Nestlé – das war einmal der behäbige Tanker vom Genfersee, bei dem Veränderungen Jahre dauerten. Das hat sich seit dem Amtsantritt von CEO Mark Schneider 2017 drastisch verändert. Der Deutsch-Amerikaner krempelte den Nahrungsmittelmulti um, stiess unrentable Geschäfte ab, kaufte trendige Newcomer-Firmen hinzu und pusht die Firma vermehrt in den Gesundheitsbereich.
Nun krempelt Schneider auch auf die Teppichetage um. In einer Medienmitteilung verkündet Nestlé am Mittwoch eine grosse Reorganisation der verschiedenen Märkte. Damit einher geht zudem eine Personalrochade, die am Hauptsitz noch länger zu reden gibt.
Besonders die Personalie Chris Johnson überrascht. Der 60-jährige US-Amerikaner, der auch den Schweizer Pass besitzt, ist einer der dienstältesten und arriviertesten Manager im Konzern. Seit 38 Jahren ist der Kalifornier im Sold von Nestlé. Er hatte verschiedene Positionen inne, führte mit grossem Erfolg das IT-Projekt «Globe» durch, und wurde vor Schneiders Wahl ebenfalls als CEO-Kandidat gehandelt. Seither leitete er die Zone Asien, Ozeanien und Subsahara-Afrika (AOA).
Doch nun tritt das Nestlé-Urgestein ab. Per Ende Januar 2022 verlässt er den Konzern. Seine Zone wird derweil um die Regionen Naher Osten und Nordafrika ergänzt, die derzeit von Remy Ejel geführt werden. Er übernimmt nun Johnsons Job.
Auch der Franzose Laurent Freixe – auch er wie Johnson ein Nestlé-Dino und ehemaliger CEO-Kandidat – muss Federn lassen. Er bleibt zwar Chef der neuen Zone Südamerika. Doch zuvor hatte er zusätzlich auch die Verantwortung für das bedeutende Nordamerika-Geschäft, das 24.7 Milliarden Franken generiert. Es ist Nestlés bedeutendste Zone. Sie wird künftig von Steve Presley geführt, der derzeit das US-Geschäft leitet. Und zuletzt wird auch die Zone von Europa-Chef Marco Settembri beschnitten. Der Italiener ist seit 1987 an Bord.
Der renommierte Nestlé-Analyst Jean-Philippe Bertschy von der Bank Vontobel zeigt sich ob den Rochaden erstaunt. «Das ist in der Tat eine grosse Überraschung.» Gleichzeitig mache die Neuorganisation aus seiner Sicht Sinn. «Sie dürfte für mehr Effizienz und Transparenz sorgen, sowie für mehr Nähe zu den Konsumenten.»
Der Abgang von Chris Johnson sei ungewöhnlich für den traditionsbewussten Nestlé-Konzern. «Ich denke aber, dass es nicht um eine Abstrafung der alteingesessenen Manager geht, sondern vielmehr um eine Belohnung ihrer Nachfolger für ihre guten Leistungen.» So habe beispielsweise Freixes Nachfolger Steve Presley in den USA das schwächelnde Geschäft mit Tiefkühlprodukten wieder auf Vordermann gebracht und Erfolge bei der Säuglings- und Tiernahrung feiern können.
Inwiefern die Rochaden zu besseren Resultaten führen, wird sich zeigen. Schon jetzt klar ist hingegen, dass Schneider damit ein Manko bewusst in Kauf nimmt. Denn alle neuen Geschäftsleitungsmitglieder sind Männer. Dabei ist die Frauen-Bilanz seit längerem miserabel bei Nestlé. Das exekutive Führungsgremium zählt derzeit 14 Mitglieder, wovon gerade mal zwei Positionen von Frauen besetzt sind. Und beide sind nicht für das operative Kerngeschäft tätig.
«Dass nun die Geschäftsleitung bei dieser Gelegenheit nicht weiblicher wird, ist ein Defizit», sagt Analyst Bertschy. «Hier hat Nestlé, wie viele andere Grosskonzerne, nach wie vor einen grossen Nachholbedarf.»
Im Grundsatz ist das sicherlich ein Manko. Ich vertrete jedoch das Prinzip "Qualität vor Geschlecht oder Nationalität".