So schnell kann es drehen, an den Devisenmärkten. Vor kurzem wurde dem Euro noch vorhergesagt, er werde bald nur noch 90 Rappen kosten. Manche Experten sahen gar ein Risiko für ein Wiederausbrechen einer Eurokrise, nämlich, dass die Märkte auf ein Auseinanderfallen der Eurozone wetten würden. Der Euro schien nur immer tiefer zu fallen.
Doch nun ist er auf einmal im Höhenflug. Zum Franken liegt er wieder über der Parität, er kostet also wieder mehr als 1 Franken. Am Montagvormittag wurde er zu 1'001 Franken gehandelt. Ende September 2022 waren es noch 0.95 Franken. Doch seither ist die europäische Einheitswährung emporgestiegen.
Den Ursachen ist die St.Galler Kantonalbank nachgegangen. Für die «Auferstehung des Euros» sieht Anlagechef Thomas Stucki einige «fundamentale Argumente», aber vor allem eine «Umkehrung der spekulativen Gelder».
Diese Umkehrung habe an den Futures-Märkten in Chicago stattgefunden. Das spekulative Geld habe noch im Herbst darauf gewettet, dass sich der Wertzerfall des Euros zum Dollar fortsetzen würde. Anlass dazu gab etwa die drohende Energiekrise – und die Befürchtung, dass die Eurozone dadurch in eine tiefe Rezession geworfen werden könnte.
Inzwischen haben die Investoren eine grosse Wette auf das Gegenteil aufgebaut: dass sich der Euro zum Dollar weiter aufwerten wird. Das spekulative Geld hat mitgeholfen, dass der Euro seit dem Tiefstand von Ende September zum Dollar schon um 13 Prozent aufgeholt hat.
Mehrere Trends stärken den Euro gerade. Stucki nennt beispielsweise, dass keine Energiekrise eingetreten sei und sich auch nicht abzeichne. So sind die Preise für Strom und Erdgas deutlich gesunken, zurück auf den Stand von Anfang 2022.
Der Eurohöhenflug erklärt sich auch der raschen Abschwächung der Inflation in den USA. Damit ist die Wahrscheinlichkeit weiterer Zinserhöhungen durch die amerikanische Notenbank gesunken. Die Finanzmärkte erwarten nun gar, dass die US-Notenbank ihre Leitzinsen schon ab dem Sommer wieder senken wird. Diese neuen Aussichten schwächen den Dollar.
Zugleich wird für die Eurozone noch mit weiteren Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank gerechnet. Die Inflation ist noch immer sehr hoch, deutlich höher als in den USA, und hat sich bislang auch weniger deutlich abgeschwächt. Damit wird der Zinsvorteil des Dollars abnehmen: Die USA haben zwar höhere Zinsen als die Eurozone, doch der Vorsprung wird in den nächsten Monaten abnehmen. So zumindest die Wette.
Im Gleichschritt mit der Abschwächung des Dollars zum Euro hat auch der Franken an Wert verloren. Die Nachrichtenagentur Bloomberg titelte darum: «Der Schweizer Franken verliert an Bedeutung, da sich die Aussichten für den Euro aufhellen». Stucki beurteilt es anders: «Es ist keine Schwäche des Frankens, sondern eine momentane Stärke des Euros.»
Der Euro fliegt also gerade in die Höhe. Aber wie lange noch? Anlage-Chef Stucki erwartet einen Absturz. Denn es warten viele Risiken. Es müsse nur eines davon eintreten, schon sei es vorbei mit dem Höhenflug.
Zum Beispiel könnte in Italien die rechts-nationalistische Regierung wieder feindlicher gegen die Europäische Union politisieren. Oder ihre Finanzpolitik könnte von den Märkten als gefährlich beurteilt werden. Schon würde der Euro als Konstrukt wieder in Frage gestellt.
Stucki glaubt darum nur an einen «vorübergehenden Höhenflug» des Euros. Es sei wahrscheinlicher, dass er gegen Ende des Jahres wieder nur noch 0.95 Franken kostet werde, als dass er auf 1.05 Franken hochsteige. (aargauerzeitung.ch)