Balaji Srinivasan ist nicht irgendwer. Mit 27 Jahren und zwei Stanford-Abschlüssen gründet er mit zwei Kollegen das DNA-Testunternehmen Counsyl, leitet es als CEO elf Jahre lang und verkauft es danach für 375 Millionen Dollar. Mit 38 Jahren wird Srinivasan Multimillionär. Später amtet er als CTO der Kryptobörse Coinbase und gründet weitere Firmen, die er ebenfalls verkauft. Treu bleibt Srinivasan eigentlich nur der Idee von Bitcoin. Und nun sieht er die Zeit gekommen, dass Bitcoin so richtig durchstartet.
Die Welle losgetreten hat ein harmloser Shitpost des anonymen Twitter-Users «James Medlock». Er wette mit jedem um eine Million Dollar, dass es in den USA nicht zu einer massiven Geldentwertung komme. Der (schlaue) Witz daran: Sollte es tatsächlich zu einer massiven Inflation kommen, hätten sowohl Einsatz als auch Gewinn nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Werts (an Kaufkraft). Bleibt die Inflation hingegen aus, erhält Medlock eine «reguläre» Million (mit der heutigen Kaufkraft).
I'll bet anyone $1 million dollars that the US does not enter hyperinflation
— James Medlock (@jdcmedlock) March 16, 2023
Trotz ungleicher Vorzeichen schnappt Balaji Srinivasan nach dem Köder: Bitcoin erreiche innerhalb von 90 Tagen den Wert von einer Million US-Dollar, prophezeit er. Das entspricht einem Anstieg von 3600 Prozent. Sein Einsatz sei eine Million US-Dollar. Medlock hingegen solle einen Bitcoin hinterlegen. In drei Monaten, am 17. Juli, werde abgerechnet. Wer gewinnt, bekommt beides.
I will take that bet.
— Balaji (@balajis) March 17, 2023
You buy 1 BTC.
I will send $1M USD.
This is ~40:1 odds as 1 BTC is worth ~$26k.
The term is 90 days.
All we need is a mutually agreed custodian who will still be there to settle this in the event of digital dollar devaluation.
If someone knows how to do this… https://t.co/hhPr522PQu pic.twitter.com/6Aav9KeJpe
Bitcoin-Fans, die sich angesichts der selbstbewussten Ankündigung bereits gierig die Hände reiben, sollen indes gewarnt sein. Srinivasan malt ein düsteres Bild – ein extrem düsteres. Er glaubt, dass die aktuelle Bankenkrise die US-Zentralbank dazu zwingt, weiter Geld zu drucken. Und zwar in einem Ausmass, das zu einer massiven Entwertung des Dollars oder gar einer Hyperinflation führt.
Von einer Hyperinflation wird gesprochen, wenn die Inflation 50 Prozent pro Monat oder 1000 Prozent pro Jahr beträgt. Die Folgen davon wären katastrophal. Der Preis eines Kaffees würde von 2 auf 22 Dollar steigen, Wohnungsmieten von 2000 auf 22’000 Dollar und Insulin gäbe es statt für 95 für 1045 Dollar. In einem Szenario mit solchen Preisexplosionen beginnen die Menschen, massenhaft Güter zu horten – was die Preise zusätzlich in die Höhe treibt. Die Wirtschaft bricht zusammen. Chaos.
Besorgte Anleger, so Srinivasans These, würden im Verlaufe dieses Prozesses in Bitcoin flüchten, weil dort die Anzahl auf 21 Millionen limitiert und eine Inflation unmöglich sei. Die Mutter aller Kryptowährungen werde sich als einzig sicherer Hafen herausstellen.
Srinivasans These ist nicht neu. Sie ist im harten Kern der Bitcoin-Anhänger ziemlich weit verbreitet. Dass es tatsächlich so schnell so weit kommen wird, glauben indes die wenigsten. Paul Krugmann, ein Gegner von Kryptowährungen, argumentiert in der «New York Times» gar, dass bei einer Bankenkrise genau Gegenteiliges passiert. Wenn eine grosse Anzahl Menschen ihr Geld von den Banken abziehen, wirke das deflationär. Ein Beispiel dafür ist der Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929.
Srinivasan erhält aber noch weit kritischeren Gegenwind. Die Wette sei nichts anderes als eine geschickte Marktmanipulation. Mit Hilfe seiner 800’000 Twitter-Follower und den Massenmedien (schuldig im Sinne der Anklage) könne er mit seiner populistischen Ansage die Märkte bewegen. Da er über ein enormes Bitcoin-Vermögen verfügt, reicht schon ein Anstieg im tiefen Prozentbereich, um mit dem Gewinn seinen Wetteinsatz zu kompensieren. Ausserdem: Wieso sollte Srinivasan eine Million in Dollar deponieren, wenn es doch gescheiter wäre, diese nun in Bitcoin zu investieren?
Wie dem auch sei. Zu Srinivasans Ehrenrettung muss gesagt sein: Er warnte im Januar 2020 vor dem Ausbruch der Pandemie und den katastrophalen Folgen. Als Dank wurde er damals als Rassist beleidigt.
Tatsächlich hat der Bitcoin-Kurs seit der Bankenkrise zugelegt – für viele Kritiker überraschend. Vertreter der Bitcoin-Fraktion sehen sich hingegen in ihren Theorien bestätigt. Und auch seit Srinivasans Wette ging es etwas bergauf: von 26'000 auf über 28'000 Dollar. Einen Dämpfer erhielt der Aufschwung gestern, als die amerikanische Zentralbank bekannt gab, dass sie die Leitzinsen um weitere 0,25 Prozent erhöht. Das bedeutet nicht nur schlechte Nachrichten für Srinivasan und den Bitcoin-Preis, das könnte auch weitere Banken mit zu vielen Staatsanleihen und zu wenig Liquidität in die Bredouille bringen. Es wird geschätzt, dass ungefähr 190 Banken in den USA aktuell in Schwierigkeiten stecken.
Wetten auf einen extremen Bitcoin-Kurs haben in der Szene Tradition – und selten werden sie gewonnen. Die wohl durchgeknallteste schloss Softwareentwickler John McAfee 2017 ab. Er behauptete, er werde sein bestes Stück live im Fernsehen verspeisen, sollte der Bitcoin-Kurs bis zum Jahr 2020 nicht 500'000 Dollar erreichen. Es kam anders. John McAfee brachte sich 2021 in seiner Gefängniszelle um. Die Einlösung seiner Wettschuld blieb ihm und der Welt erspart.
Für mich sind das kranke Leute, denen man nicht zuhören sollte.