Tief im Inneren unseres Planeten, in etwa 2900 Kilometer Tiefe, beginnt der flüssige Kern der Erde. Darin, ab einer Tiefe von 5150 Kilometer, schwimmt wie in einem Bad aus Metall der feste innere Erdkern, der vermutlich aus einer Legierung von Eisen und Nickel besteht. Hier herrschen ungemütliche Zustände: Die Temperatur beträgt rund 6000 Grad Celsius und der Druck erreicht 330 Gigapascal. Das Zusammenspiel von äusserem und innerem Erdkern erzeugt das irdische Magnetfeld, das uns vor der kosmischen Strahlung schützt.
Wie die anderen Erdschichten rotiert auch der innere Erdkern um die Erdachse. Er kann sich allerdings in seinem Bad aus Eisen unabhängig von den äusseren Schichten bewegen. In der Tat scheint er nach bisherigem Kenntnisstand etwas schneller zu rotieren als der Rest des Planeten, nämlich rund ein Grad pro Jahr.
Diese sogenannte Superrotation, also der Versatz im Vergleich zur Rotation der anderen Schichten, bleibt allerdings nicht konstant. So zeigte eine Studie schon vor mehr als zehn Jahren, dass der Kern mit 0,1 - 1 Grad pro einer Million Jahre viel langsamer rotiert als gedacht. Nun hat eine neue Untersuchung von Geowissenschaftlern der Universität von Peking ergeben, dass sich die Drehung in jüngster Zeit noch mehr verlangsamt hat.
Yi Yang und Xiaodong Song, die ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift «Nature Geoscience» veröffentlichten, analysierten mehrere Dutzend Erdbebenwellen im Zeitraum von 1995 bis 2020, die sich durch den gesamten Planeten und damit auch durch den inneren Erdkern ausbreiteten. Für die Zeit ab 2009 kamen sie zum Schluss, dass der Erdkern nicht mehr schneller als der restliche Planet rotierte und die Superrotation nun pausiert. Sie werten dies als Indiz dafür, dass der innere Kern in Zukunft noch weiter abbremsen und dann sogar langsamer als die äusseren Schichten rotieren könnte.
Hinweise auf einen Wechsel im Rotationsverhalten gab es auch schon in den frühen 1970er-Jahren. Nachgewiesen wurde die vorübergehende Umkehrung der relativen Rotation anhand von seismischen Wellen von Atombombentests.
Yang und Song vermuten daher, dass die relative Rotation des inneren Erdkerns einem Zyklus unterliegt, der sich ungefähr alle sieben Jahrzehnte umkehrt. Wie die Geophysiker glauben, könnten auch Veränderungen, die an der Erdoberfläche zu beobachten sind, mit diesem Zyklus zu tun haben: So etwa kleinere Schwankungen des Magnetfelds oder geringfügige Änderungen der Tageslänge. Damit dieser Zusammenhang über den Status einer Hypothese hinauskommt, sind jedoch noch weitere Untersuchungen notwendig. (dhr)