Der Gewerkschaftsdachverband Travail Suisse und der Kaufmännische Verband fordern für 2022 unterschiedliche Lohnerhöhungen je nach Branche – stärkere etwa für Banken und die Baubranche, schwächere für die Gastronomie und die Luftfahrt.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten am wirtschaftlichen Aufschwung beteiligt werden, der durch die positive Entwicklung der Pandemie entstanden sei. Dies teilte Travail Suisse am Donnerstag gemeinsam mit Syna und der Hotel & Gastro Union mit. Inzwischen sei das «Vorkrisenniveau» wieder erreicht. Allerdings gebe es grosse Unterschiede je nach Branche. «Allgemeingültige Lohnforderungen sind nicht angezeigt, und eine differenzierte Sichtweise ist nötiger denn je», heisst es in der Mitteilung.
Konkret bedeutet dies unter anderem, dass Lohnerhöhungen in der von der Corona-Pandemie stark betroffenen Gastronomie selten sein dürften. Auf der anderen Seite der Skala steht die Baubranche, die weitgehend unbeschadet durch die Krise gekommen ist. Hier seien Lohnerhöhungen möglich und nötig, hiess es vor den Medien in Bern.
Die teilweise prekäre Lage im Gesundheitswesen rückte seit Beginn der Pandemie immer wieder ins öffentliche Bewusstsein. Sie widerspiegelt sich auch in den Forderungen der Gewerkschaften. Der Fachkräftemangel sei akut, «und die Löhne haben in den vergangenen Jahren zu stark stagniert», sagte Mathias Regotz von Syna gemäss Mitteilung. Auch im Detailhandel seien die Löhne seit Jahren chronisch zu tief. «In diesen Branchen sind Lohnerhöhungen von drei bis vier Prozent zwingend.»
Die schlimmsten Szenarien für den Arbeitsmarkt seien zwar nicht eingetroffen. Die Arbeitslosigkeit liege aber immer noch rund 35 Prozent höher als vor der Krise. Zudem hätten zahlreiche Arbeitnehmende wegen Kurzarbeit auf Einkommen verzichten müssen. Und die anziehende Teuerung gefährde ihre Kaufkraft.
«Ein genereller Teuerungsausgleich für alle Arbeitnehmenden ist nötig, um die Kaufkraft zu erhalten und den privaten Konsum zu stützen», sagte Gabriel Fischer von Travail Suisse. Lohnerhöhungen seien folglich auch wichtig, um die Krise schneller bewältigen zu können.
Auch bei den Löhnen der Frauen bestehe nach wie vor grosser Handlungsbedarf. Das revidierte Gleichstellungsgesetz verlange zwar eine Lohngleichheitsanalyse von Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten. Kontrolliert werde dies aber nicht. Travail Suisse und die angeschlossenen Verbände haben eine Plattform geschaffen, die für mehr Transparenz sorgen soll. Die Verbände rufen alle Unternehmen auf, dort nachzuweisen, dass sie die Vorgaben des Gleichstellungsgesetzes einhalten.
Auch der Kaufmännische Verband Schweiz (KV) präsentierte am Donnerstag seine Lohnforderungen. Er differenziert ebenfalls zwischen den Branchen und fordert Erhöhungen zwischen 0,5 und 1,75 Prozent. Besonders Banken und die Versicherungs- und ICT-Branche (Information and Communications Technologies) hätten im vergangenen Jahr trotz der Pandemie teilweise Gewinne erzielt, heisst es in der Mitteilung. Die Tieflohnbranchen hingegen hätten unter Umsatzeinbrüchen und fehlenden Aufträgen gelitten.
Die höchsten Forderungen (bis 1,75 Prozent) stellt der KV an Banken, Versicherungen, ICT sowie Pharma und Chemie. Im Mittelfeld bewegen sich Detailhandel, Gewerbe, Maschinen- und weitere Industrie, Bildung und Gesundheit. Und die tiefsten Forderungen (bis maximal 1 Prozent) richten sich an Luftverkehr und öffentliche Verwaltung. Für Tieflohnbranchen fordert er generelle statt individuelle Lohnerhöhungen, damit sich die Schere zwischen Personen mit tiefem und Personen mit hohem Einkommen nicht noch stärker öffnet. (aeg/sda)