Als uns Simone Westerfeld in einem Sitzungszimmer unweit des Zürcher Paradeplatzes empfängt, reden wir erst gar nicht über die UBS. Wir sprechen sie auf einen LinkedIn-Post an, in dem sie von Begegnungen mit Studierenden am Erstsemestertag der Universität St. Gallen schwärmte. Westerfeld ist Titularprofessorin für Banking und Finance an der HSG. Es sei zwar nur ein kleines Pensum, sagt sie, aber es sei ihr sehr wichtig: «Ich komme raus aus der operativen Hektik und kann mit Distanz aufs Geschäft schauen.»
Halten es junge Menschen überhaupt noch für erstrebenswert, bei einer Grossbank zu arbeiten?
Simone Westerfeld: Absolut.
Weil man immer noch gut verdient?
Gerade bei den jungen Menschen steht das Salär nicht an erster Stelle.
Wie bankenkritisch sind ihre Studenten?
Sie fordern mich jedenfalls enorm heraus! Ich unterrichte im Masterprogramm, da sitzen Top-Studenten. Die Zulassungskriterien sind sehr streng, 60 Prozent sind internationale Studenten, die bringen sich viel ein und schauen mit einem anderen Blick auf die Schweiz. Ich bewege mich aber nicht nur an der Uni, sondern auch in der dualen Berufsbildung.
Sie haben selbst ursprünglich eine Banklehre absolviert.
Ja, und eben besuchte ich die Swiss Skills, die Berufsmeisterschaften. Es ist hochspannend, mit diesen jungen Leuten zu sprechen, die erst 16 bis 19 sind.
Was hat eine UBS dieser Generation zu bieten?
Bei den «Digital Natives» hilft es, dass wir als Grossbank einen Digitalvorsprung haben. Wir sind eine Bank und zugleich auch eine IT-Firma. Sehr gut kommt neben der Banklehre beispielsweise auch die Lehre als Mediamatiker an. Die Lernenden können nicht nur im klassischen Geschäft Stages machen, sondern auch in neuen Bereichen wie der Videoberatung.
Und finden Sie nicht nur bei der Elite der Masterstudenten, sondern auch in der Breite genügend gute Nachwuchskräfte?
Wir als UBS sind auf dem Arbeitsmarkt gut positioniert. Und die kaufmännische Ausbildung ist hierzulande nach wie vor sehr beliebt. UBS konnte in den letzten Jahren die vorhandenen Bank- und Informatiklehrstellen immer erfolgreich besetzen. Aber wie für viele andere Branchen ist der Fachkräftemangel auch für uns ein Thema. Aber generell sehe ich in unserer Gesellschaft ein Problem …
… ist die Generation Z zu wenig leistungsorientiert?
Ich frage mich manchmal schon, wo diese Menschen nach der obligatorischen Schulzeit alle hingehen, was sie machen. Das ist ein Thema – für die Gesellschaft, langfristig aber dann natürlich auch bei der UBS.
Vermissen junge Menschen bei einer Bank vielleicht die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit? Oder lässt sich diese nicht mehr vermitteln?
Das glaube ich nicht. Gerade in der Coronazeit, welche die jungen Menschen stark traf, sah man, wie wichtig unsere Arbeit ist. Die Mitarbeitenden in den Geschäftsstellen waren Teil der Lösung – dank den Covid-Krediten konnten Betriebe weiterlaufen und Jobs gesichert werden. Da ging ein Ruck durchs Bankpersonal, dessen Wirkung bis heute anhält. Spreche ich mit Auszubildenden in der UBS, spüre ich immer wieder, dass ihnen der Sinn ihrer Arbeit wichtig ist. Da gibt es sehr viele verschiedene Ansatzpunkte für diesen «Purpose».
Das klingt reichlich abstrakt.
Kunden begleiten, Kunden Dinge erklären, Risikofragen diskutieren – das ist ziemlich konkret! Es geht immer um Menschen. Hinzu kommt jetzt unser verstärkter Fokus auf die Vorsorge. Dort lancieren wir nun ein digitales Produkt – «Key 4 Pension» – bei dem der Kunde selbstständig in die Säule 3a investieren kann. Es ist Teil unserer Strategie des vierten Schlüssels (im Logo gibt es drei Schlüssel, die Red.), den rein digitalen Zugang zur Bank zu ermöglichen. Eine Art Demokratisierung unseres Geschäfts. Vorsorge ist die Hauptsorge von Herrn und Frau Schweizer, da ist die Sinnhaftigkeit offensichtlich!
Sie sind eine hervorragende Verkäuferin … Aber Tatsache ist, dass der Ruf der Grossbanken angeschlagen ist. Die Boni- und Steuerbetrugs-Diskussionen hallen nach. Der Frankreich-Fall ist bei der UBS noch nicht abgeschlossen.
In meinen Gesprächen mit jungen Leuten spielt das keine Rolle mehr. Das ist vorbei. Unsere jungen Mitarbeitenden haben ganz andere Themen. Etwa die Zinswende. Wir hatten jetzt so lange tiefe oder negative Zinsen, dass sie etwas anderes in ihrer aktiven Zeit bei uns noch gar nicht erlebt haben. Das erfordert Ausbildung.
Was bedeutet diese Zinswende für die Kunden?
Es gilt, die Risiken noch besser zu beurteilen. Die Erhöhung der Leitzinsen macht es noch wichtiger, beispielsweise bei den Hypotheken die Fristen abzustufen. Es braucht einen guten Mix zwischen kurz- und langfristiger Finanzierung. Wir führen viele Gespräche dazu.
