Wellen rauschen, eine Frau kniet im Wasser, atmet stark. Sie hat Wehen. Schon bald wird sie ihr Kind in den Armen halten. Ohne medizinische Begleitung bringt sie es am Strand von Nicaragua zur Welt - und filmt sich dabei. Das Video wird später tausendfach angeschaut und geteilt. Doch: Diese Alleingeburt ist kein Einzelfall.
Unter dem Hashtag «Freebirthing» berichten in den sozialen Medien Frauen von ihren Geburten, bei denen weder eine Ärztin noch eine Hebamme anwesend waren. Die SRF-Podcastserie «Das Birthkeeper-System» hat kürzlich diese Bewegung beleuchtet, die zum Teil radikale Züge aufweist und auch Anhängerinnen in der Schweiz hat. Doch wie viele sind es? Steckt dahinter mehr als ein Randphänomen, das von einigen Personen sehr laut propagiert wird?
Barbara Stocker, Präsidentin des Schweizerischen Hebammenverbands, schüttelt den Kopf. Sie wisse es nicht. «Als ich zum ersten Mal darauf angesprochen wurde, war meine Reaktion: Alleingeburten in der Schweiz sind die absolute Ausnahme.» Inzwischen habe sie mit vielen Menschen gesprochen. «Allenfalls ist das Phänomen regional unterschiedlich verbreitet», sagt Stocker. Eine Kollegin habe ihr beispielsweise berichtet, dass in ihrer Umgebung gleich drei Frauen innert kurzer Zeit alleine geboren haben. Das könne aber auch Zufall sein.
Vor fast zwei Jahren habe in der Schweiz eine Doula, eine nichtmedizinische Geburtsbegleiterin, Flyer an Hebammen verschickt und angekündigt, dass sie Alleingeburten anbietet. Darauf habe der Schweizerische Hebammenverband reagiert, sagt Stocker. «Weil wir das sehr gefährlich fanden.»
Stocker sagt, dass sich die Alleingebärenden in drei unterschiedliche Gruppen einteilen liessen. Dazu gehören Frauen, die eine erste Geburt absolut traumatisch erlebt haben und dies nie mehr durchmachen wollen. Auf eine Hausgeburt mit einer Hebamme können sie aber nicht ausweichen, weil sie die strengen Einschlusskriterien nicht erfüllen. Denn für eine Hausgeburt müssen die Frauen gesund sein, das Kind muss ein Einling sein und sich in Kopflage befinden. Weder für die Frau noch für das Kind dürfen keinerlei weitere Risiken vorliegen.
Setzt sich eine Hebamme darüber hinweg, riskiert sie, die Berufsausübung zu verlieren oder im Falle von Komplikationen eine Strafanzeige. Einige dieser Frauen ziehen die Geburt daraufhin alleine durch. «Das ist echt riskant. Gerade wenn bei ihrer ersten Geburt eine Komplikation, wie zum Beispiel ein hoher Blutverlust, aufgetreten ist», sagt Stocker. Deshalb würden ihr auch diese Alleingebärenden am meisten Sorgen bereiten.
Als zweite Gruppe nennt sie jene Bewegung, die auf den sozialen Medien die weibliche Urkraft beim Gebären ins Zentrum rückt. «Ihre Mitglieder vertreten die Haltung, dass jede Frau gebären kann, wenn sie sich ungestört in einem natürlichen Setting befindet und sie ihrem Körper Zeit und Raum zum Gebären geben kann», sagt Stocker. Die dritte Gruppe bestehe aus radikalen Systemgegnerinnen. «Seit der Coronapandemie entziehen sie sich sämtlichen schulmedizinischen Abläufen, impfen ihre Kinder nicht und unterrichten diese oft zu Hause.»
Allerdings, fügt Stocker an, fände sie diese Gruppe am schwierigsten einzuschätzen. Auch inwiefern diese Frauen Hebammen vor und nach der Geburt einbeziehen. Stocker erzählt von einer Hebammenkollegin, die mit einem solchen Fall konfrontiert war. Die Hebamme wusste nichts von der geplanten Alleingeburt und wollte die Frau für eine Schwangerschaftskontrolle besuchen. Diese hatte allerdings drei Tage zuvor ihr Baby alleine entbunden.
Völlig baff habe die Hebamme gesagt, dass sie nicht alles dabei habe, um das Kind zu untersuchen. «Die Eltern winkten ab. Sie würden den Neugeborenen-Test, mit dem die seltenen Krankheiten gescreent werden, sowieso nicht zulassen, denn in der Blutentnahme-Lanzette stecke ein Mikrochip», sagt Stocker. Und schiebt nach: Solche Geschichten gäben ihr sehr zu denken.
Anders als in Australien, wo eine Journalistin diverse Todesfälle aufgrund von Alleingeburten aufgedeckt hat, ist ihr keiner in der Schweiz bekannt. «Wenn die Bewegung aber zunimmt, ist es vermutlich nur eine Frage der Zeit», sagt Stocker. Wer sich in den sozialen Medien durch die Posts der Alleingebärenden klickt, findet fast nur positive Erfahrungsberichte. Die Geburten werden als kraftvolle, teilweise auch heilende Erlebnisse beschrieben. Barbara Stocker sagt hingegen, dass sie als Hebamme gewisse Fotos von Babys und Müttern erschüttern würden, die von Birthkeeperinnen gepostet werden.
«Manchmal stockt mir fast der Atem. Ich erinnere mich an ein Bild von einem Kind mit weit aufgerissenen, panischen Augen, das blau und schlapp in den Armen der Mutter lag. Oder an eine Zwillingsgeburt mit 39 Stunden Abstand zwischen den Geburten - da frage ich mich schon, wie gut der Start ins Leben für diese Kinder war und wie sie sich entwickeln werden», sagt Stocker.
Problematisch findet sie, dass gewisse Birthkeeperinnen mit vielen Followerinnen pseudowissenschaftliche Beiträge zu medizinischen Themen posten. Zudem kritisiert sie, dass es sogenannte «Birthkeeperinnen-Ausbildungen» gibt. Deren Kosten belaufen sich auf mehrere tausend Euros. «Das sind vor allem exzellente Geschäftsmodelle. Frauen blättern dafür richtig viel Geld hin», sagt Stocker. (aargauerzeitung.ch)
Das ist schlicht gesagt einfach Idiotie und Ausdruck unserer Gesellschaft die keine richtigen Probleme hat. Bei 2 von 3 Geburten lief es einigermassen normal( abgesehen von hohem Blutverlust), bei einem war die Nabelschnur um den Hals gewickelt. Ich will mir gar nicht ausmahlen was ohne die qualifizierten Hebammen und Ärzte alles schieflaufen könnte.
Ihr macht das super. Ein riesen Lob und Merci an die Geburtenstation Thun an dieser Stelle!
Wenn die Vorabklärungen keine Komplikationen anzeigen, spricht von der Natur her nichts dagegen.
Man muß aber wissen das "Hebammen" seit tausenden von Jahren den werdenden Mutter bei der Niederkunft zur Seite stehen und die Sterblichkeitsrate der Kinder und Mütter dank ihnen immer mehr und mehr gesunken ist.