Ein neuer US-niederländischer Kaffeeriese will Nestlé auf die Pelle rücken
Alles hat auch der frühere Nestlé-Chef Mark Schneider nicht falsch gemacht. Davon ist Professor Chahan Yeretzian, Leiter des Coffee Excellence Centers der Zürcher Fachhochschule ZHAW in Wädenswil, felsenfest überzeugt.
Schneider hatte 2018, nur ein Jahr nach seiner Berufung zum CEO beim Schweizer Lebensmittelmulti, die weltweiten Vertriebsrechte aller Kaffeemarken und anderer Produkte von Starbucks für den Detailhandel erworben (die bis heute selbstständig operierenden Starbucks-Cafés waren nicht Teil der Transaktion). Nur wenige Monate vor dem Starbucks-Deal hatte Schneider in Kalifornien auch den hippen Kaffeeröster Blue Bottles einverleibt. Diese Übernahmen haben zwar nahezu 8 Milliarden Dollar und damit viel Geld gekostet, aber Nestlé habe sich damit eine «Goldmine» erschlossen, sagt Yeretzian.
Nur in den USA hat’s lange gehapert
Nestlé ist weltweit fast in jedem Markt der grösste oder der zweitgrösste Kaffeeanbieter. Nur in den USA wollte den Schweizern dieser Durchbruch nie richtig gelingen. Vor Schneiders Ankunft stand Nestlé in der Rangliste der grössten Kaffeeanbieter in den USA nur auf dem fünften Platz. Inzwischen sind die Schweizer aber auch in diesem grossen Markt auf den Spitzenplatz vorgerückt.
Mit Hilfe der Marke Starbucks habe Nestlé in den USA das Kapselgeschäft angekurbelt, das mit der Eigenmarke Nespresso allein nicht ganz auf Touren kommen wollte, sagt Yeretzian. Und auch im Geschäft mit sofortlöslichem Kaffee habe die Marke Blue Bottles als Beschleuniger gewirkt.
Die von Mark Schneider eingefädelten Übernahmen stellten in der Geschichte von Nestlé einen Kulturwandel dar. Bis dahin hatte der Konzern nur die im eigenen Haus entwickelten Labels vermarktet. Die Eingebung, dass man dieses Prinzip in den USA ändern musste, hatte kaum zufällig ein Manager, der nicht bei Nestlé gross geworden war.
Jedenfalls kam der von Schneider eingeleitete kulturelle Wandel nicht zu früh. Denn jetzt muss sich der Konzern vom Genfersee auf einen neuen starken Konkurrenten im Kaffeegeschäft einstellen. Am Montag gab der amerikanische Getränke- und Kaffeekonzern Keurig Dr Pepper die Übernahme des niederländischen Mitbewerbers JDE Peet’s bekannt.
Umsatz verdreifachen
Letzterer nennt Kaffeemarken wie Jacobs, Douwe Egberts, Tassimo, Senseo sowie die amerikanische Peet’s sein Eigen. Ersterer besitzt zahlreiche Marken, die vor allem in den USA bekannt sind. Mit Lavazza hat Keurig Dr Pepper aber auch ein Label, das man in Europa sehr gut kennt.
Die Amerikaner wollen für die an der Amsterdamer Börse kotierte Firma JDE Peet’s rund 15 Milliarden Euro auf den Tisch legen, um ihren eigenen Kaffeeumsatz so von 4,6 Milliarden auf 15,9 Milliarden Dollar per Ende 2026 voraussichtlich zu verdreifachen. Nestlé läge bei diesem Szenario mit einem geschätzten Kaffeeumsatz von rund 22 Milliarden Dollar pro Jahr zwar noch immer in Führung, aber nicht mehr ganz so deutlich wie jetzt.
Mehr noch: Keurig Dr Pepper will sich nach der Übernahme ganz auf den Kaffee konzentrieren und das Geschäft mit Süssgetränken wie Dr Pepper, Schweppes, 7 Up oder Canada Dry abspalten. «Das ist vielleicht eine Reaktion auf den Erfolg, den Nestlé im amerikanischen Kaffee-Geschäft in den vergangenen Jahren gehabt hat», vermutet der Branchenkenner Chahan Yeretzian.
Offenbar hatten die Schweizer mit JDE Peet’s und der vergleichsweise kleinen und verzettelten Keurig Dr. Pepper bislang relativ leichtes Spiel – jedenfalls in den USA. JDE Peet’s gehört seit 2012 der Luxemburger Finanzholding JAB, benannt nach Johann A. Benckiser, einem Chemieindustriellen aus dem 19. Jahrhundert, auf dessen Grundlagen die deutsche Milliardärsfamilie Reimann zu ihrem grossen Vermögen gekommen war.
Vom Konglomerat zum integrierten Kaffeeröster
2012 kaufte die Finanzholding JAB die kalifornische Kaffeerösterei Peet’s und baute das Kaffeegeschäft auf, das sie nun an Keurig Dr Pepper veräussert. Ironischerweise war es der Niederländer Alfred Peet, der den Starbucks-Gründern Jerry Baldwin, Zev Siegl und Gordon Bowker das Rösten von dunklem Kaffee beibrachte und anfänglich den Starbucks-Kaffee röstete, dessen Siegeszug in den USA 1971 begann.
Doch das Kaffeegeschäft blieb unter Führung der Reimanns ein Portfolio-Investment. Die vielen Marken seien nie so zusammengeführt worden, dass sich daraus ein ökonomischer Nutzen oder ein Nutzen für die Konsumenten habe ergeben können, weiss Chahan Yeretzian. Ganz im Gegensatz zum Nestlé-Konzern, der keine Zeit verloren hatte, Starbucks und Blue Bottle zu integrieren.
Dass sich JDE Peet’s Managementmodell unter Führung von Keurig Dr Pepper grundlegend verändern könnte, deutet schon allein der Umstand an, dass der Konzern drei Jahre nach dem Zusammenschluss jährliche Synergien von 400 Millionen Dollar einfahren will. Offensichtlich wollen die Amerikaner aus dem lukrativen und stetig wachsenden Kaffeegeschäft mehr herausholen.
Ein Stück weit sind sie dazu freilich auch gezwungen. Der stetige Anstieg des Kaffeepreises und eine weltweit beobachtbare Zurückhaltung der Konsumenten machen das Geschäft anspruchsvoller.
