Von der einst herrschaftlichen Villa steht nur noch ein kleiner Mauerrest, längst überwuchert von der ungezähmten Pracht der Natur. Gotische Torbögen führen ins Herz des Gartens, der etwas ausserhalb der portugiesischen Stadt Coimbra liegt. Hier entspringt die Quelle der Liebe – die «Fonte dos Amores». Es ist der Platz, an dem sich einst zwei Liebende heimlich liebten, bis ihre Liebe ein blutiges Ende fand.
Jenes Blut klebt noch immer am Grunde des steinernen Brunnens, den die Portugiesen «Fonte das Lágrimas» nennen. Seit über sechshundert Jahren schimmert es rötlich herauf zu den Liebenden der Gegenwart, die sich hier ewige Liebe schwören.
Es ist die Geschichte von Macht, in deren unbarmherzigen Mühlen eine reine Liebe spielend zermalmt wird. Denn die Liebe ist im 14. Jahrhundert auch auf der Iberischen Halbinsel innigst mit der Politik verwoben, es wird geheiratet, um Allianzen zu schmieden. Das königliche Schlafzimmer hat keine Türen, der fruchtbringende Beischlaf ist schliesslich die Lebensversicherung für das regierende Geschlecht.
Und so entschliesst sich der portugiesische König Afonso IV. aus dem Hause Burgund, seinen Sohn und Thronerben Pedro mit der 18-jährigen Prinzessin Constanca Manuel aus dem Königreich Kastilien zu verheiraten. 20 Jahre alt war Pedro damals, doch sein Jünglingsherz entflammte nicht für seine Gemahlin, sondern für deren Zofe. Ines war ihr Name, Tochter eines mächtigen kastilischen Edelmannes und Urenkelin des kastilischen Königs Ferdinand II. Schön war sie, das anmutige Gesicht umwallt von rötlich-goldenem Haar, der Hals edel und lang wie der eines Schwanes. Pedro verliebte sich auf der Stelle in sie.
Heimlich traf er sich mit Ines in jenem Garten der Lüste, unweit des Klosters Santa Clarita in Coimbra. Constança aber blieb die Fremd-Tändelei ihres Gatten nicht verborgen. Und als ihr erstes Söhnchen Juan zur Welt kam, bat sie ihre Konkurrentin, dessen Patin zu werden. Der katholische Glaube verbietet nämlich den Paten, eine Beziehung mit einem Elternteil einzugehen, eine solche Verbindung wurde als gleichsam inzestuös angesehen.
Doch der kleine Juan wurde nur eine Woche alt. Es dauerte nicht lange, da konnte Pedro, überquellend vor Liebe zu Ines, seine wahren Gefühle nicht mehr verbergen und trug sie vor dem ganzen Hof offen zur Schau.
Sein Vater aber sah das gar nicht gern, zornig verbannte er Ines in ein Kastell an der Grenze zu Kastilien. In jener Zeit gebar die unglückliche Constança ihrem königlichen Gatten eine Tochter und am 31. Oktober 1345 auch einen Sohn, den sie Fernando nannte. Und als wär damit ihre Pflicht erledigt, verliess nur 13 Tage später ihre Seele den müde gewordenen Körper.
Sofort holte Pedro seine Mätresse zurück, zehn glückliche Jahre bescherte Gott den beiden und segnete ihre Liebe mit drei Söhnen und einer Tochter. Man munkelte gar, die beiden hätten sich verstohlen das Ja-Wort gegeben.
König Afonso tobte. Er hatte bereits mit unehelichen Abkömmlingen seines Vaters um den Thron kämpfen müssen. Und nun stellt sein eigener Sohn gleich drei solcher Bastarde auf die Welt, die durch dessen Heirat mit der kastilischen Hure nun auch noch einen legitimen Anspruch auf die portugiesische Krone anmelden können. Verdrängen würden sie Constanças Sohn Fernando aus der Thronfolge!
Solcherlei gefährliche Gedanken verdüsterten das gekrönte Haupt. Denn Ines Familie, die de Castros, entstammten dem kastilischen Hochadel und machten auch keinerlei Hehl daraus, dass sie mit jenen rosigen Aussichten durchaus liebäugelten.
