Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Nationalbank versetzt die Schweiz in Aufruhr. Schlagartig hat sich der Franken um rund 20 Prozent verteuert. Besonders betroffen ist die Exportwirtschaft und der Tourismus. Trotz perfekter Schneeverhältnisse würden kaum noch Neubuchungen eintreffen, sagte Daniela Bär von Schweiz Tourismus zu 20 Minuten.
Diese Entwicklung trifft eine Branche ins Mark, die bereits vor dem Nationalbank-Entscheid über schrumpfende Margen klagte. Selbst in einer Topdestination wie Zermatt dächten viele Hoteliers ans Aufgeben, berichtete die «Schweiz am Sonntag». In einem Kommentar fordert die Zeitung neben einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auch eine gezielte Kostensenkung für Importprodukte, insbesondere einen Abbau der Schutzzölle und Importbeschränkungen auf Lebensmittel.
«Das wird schmerzlich sein für die Schweizer Bauern. Aber auch sie sollten einen Beitrag leisten, damit der Tourismus überlebt», so die «Schweiz am Sonntag». In die gleiche Kerbe hieb Preisüberwacher Stefan Meierhans in einem Interview im «SonntagsBlick»: «Die hohen Lebensmittelpreise sind ein gravierender Nachteil für unsere Hotellerie und Restaurants und bedrohen damit Arbeitsplätze.»
Die Landwirtschaft aber hat für derartige Forderungen kein Musikgehör. Sie fühlt sich im Gegenteil selber als Opfer der Mindestkurs-Aufhebung. «Wir sind stark davon betroffen, denn wir exportieren rund 40 Prozent unserer Käsemenge ins Ausland», sagte Jacques Bourgeois, Direktor des Schweizerischen Bauernverbands (SBV), auf Anfrage von watson. Die Auswirkungen seien enorm: «Bei einer Parität von Franken und Euro rechnen wir beim Export mit Ausfällen von rund 125 Millionen Franken.»
Abstriche beim Grenzschutz sind für den Freiburger FDP-Nationalrat kein Thema. Er fordert im Gegenteil mehr Geld vom Bund: «Wir wollen eine Kompensation für die Verluste beim Käseexport», sagt Bourgeois. Weiter müsse der Bund die im so genannten «Schoggigesetz» geregelten Ausfuhrbeiträge für verarbeitete Produkte erhöhen, von heute 75 auf 114,9 Millionen Franken, den im WTO-Freihandelsabkommen möglichen Maximalbetrag. Mehr Mittel brauche es auch, um die Schweizer Produkte im Ausland zu vermarkten: «Warum nicht zusammen mit dem Tourismus?»
Wie weit Jacques Bourgeois mit seinen Forderungen in Bern durchkommt, bleibt offen. Seine Chancen sind mehr als intakt, denn obwohl nur drei Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig sind, verfügt sie im Parlament nach wie vor über eine starke Lobby. Auf grosses Wohlwollen kann sie nicht zuletzt in der SVP zählen, die sich in den letzten Tagen mit lautstarken Forderungen nach Deregulierung und Staatsabbau hervorgetan hat. Geht es um ihre bäuerliche Klientel, drücken die SVP-Exponenten dagegen beide Augen zu.
In der Landwirtschaftspolitik haben ohnehin die Bewahrer Auftrieb. Nach zwei Jahrzehnten mit zaghaften Liberalisierungen und Reformen wollen viele Bauern das Rad der Zeit zurückdrehen. Im letzten Jahr wurden gleich drei Volksinitiativen lanciert, die tendenziell die Marktabschottung verstärken: Je eine von Bauernverband und Bauerngewerkschaft Uniterre für mehr Ernährungssouveränität sowie die Fair-Food-Initiative der Grünen.
Forderungen nach einem Abbau beim Grenzschutz sind deshalb trotz Franken-Aufwertung so gut wie chancenlos. Zum Leidwesen des Fremdenverkehrs. Viel mehr als schöne Worte und Durchhalteparolen hat Bauernverbandsdirektor Bourgeois nicht zu bieten, etwa auch beim für die Bauern leidigen Thema Einkaufstourismus: «Wir müssen die Leute aufklären. Sie arbeiten in der Schweiz und haben damit eine andere Kaufkraft als die Leute im Ausland.» Deshalb sollten sie in erster Linie die einheimischen Produzenten unterstützen.
Als ob solche Parolen in der Vergangenheit viel genützt hätten.
Pro memoria: Das Parlament hat es kürzlich abgelehnt, Parallelimporte zuzulassen. Das ist Heimatschutz pur für unsere Grossverteiler & Händler, welche überteuerte Importprodukte verkaufen! Kein Wunder wächst nun der Einkaufstourismus!
Bauern: das Gejammere und die Uneinsichtigkeit, selber auch gewisse Abstriche machen zu müssen, kennt man ja seit Jahren.