Schweiz
Gesundheit

Medikamentenmangel Schweiz: Was der Bundesrat dagegen machen will

Bald keine Antibiotika mehr? Was der Bundesrat dagegen machen will

Versorgungsengpässe von wichtigen Arzneimitteln gefährden die Gesundheit der Menschen im Land. Ein seit Jahrzehnten wachsendes Problem soll jetzt endlich angegangen werden. Das sind die Rezepte.
22.08.2024, 20:5823.08.2024, 09:22
Anna Wanner / ch media
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Das BAG soll auf die Preissenkungen, die alle drei Jahre stattfinden, verzichten können, um die Produktion wichtiger Medikamente sicherzustellen.Bild: keystone

Die Tollwutimpfung kann derzeit nicht geliefert werden. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) spricht von einer «schweren Mangellage», einer weltweiten Knappheit. Weil sich kein Ende abzeichnet, wird der Impfstoff aus den hiesigen Pflichtlagern rationiert: Nur wer gebissen wird oder sich bei der Arbeit diesem Risiko exponiert, erhält eine Impfung. Reisende in Risikoländer erhalten hingegen nichts.

Die Situation ist im Vergleich luxuriös. Längst nicht alle Arzneimittel gibt es an Lager. Insgesamt können derzeit 777 Medikamentenpackungen nicht geliefert werden, wie die Seite drugshortage.ch des Spitalapothekers Enea Martinelli angibt. Auch gibt es nicht immer eine Alternative. Die Versorgung der Patienten leidet.

Die Ausfälle und Engpässe nehmen weltweit zu. Darum hat der Bundesrat einen Strauss von Massnahmen «diskutiert» und «Umsetzungsaufträge erteilt», wie er am Donnerstag mitteilte. So wolle die Regierung dem Problem langfristig begegnen.

BAG soll Medikamentenpreise auch erhöhen

Vom Mangel betroffen sind vor allem preisgünstige Medikamente, deren Patent abgelaufen ist, wie Anne Lévy sagt. Die Direktorin des Bundesamts für Gesundheit zählt auf: «starke Schmerzmittel, Antibiotika und Impfstoffe - Medikamente, die vielen Menschen nützen».

Die Ursachen für die Lieferengpässe sind zwar sehr unterschiedlich. Manchmal fehlt eine Komponente für die Herstellung eines Medikaments. Manchmal fällt die Produktion aus, manchmal kommt es zu Verunreinigungen. Oder China entscheidet, keine Medikamente mehr auszuführen.

Am Anfang steht immer, dass wichtige Produktionsschritte nach Asien verlagert werden und es aufgrund der Tiefpreispolitik in westlichen Ländern nur noch wenige Anbieter für wichtige Medikamente gibt. Für die Schweiz kommt erschwerend hinzu, dass der Markt klein ist und für die Zulassung hohe Hürden bestehen.

Dort will der Bundesrat ansetzen: So sollen Medikamente, die in der Schweiz nicht zugelassen sind, bei Engpässen erleichtert eingeführt werden können. Weiter soll über Kapazitätsverträge mit Herstellern die Lieferung von festgelegten Mengen an Arzneimitteln gesichert und im Notfall gar eine Eigenherstellung durch die Armeeapotheke geprüft werden.

Das ist allerdings Zukunftsmusik. Was unmittelbar umgesetzt wird, ist ein Frühmeldesystem, das der Bund im Austausch mit den Herstellern betreibt. Durch das Monitoring lässt sich eine Mangellage antizipieren, die Gesundheitseinrichtungen können sich darauf einstellen und reagieren, indem sie beispielsweise früh Alternativen beschaffen.

Ein weiterer Hebel, der derzeit im Parlament diskutiert wird, liegt bei den Preisen: Das BAG soll auf die Preissenkungen, die alle drei Jahre stattfinden, verzichten können, um die Produktion wichtiger Medikamente sicherzustellen. Denn die heute verfügbaren Gesuche um Preiserhöhungen werden noch selten genutzt, sagt Anne Lévy. Das BAG arbeite darum an einer neuen Wegleitung, um den Prozess für höhere Preise zu beschleunigen und vereinfachen.

Enorme Ressourcen für alternative Therapien

Gerade der letzte Punkt steht im Streit um die hohen Gesundheitskosten quer. Doch ist die isolierte Betrachtung höherer Medikamentenpreise falsch, wie die Erfahrung von Enea Martinelli zeigt: «Ein Medikament, das nicht verfügbar ist, und eine Therapie, die nicht gemacht werden kann, sind noch viel teurer», sagt der Spitalapotheker aus Interlaken.

Auch der Schweizerische Verein der Amts- und Spitalapotheker kann das bestätigen. Pro Spital werde mindestens eine Vollzeitstelle für die Beschaffung von fehlenden Medikamenten besetzt. «Es können aber auch 3,5 Stellen sein», sagt Petra Strub Henz, Past-Präsidentin und Chefapothekerin im Claraspital. Die Zeit und Ressourcen, welche die stetige Mangellage bindet, sind enorm. «Wir registrieren zwischen einer bis fünf neuen Versorgungsstörungen pro Tag.»

Von der Branche wird die Stossrichtung der Regierung begrüsst. Wichtig sei es nun, die Massnahmen auch umzusetzen, sagt Martinelli. «Wir haben viel zu viel Zeit dafür aufgewendet, zu diskutieren, ob die Lieferengpässe ein Problem sind oder nicht.» Jetzt, da auch der Bundesrat dies anerkannt habe, müsse endlich etwas passieren. (bzbasel.ch/lyn)

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64 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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red
22.08.2024 21:11registriert Oktober 2015
Auch das sind die Folgen von Shareholder Value denken. Die Schweizer Pharma Firmen haben zu gunsten vom Kapitalgeber die ganze Produktion nach Asien Verkauft oder Gezügelt. Aus reiner Geldgeilheit. Und nun reibt man sich verwundert die Augen weil Medikamente fehlen oder China sie nicht mehr exportiert. Unser komplettes Gesundheitssystem bricht ohne Importe aus China zusammen. Aber Hauptsache die Grossaktionär hat noch ein bittzeli mehr Geld auf dem Konto. Wäre wie vieles Vermeidbar gewesen.
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Chaschtle
22.08.2024 21:23registriert Januar 2023
Wie wäre es mit einem Staatsnahen Konzern, wie die Post oder SBB einfach für wichtige Medikamente, Antibiotika und Impfungen zum Umkostenpreis. Zumindest da wo die Patente abgelaufen sind oder wo es sonst Sinn machen würde...
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MadPad
22.08.2024 22:23registriert Mai 2016
Wir sind eines der reichsten Länder der Welt und kriegen es nicht auf die Schippe in Basel eine Produktionsstrasse für Medikamente deren Patent abgelaufen ist zu bauen um die Grundversorgung zu garantieren.
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