Da sah sich der einheimische Adel natürlich sofort wieder in den fiesen Krallen der Spanier verenden, zu Ende wär's mit der Unabhängigkeit des noch kleinen Portugals, das sich die Burgunder so tapfer erkämpft hatten!
Die edlen Herren bedrängten ihren König, die gefährliche Ines aus dem Wege zu räumen – und er gab ihnen nach. Der Kronrat klagte die arme Frau des Hochverrats an und verurteilte sie zum Tode.
Der 7. Januar 1355 wird der traurigste Tag in Pedros Leben. Als er von der Jagd in sein Landhaus zurückkehrt, liegt da das blutige Haupt seiner Geliebten. Drei Männer hatten Ines im Beisein ihrer Kinder den Kopf vom Schwanenhals getrennt.
Pedros Herz wurde zum Stein. Und mit diesem Stein in der Brust zog er rachedurstig zu Felde, plünderte zahllose Dörfer und strafte schuldlose Menschen für seinen Verlust. Doch Afonso, den er damit eigentlich treffen wollte, traf er nicht. Und so endete dieser traurige Krieg bald im heiligen Schwur von Vater und Sohn, die sich beide auf Ewigkeit dazu verpflichteten, das Geschehene zu vergessen.
Glücklicherweise dauerte des Königs Ewigkeit nicht mehr lange, denn hätte er noch Jahre weitergelebt, wäre der Kampf sicherlich von Neuem entflammt. Wie sollte Pedro denn auch den hinterhältigen Mord an seiner Lebensliebe vergessen, wenn ihn täglich der Schmerz daran gemahnte. Er setzte sich also die Krone aufs Haupt und begann damit, die Schlächter ausfindig zu machen.
Einer konnte sich nach Frankreich retten, die anderen zwei erwischte er. Pedro hielt ein Bankett ab und bat dann den Henker, so gnädig zu sein, das Herz des Einen bei lebendigem Leibe durch die Brust herauszureissen, während er dasjenige des anderen bitte von hinten durch den Rücken ans Freie rupfen möge. Der Henker aber gab zu Bedenken, dass eine solche Exekution an ihrem hohen Schwierigkeitsgrad geradezu scheitern müsse. Also folterte man die Mörder etwas weniger ausgefallen, aber ebenso effizient, bis keiner von ihnen mehr schrie. Und mitten in diese Stille hinein liess sich Pedro das eine, tote Mörderherz noch warm servieren.
Fortan hiess der Adel seinen König nur noch den Grausamen, das Volk hingegen nannte ihn Pedro den Gerechten.
Und Pedro verlangte nach noch mehr Gerechtigkeit. Fünf Jahre nach dem gewaltsamen Tod seiner geliebten Ines beschloss er, ihre Leiche aus dem Kloster Santa Clara in die Kathedrale von Coimbra zu überführen. Dort liess er die Angefaulte vor versammeltem Hofstaat neben sich auf den Thronsessel platzieren. Ganz in Purpur war sie gewandet, darüber glitzerten Juwelen und auf ihr kahl gewordenes Haupt setzte er die Krone, die ihr zu Lebzeiten verwehrt geblieben war.
Dann befahl er den Adligen, diesen Lumpen, die doch alle von der Verschwörung gegen Ines gewusst haben mussten, ihrer rechtmässigen Königin die verweste Hand zu küssen.
Neu begraben liess er sie hernach im Kloster Alcobaça in einem kunstvollen, von Engeln umschwärmten Sarkophag. Auch für ihn selbst stellte Pedro einen solchen bereit, direkt gegenüber, damit bei der Auferstehung am Jüngsten Tag der erste Blick ein Blick der Liebe sein werde.
Die Söhne indes, die er mit Ines gezeugt hatte, schafften es nicht auf den portugiesischen Thron, dort sass nach Pedros Tod im Jahre 1367 Fernando I., die Leibesfrucht Constanças.
Es war Spannend aber etwas Morbide