Ärzte in Frankreich haben erstmals die Übertragung von Sars-CoV-2 von einer Schwangeren auf ihr ungeborenes Kind nachgewiesen. Ein im März geborener Knabe hat nach der Geburt unter Hirnschwellungen und neurologischen Symptomen gelitten, wie sie bei Erwachsenen mit Covid-19 auftreten.
Das berichteten die Ärzte in einer am Dienstag veröffentlichten Studie im Fachmagazin «Nature Communications». Frühere Forschungen hatten bereits auf die wahrscheinliche Übertragung des Virus von der Mutter auf das ungeborene Kind hingewiesen, konkrete Nachweise gab es jedoch nicht.
«Wir haben gezeigt, dass die Übertragung von der Mutter auf den Fötus über die Plazenta in den letzten Wochen der Schwangerschaft möglich ist», sagte der Leiter der Studie, Daniele De Luca.
Es sei nicht einfach gewesen, all die notwendigen Proben vom Fruchtwasser, der Plazenta sowie dem Blut der Mutter und des Neugeborenen während einer Pandemie zu analysieren, sagte De Luca, der im Antoine-Beclere-Krankenhaus in der Nähe von Paris arbeitet. Deshalb sei der Nachweise nicht früher erbracht worden.
Laut De Luca war die Virus-Konzentration im vorliegenden Fall in der Plazenta am höchsten. «Von dort gelangte das Virus durch die Nabelschnur zum Baby.» Das Baby habe 24 Stunden nach der Geburt begonnen, schwere Symptome zu zeigen. Der Studie zufolge wurde der Körper steif und das Baby zeigte eine extreme Reizbarkeit sowie eine Schädigung des weissen Gewebes im Gehirn.
Bevor die Ärzte jedoch mit einer Behandlung begannen, hätten die Symptome nachgelassen. Innerhalb von drei Wochen erholte sich das Neugeborene laut Studie aus eigener Kraft fast vollständig. Drei Monate später war auch die Mutter symptomfrei. «Die schlechte Nachricht ist, dass dies tatsächlich passiert ist und passieren kann», sagte De Luca. «Die gute Nachricht ist, dass es selten ist - sehr selten im Vergleich zur gesamten Weltbevölkerung.»
Auch die Medizinprofessorin Marian Knight von der Universität Oxford in Grossbritannien bestätigte die relativ geringe Wahrscheinlichkeit einer Übertragung. Unter den Tausenden von Babys, die von Müttern mit Covid-19 geboren wurden, seien nicht mehr als ein oder zwei Prozent positiv auf das Virus getestet worden, und noch weniger zeigten ernsthafte Symptome, sagte die Professorin, die nicht an der Studie beteiligt war.
«Die wichtigste Botschaft für schwangere Frauen ist nach wie vor, eine Infektion zu vermeiden, indem sie auf Händewaschen und soziale Distanzierungsmassnahmen achten», sagte Knight.
Die Studie weise vor allem nach, wie es zu einer Übertragung im Mutterleib kommen kann, sagte Andrew Shennan, Professor für Geburtshilfe am King's College London. Frauen könnten jedoch sicher sein, dass «eine Schwangerschaft mit Covid-19 kein signifikanter Risikofaktor für sie oder ihre Babys ist», betonte Shennan.
In der Schweiz sollen schwangere Frauen als Risikogruppe für Covid-19 eingestuft werden. Dies fordert ein Experte des Universitätsspitals Chuv in Lausanne. Die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe berät derzeit über eine Modifikation ihrer Empfehlungen. (sda/afp)