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Google klagt über das knappe Zürcher Kontingent – Basel zapft seit Februar von der Bundesreserve

Google klagt über das knappe Zürcher Kontingent – Basel zapft seit Februar von der Bundesreserve

21.12.2015, 18:2522.12.2015, 07:55
Kian Ramezani
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Harte Worte von Julien Borel, leitender Ingenieur am Google-Hauptsitz in Kalifornien:  

«Zürich kommt mir vor wie eine schlecht organisierte Fussballmannschaft. Sie möchten die Champions League gewinnen, wollen aber keine Ausländer im Team.»
Julien Borel, Engineering Director Google
Google in Zürich.
Google in Zürich.
Bild: KEYSTONE

Hintergrund dieser Aussage, die der ausgewanderte Schweizer in einem Interview mit der NZZ am Sonntag machte, ist die Kontingentspolitik des Bundesrats: Dieses Jahr erhielten 6500 Personen aus Drittstaaten ausserhalb der EU eine Arbeitserlaubnis (2000 B- und 4500 L-Bewilligungen) in der Schweiz. Zu wenig für einen internationalen Konzern wie Google, der auch in Nordamerika und Asien Fachkräfte rekrutiert. 

Im Vergleich zum Vorjahr müssen Schweizer Unternehmen mit 25 Prozent weniger Kontingenten zurechtkommen – der Bundesrat hatte sie Ende 2014 als Reaktion auf die Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative erstmals seit vier Jahren gekürzt. Google ist mit seiner Kritik auch nicht allen, wie Bruno Sauter, Chef beim Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Zürich, gegenüber watson erklärt:

«Von der massiven Kontingentskürzung sind alle international tätigen Unternehmen betroffen, die von der Schweiz aus mit Firmen oder anderen Standorten in Asien und Amerika in gemischten Projekten tätig sind oder deren Businessmodelle eine internationale Wertschöpfungskette aufweisen.»
Bruno Sauter, Direktor AWA Zürich

So tönt es bei anderen Unternehmen, die wie Google Fachkräfte aus Drittstaaten rekrutieren: «Für uns ist es wichtig, dass der Arbeitsmarkt möglichst liberal und flexibel bleibt», sagt Sylvia Gäumann, Mediensprecherin Zurich Insurance Group. «Als weltweit tätiges Versicherungsunternehmen sind wir auf hochqualifizierte Fachleute angewiesen, und zwar aus der Schweiz, der EU und aus Drittstaaten.»

Hauptsitz der Zurich Insurance am Mythenquai in Zürich.
Hauptsitz der Zurich Insurance am Mythenquai in Zürich.
Bild: KEYSTONE

Ähnlich äussert sich der Pharmagigant Novartis: «Novartis spürt die Verschärfung bei den Drittstaatenkontingenten und nimmt diese mit Sorge zur Kenntnis, denn der Erfolg von Novartis basiert massgeblich auf der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte nicht nur aus dem EU-Raum sondern auch aus Drittstaaten», erklärt Mediensprecher Patrick Barth – und erinnert an die volkswirtschaftliche Bedeutung der Pharmabranche: «Die Exporte der pharmazeutischen Industrie entsprechen rund einem Drittel des Schweizer Exportvolumens. Allein der Novartis-Anteil aller Schweizer Exporte beträgt 14,9%.»

In Basel war schon im Februar Schluss

Die Hälfte der 6500 Bewilligungen werden an die Kantone verteilt, die andere Hälfte bleibt als Reserve beim Bund. Laut Amtschef Sauter waren die für den Kanton Zürich zugewiesenen Kontingente bereits im Mai ausgeschöpft. Dann musste er beim Staatssekretariat für Migration (SEM) in Bern um zusätzliche Kontingente aus der Bundesreserve ersuchen. Noch schneller als in Zürich gingen die Kontingente in Basel zuneige, wo ebenfalls zahlreiche internationale Konzerne beheimatet sind:

«Die dem Kanton Basel-Stadt zugeteilten Kontingente waren 2015 Ende Februar/Anfang März ausgeschöpft.»
Nicole Hostettler, Mitglied der Geschäftsleitung AWA Basel-Stadt

Die L-Bewilligungen für Kurzaufenthalter waren demnach Ende Februar, die B-Bewilligungen Anfang März ausgeschöpft. Basel-Stadt hat für 2015 vom Bund 84 L-Bewilligungen zugeteilt bekommen – aber bis Oktober insgesamt 317 erteilt. Das heisst, 233 oder fast drei Viertel aller L-Bewilligungen stammen aus der Bundesreserve. Bei den B-Bewilligungen beträgt das Stadtbasler Kontingent 52, tatsächlich erteilt wurden 264. Der Anteil des Bundes liegt hier bei 80 Prozent.

Angesichts solcher Zahlen drängt sich die Frage auf, ob die Kontingente für die wirtschaftsstärksten Kantone angemessen sind. Hierzu erklärt das zuständige Staatssekretariat für Migration (SEM):

«Im Kern der Arbeitskräftezulassung aus Drittstaaten liegt das gesamtwirtschaftliche Interesse. Für dieses Interesse reichen die Kontingente für die Schweiz und die Kantone aus. Erfahrungsgemäss kann im Konsens keine vordefinierte Verteilung der Kontingente auf die Kantone den sich verändernden Bedarf der Wirtschaft und der Kantone verlässlich abbilden. Daher gibt es Bundeskontingente, die den Kantonen auf Antrag hin laufend sehr rasch zugeteilt werden.»
Céline Kohlprath, Sprecherin SEM

Derweil neigt sich auch die Bundesreserve dem Ende zu. Wie das SEM auf Anfrage mitteilt, sind die B-Bewilligungen seit Ende November aufgebraucht. Kurzaufenthalter-Bewilligungen L werden im Dezember ausgeschöpft sein. Darüber hinausgehender Bedarf könnte der Bund durch die Vorjahresreserve 2014 abdecken.

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45 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ruffy
21.12.2015 19:47registriert Januar 2015
Wartet mal ab bis die MEI umgesetzt wird, dann können wir den Laden hier dicht machen..
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Thomas_54
21.12.2015 20:39registriert November 2015
Paradox ist ja, dass diese Unternehmen von der Politik betüdelt und angelockt werden (tiefe Steuern, etc), gleichzeitig man ihnen aber nicht die Fachkräfte (Ausländer) zur Verfügung stellen will. D.h entweder könnte man mehr Ausländer reinholen (+Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum) oder andererseits die Unternehmenssteuern erhöhen, um die Unternehmen zu "vergraulen" und die Nachfrage zu dämpfen. Sehr paradox wirds dann bei den Parteien, wo die einen für Ausländer und hohe Steuern sind, die anderen dagegen (vereinfacht dargestellt).
Oder sehe ich das zu einfach?
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