Ellen DeGeneres hat den Schauspieler Channing Tatum in ihre Sendung eingeladen und ihn mit seiner grössten Angst konfrontiert: gruseligen Porzellanpuppen.
Natürlich wedelt die hinterhältige Ellen mit einem besonders fürchterlichem Exemplar vor der Nase ihres Gastes rum. Und damit nicht genug: Sie attackiert den armen Channing mit dem Horror-Püppchen, als er ihr gesteht, dass er doch lieber darauf verzichten würde, das schreckliche Ding zu halten.
Das OK-Magazin titelte: «So absurd ist Tatums grösste Angst». Absurd? Niemals. Wir alle mögen doch solche Horror-Puppen nicht sonderlich, irgendwie sind sie uns zutiefst unheimlich.
Also wollen wir mal sehen, was Dr. Sigmund Freud dazu meint – ein bisschen Psychoanalyse hat noch keinem geschadet.
Der (westliche) Mensch hat inzwischen genügend rational zu denken gelernt und glaubt nicht mehr an die Existenz von Geistern, an beseelte Dinge, Zauberkräfte oder die Allmacht der Gedanken. Das tun nur indigene Völker in Afrika oder Ozeanien und Kleinkinder, die ihre Spielzeuge für lebendig halten.
Dennoch hätten sich gewisse Reste «des primitiven Animismus-Glaubens» im erwachsenen, intellektuellen Hirn festgesetzt, meint Freud.
Der Anblick einer Puppe kann diesen längst vergrabenen Irrglauben ans Tageslicht befördern und dann bist du dir urplötzlich nicht mehr so sicher, ob dieses grausige Ding nicht vielleicht doch lebt und einem in der Nacht womöglich den Garaus macht.
Schlägt man die Wörterbücher des 19. Jahrhunderts auf, zeigt sich, dass das Wort «unheimlich» ursprünglich gleichbedeutend war mit den Worten «heimlich» und «heimelig». Es entwickelte sich also aus der Mischung von etwas Vertrautem, Behaglichem und gleichzeitig Verborgenem, Verstecktem.
Freud kommt zum Schluss: «Unheimlich sei alles, was im Verborgenen bleiben sollte und hervorgetreten ist.»
Puppen sind das Spielzeug unserer Kindheit. Wir konnten ihnen einst eine Seele einhauchen, ihr Mami sein, mit ihnen spielen. Dann wurden wir älter und irgendwann haben wir die Puppen in eine Kiste geräumt und sie auf dem Dachboden deponiert. Dort oben in einer düsteren Ecke und unter einer dicken Staubschicht begraben, fristen sie ihr vergessenes Dasein.
Solange sie da oben bleiben, ist alles in bester Ordnung. Begegnen wir diesen Puppen aber im Erwachsenenalter wieder, kann das diese diffuse Angst auslösen: Eigentlich sind uns diese Plastikmädchen doch heimelig, wie viele Male haben wir sie in unsere Arme geschlossen. Aber nun sind sie uns unheimlich geworden.
Wir haben sie vergessen, solange lagen sie im Verborgenen, und plötzlich sind sie wieder da und starren uns mit ihren leeren Augen an.
Kein Wunder bedienen sich Horrorfilme unaufhörlich dieses Motivs. Nur fehlen den Horrorfiguren die Augen oder sie tun so, als ob sie schlafen würden und schlagen dann plötzlich die Augen auf.
Sie bringen Leute um oder beobachten dich einfach nur. Unsere hübsch gebürsteten Puppen von früher sind auf die eine oder andere Art verfremdet, dämonisiert worden.
Nach Freud entsteht ein Trauma auf ähnliche Weise: Ein entsetzliches Erlebnis in der Kindheit wird verdrängt, tritt aber irgendwann ganz unverhofft wieder an die Oberfläche. Vielleicht sehen wir etwas, zum Beispiel eine Puppe, die uns an jenen Ort des Grauens zurückversetzt.
Aber weil diese Erinnerungsbilder so lange im Unterbewusstsein geschlummert haben, wurden sie derart verfremdet, dass wir sie nicht mehr als eigene erkennen. Und ist das Trauma erst einmal ans Tageslicht zurückgekehrt, wird man es nie wieder los.