Der Traum vom Eigenheim wird noch schwieriger zu realisieren. Bisher waren nur die hohen Immobilienpreise ein Problem, jetzt steigen auch noch die Zinsen.
Es gibt Regionen, das zeigt der UBS-Bubbleindex, die tatsächlich überhitzt sind und wo sich nur wenige Eigentum leisten können. Mit den höheren Zinsen gewinnt die Tragbarkeit an Bedeutung, aber die Banken haben dafür schon immer mit hohen theoretischen Sätzen gerechnet, meist 5 Prozent. Davon ist der Markt weit entfernt.
Bauland und Wohneigentum wurden in den vergangenen Jahren immer teurer. Werden höhere Zinsen dies ändern?
Solange das Angebot nach Wohneigentum knapp ist und die Nachfrage steigt, werden die Preise nicht sinken. Es lässt sich eine Entkopplung beobachten. Die Preisbildung auf den Immobilienmärkten hat wenig mit der Zinsentwicklung zu tun. Die Nachfrage nach Eigentum dürfte hoch bleiben, auch wegen der zunehmenden Bevölkerung.
Die Inflation ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Wie betrifft das Ihre Kunden?
Es ist relativ einfach: Nach Bezahlung der Rechnungen, etwa der höheren Stromrechnung, bleiben weniger flüssige Mittel übrig, die man anlegen oder in die Vorsorge investieren kann. Da sind wir wieder bei der Bedeutung der Beratung!
Ab welchem Alter empfehlen Sie, sich um die private Altersvorsorge zu kümmern?
Ab dem Moment, wo jemand berufstätig wird. Oder besser schon in der Ausbildung, wenn man erste Monatsbudgets erstellt. Wer nicht früh dran denkt, hat später Lücken, die sich kaum mehr schliessen lassen. Gerade mit Blick auf die Jungen lancieren wir innerhalb unserer digitalen Sortimentslinie eine Vorsorge-Lösung und bieten zusätzlich Videoberatung.
Sie setzen voll auf Digital – das heisst, die Filialen werden überflüssig.
Nein! Die Zukunft der Beratung ist hybrid. Wer digital will, erhält digital und wer Beratung will, erhält Beratung – über Video oder in der Geschäftsstelle. Die Bedürfnisse der Kunden haben sich in den vergangenen Jahren aber schon stark verändert. Der digitale Zugang zur Bank, zeit- und ortsunabhängig, ist immer wichtiger geworden. Diesem Trend wollen wir Rechnung tragen.
Trotzdem, die Zahl der heute 196 Filialen wird weiter sinken.
Das Geschäftsstellennetz ergibt Sinn, so wie es ist. Wir wollen präsent, visibel sein.
Also Schluss mit Abbau beim Netz?
Die Kunden geben den Takt vor. Mit aktuell 196 Geschäftsstellen haben wir eine vernünftige Abdeckung. Die Geschäftsstellen sind zentraler Bestandteil unseres Distributionsmodells. Auch, um dort digitale Angebote zu platzieren. Und jenen Kunden vor Ort zu helfen, die beim mobilen Banking mit dem Smartphone ein Problem haben. Insgesamt soll aber der Kunde entscheiden, über welchen Kanal er mit uns in Kontakt treten will.
Die UBS hat eine 160-jährige Geschichte, sie galt lange als äusserst konservativ, nur Männer mit Offiziersgrad konnten Karriere machen. Wie wirkt diese Kultur nach?
Wäre es noch so, würde ich nicht hier arbeiten. Ich habe ja keinen militärischen Rang und mache auch keinen Hehl daraus, Mutter zu sein. Ich erlebe die Kultur der UBS als offen. Das Mass an Diversität ist enorm.
Ich besuchte einmal mit einem früheren Chef eine UBS-Filiale, da standen alle stramm, als er einmarschierte.
Das war früher eine Art Staatsakt. Wahrscheinlich hat es sich herumgesprochen, dass ich, wenn ich eine Geschäftsstelle besuche, aus Neugier und Interesse komme. Aber natürlich auch, um im Team über das Business zu sprechen.
Sie sind Chefin von knapp 3000 Leuten, Professorin an der HSG und Mutter von vier Kindern. Das alles gut zu machen, ist gelinde gesagt, anspruchsvoll …
… ja (lacht).
Sie wirken entspannt.
Das ist möglich, wenn die Teamarbeit funktioniert, in allen Disziplinen. An der Uni habe ich ein sehr kleines Pensum. Zuhause geht das nur, weil mein Mann und ich gut eingespielt sind. Wir als Familie machen von Zeit zu Zeit ein Checking: Stimmt es so, wie geht’s uns allen?
Wissen Ihre Töchter, was Sie im Job machen?
Ich habe sie jüngst zu Swiss Skills mitgenommen und hatte den Eindruck, sie fanden das ganz cool.
Aber Bankerin will keine werden?
Das weiss ich nicht. Ich arbeite daran (lacht).
Was bedeutet Teamarbeit in Ihrem Job?
Gute Leute um sich zu haben – und gut zu kommunizieren. Gerade in Zeiten der Transformation. In den Geschäftsstellen verändert sich sehr viel, auf diese Reise will ich die Mitarbeitenden mitnehmen. Kommunikation ist zentral um Eigeninitiative und Herzblut auszulösen.
Eigentlich müsste es heissen:"Ein hoher Lohn alleine reicht nicht mehr um für Arbeitnehmer attraktiv zu sein".