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ETH-Simulation löst nach 88 Jahren das Rätsel der Gletscherleichen

Der Grosse Aletschgletscher.Bild: IG UNESCO ALETSCH
10 Kilometer weit im Eis verfrachtet

ETH-Simulation löst nach 88 Jahren das Rätsel der Gletscherleichen

1926 brachen vier junge Männer zu einer Skitour auf dem Aletschgletscher auf. Sie verschwanden spurlos, vom Gletscher verschluckt – bis er sie 2012 wieder freigab. Forscher der ETH haben jetzt das Unglück rekonstruiert.
13.02.2014, 15:4926.10.2015, 09:29
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Im Juni 2012 stiessen zwei englische Alpinisten auf dem Grossen Aletschgletscher auf Kleidungsstücke, Ausrüstungsgegenstände und menschliche Knochen. Bald wurde klar, dass sie die sterblichen Überreste von drei Brüdern gefunden hatten, die 86 Jahre zuvor zusammen mit einem Kollegen auf dem Gletscher verschollen waren. 

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Dieser Feldstecher wurde im Juni 2012 neben den Knochen der Männer auf dem Gletscher gefunden. Bild: EPA

Die vier jungen Männer waren am 4. März 1926 von der Hollandiahütte am Grossen Aletschfirn zu einer Skitour aufgebrochen. Ihr Ziel war der Konkordiaplatz, wo drei Firnströme zum längsten Gletscher der Alpen zusammenfliessen. Es war das letzte Mal, dass sie lebend gesehen wurden. 

Die Orientierung verloren

Jetzt haben Guillaume Jouvet von der Freien Universität Berlin und Martin Funk von der ETH Zürich mit Modellrechnungen den Ort errechnet, an dem die Männer zu Tode gekommen sein müssen. 

Auch diese Stöcke wurden neben den skelettierten Leichen gefunden.
Auch diese Stöcke wurden neben den skelettierten Leichen gefunden.Bild: EPA

Ihr Modell berücksichtigt die Fliesseigenschaften des Gletschers, also Geschwindigkeit, Wachstum und Schwund. Damit grenzten sie ein Gebiet von 1600 mal 3000 Metern ein, in dem die Alpinisten verschwunden sein müssen. 

Das Gebiet liegt im Tal nördlich der Hollandiahütte. Die Wissenschaftler schliessen daraus, dass die Männer die Orientierung verloren hatten – am Nachmittag des 4. März 1926 war ein Schneesturm hereingebrochen, der über Tage hinweg anhielt. Sie sind vermutlich erfroren, berichten die Forscher im «Journal of Glaciology». 

Der Konkordiaplatz, wo sich drei Firnströme zum Grossen Aletschgletscher vereinigen.  
Der Konkordiaplatz, wo sich drei Firnströme zum Grossen Aletschgletscher vereinigen.  Bild: KEYSTONE

Deformierte Knochen

Gemäss dem Modell haben die Körper mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 122 Metern pro Jahr insgesamt rund 10,5 Kilometer im Eis zurückgelegt. 1980 waren sie etwa 250 Meter tief im Gletscher vergraben bei einem Druck von 20 Bar, dem Zwanzigfachen des Luftdrucks. Darauf wiesen die deformierten Knochen hin, schreiben die Forscher. 

Nach 1980 erreichten die Leichen den Konkordiaplatz. Die Bewegungskurve biegt danach nach rechts ab, und das Geschwindigkeitsdiagramm verdeutlicht, dass die Transportgeschwindigkeit auf bis zu 200 Meter pro Jahr anstieg. 

auf der website der freien universität berlin findet sich simulationen zum transportverlauf im gletscher.

Die Simulation der wandernden Leichen hilft den Forschern nach eigenen Angaben dabei, ihr Modell zu überprüfen. Dieses soll dazu dienen, die zukünftige Entwicklung des Aletschgletschers in einem sich verändernden Klima zu simulieren. 

Zu spät gefunden

Dass die Vermissten trotz wochenlanger Suche nicht gefunden wurden, könnte daran liegen, dass tagelanger starker Schneefall die Opfer bedeckte, glauben die Forscher. Laut Messungen soll der Schnee, der nach dem 4. März 1926 gefallen ist, bis zum nächsten Winter nicht getaut sein. 

Hätten die englischen Alpinisten die Leichen gerade dann gefunden, als der Gletscher sie wieder freigab, wären sie wie die Gletscherleiche des Ötzi mumifiziert gewesen. Da sie aber bereits eine Weile an der Oberfläche gelegen hatten, waren nur noch die Knochen übrig. Vom vierten Mann, der 1926 verschwunden ist, fehlt übrigens nach wie vor jede Spur. (dhr/sda)

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