden insbesondere die Konsumenten dank tieferer Preise. Nur, wenn der Schweizer Markt mit billiger polnischer Milch überschwemmt wird, haben die hiesigen Bauern ein Problem. Der Milchpreis würde um 17 Rappen sinken. Um Einkommensverluste zu verhindern, müsste der Bund zur Unterstützung der Bauern zusätzlich 100 bis 150 Millionen Franken aufwenden. Heute fliessen jährlich 310 Millionen Franken in den Milchmarkt. 

Keine Kostenvorteile

Mit anderen Worten: Der Wohlfahrtsgewinn von 150 bis 200 Millionen Franken müsste sich mit dem Einsatz von Steuergeldern in der Höhe von 100 bis 150 Millionen erkauft werden – für Bauernpräsident Markus Ritter eine «ernüchternde Erkenntnis». Der Bauernverband bezeichnet die Öffnung der weissen Linie als «Schnapsidee».

Dass der volkswirtschaftliche Nutzen nicht grösser ausfällt, hat damit zu tun, dass die Produktionskosten für die Bauern nicht sinken würden. Bei einer umfassenden Marktöffnung für alle landwirtschaftlichen Produkte würden die Preise für Kraftfutter, Traktoren oder Dünger unter Druck geraten. Bei der Öffnung eines einzigen Sektors fallen diese Kostenvorteile weg, die Kompensationszahlungen des Bundes müssen entsprechend grösser sein. 

Diskussion versachlichen

Der Bundesrat beurteilt die Liberalisierung des Milchmarktes zwar positiv, leitet aber keine konkreten Schritte aus dem Bericht ab. Einerseits, weil die Schweiz mit der EU zunächst die institutionellen Fragen sowie die Umsetzung der Masseneinwanderungs initiative klären muss. Andererseits erwartet er nun eine Empfehlung des Parlaments. 

Markus Lehmann, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft, weiss, dass der politische Support für eine Öffnung des Milchmarktes «nicht sehr gross» ist. Eine unmittelbare Wirkung wird der Bericht also kaum entfalten. Für Lehmann ist er dennoch nicht für die Katz: «Der Bericht liefert eine gute Basis, um die Diskussion zu versachlichen.» Zudem glaubt Lehmann, dass die Schweiz durch den Abschluss eines Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU unter Zugzwang kommen wird. Für dieses Szenario will das Bundesamt für Landwirtschaft vorbereitet sein.

Bauernpräsident Ritter, der für die CVP im Nationalrat politisiert, macht sich diesbezüglich keine Sorgen, weil die USA und Europa punkto Nahrungsmittelproduktion völlig unterschiedlich ticken. Stichworte dazu sind Monokulturen, Gentechnik oder der Einsatz von Wachstumshormonen. Ritter bezweifelt deshalb, dass sich die Landwirtschaft über das bisherige Mass bei Freihandelsabkommen öffnen muss. 

Selbstbewusste Bauern

Der Bauernverband gibt sich also selbstbewusst, das zeigt sich auch in der Medienmitteilung: Eine Öffnung der weissen Linie würde nichts bringen. Entsprechend gebe es auch keine Befürworter. Lorenz Hirt von der Vereinigung der Schweizerischen Milchindustrie, ein Zusammenschluss von neun Firmen, die mehr als die Hälfte der Schweizer Milch verarbeiten, widerspricht: «Wir sind grundsätzlich für eine sektorielle Marktöffnung mit Begleitmassnahmen.» Gemäss Hirt machen die ausländischen Produzenten die Zollnachteile mit tieferen Milchpreisen wett. Die hiesigen Milchverarbeiter stellen deshalb einen schleichenden Verlust von Marktanteilen fest. 

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