Wenn Menschen mit schweren Schuss- oder Stichwunden in den Notfall eingeliefert werden, entscheiden meist Sekunden über Leben und Tod. Der massive Blutverlust verursacht einen Herzstillstand.
Das presbyterianische Spital in Pittsburgh, Pennsylvania (UPMC) will den Ärzten mit einer neuen Technik mehr Zeit verschaffen: Künstlich soll der «Scheintod» der lebensgefährlich verletzen Person eingeleitet werden. Samuel Tisherman, Chirurg am UPMC: «Wir schieben quasi das Leben auf, wir sprechen nicht gerne vom «Scheintod», das klingt zu sehr nach Science-Fiction.»
Und so funktioniert es: Das Blut des Patienten wird durch eine kalte Salzlösung ersetzt. Dies hat zur Folge, dass die Körpertemperatur schnell gekühlt wird, was beinahe die ganze Zellaktivität hemmt. «Wenn ein Patient dabei ist zu sterben, und man seine Verletzungen im unterkühlten Zustand behandelt, ist es möglich, sein Leben zu retten», erklärt der Chirurg Peter Rhee von der Universität Arizona in Tuscon.
Die Vorteile der induzierten Unterkühlung sind schon länger bekannt. Bei normaler Körpertemperatur von 37°C brauchen die Zellen eine regelmässige Sauerstoffzufuhr, um Energie produzieren zu können. Wenn das Herz aufhört zu schlagen, wird die Blutzufuhr und die des Sauerstoffs unterbrochen. Ist das Gehirn länger als fünf Minuten ohne Sauerstoff, sind die Schäden irreversibel.
An Schweinen wurde die «Scheintod»-Methode bereits erfolgreich getestet (siehe Infobox). Jetzt soll das revolutionäre Experiment beim Menschen durchgeführt werden. Dieses Wochenende wird sich das Ärzteteam um Tisherman noch einmal zusammensetzen, dann ist es soweit.
Wird ein Patient mit Herzstillstand eingeliefert und bleiben die Versuche, es wieder in Gang zu setzen erfolglos, meldet sich der Pager des Notfallteams. Tisherman: «Der Patient hat bis dahin wahrscheinlich um die 50% seines Blutes verloren und sein Brustkorb wird bereits geöffnet sein.»
Die Salzlösung wird mit einem Katheter in die Aorta eingeführt und von dort in die verschiedenen Regionen des Körpers geleitet. 15 Minuten dauert es, bis die Temperatur auf 10°C heruntergekühlt ist. Zu diesem Zeitpunkt ist der Patient blutleer, er atmet nicht und sein Gehirn ist inaktiv. Er ist klinisch tot.
Der Patient kann jetzt in den OP gebracht werden, wo die Chirurgen zwei Stunden Zeit haben, um seine Verletzungen zu behandeln. Nach der Operation wird das Blut wieder in den Körper geleitet und sollte das Herz nicht von selbst wieder zu schlagen beginnen, muss der Patient wiederbelebt werden.
Die neue Technik soll an zehn Menschen getestet werden. Diese Fälle werden dann in einem zweiten Schritt mit zehn anderen verglichen, die dieselben Kriterien aufweisen, aber nicht mittels der experimentellen «Scheintod-»Technik behandelt wurden. Die Methode wird fortwährend verbessert und schliesslich sollen genug Daten zur Verfügung stehen, um eine repräsentative Analyse der Resultate zu ermöglichen.
Die Technik in den Spitälern zu etablieren, war nicht einfach. Wird ein Patient in die Notfallaufnahme eingeliefert, der dieser neuen Technik bedarf, bleibt keine Zeit, das Einverständnis der Familie einzuholen. Ebenso wenig existiert eine Alternative, die seine Chance auf Überleben erhöhen würde. Nur sieben Prozent dieser Fälle verlassen das Krankenhaus lebend.
Bis jetzt können mit der «Scheintod»-Technik einige Stunden Zeit gewonnen werden. Auf die Frage, ob es möglich sei, länger als einige Stunden ohne Blutzirkulation zu überleben, antwortet Tishermen:
Niederländische Ärzte haben einer 22-jährigen Patientin die Schädeldecke entfernt und durch ein Implantat aus Kunststoff ersetzt. Das Implantat wurde mit einem 3D-Druckverfahren hergestellt.
Den Neurochirurgen von der Universität Utrecht zufolge war es das erste Mal, dass eine ganze Schädeldecke durch ein Implantat ersetzt wurde. Die 22-Jährige litt unter einer chronischen Knochenstörung, bei der der Schädelknochen fünf Zentimeter dick wurde – normal ist eine Dicke von 1,5 Zentimetern – und einen kritischen Druck auf das Gehirn ausübte.
So verlor die junge Holländerin regelmässig das Sehvermögen, litt unter starken Kopfschmerzen und Koordinationsstörungen. Die 23-stündige Operation ist Experten zufolge ein Erfolg. Einerseits weil der Körper der Patientin das Implantat nicht abstosse, andererseits könne man mit diesem Verfahren Betroffenen effizientere Lösungen bieten.
Denn früher hätten solche Implantate aus Zement bestanden, erzählt der leitenden Chefchirurg gegenüber Wired. Sie seien dann während der Operation von Hand angepasst worden. Diese moderne Schädeldecke sei deutlich passgenauer, was kosmetische Vorteile habe und eine raschere Genesung gewährleiste. So sei es kaum erkennbar, dass sich die Patientin je einer solchen Operation unterzogen habe.
«Es war eine Frage der Zeit, bis weitere wichtige Gehirnfunktionen beeinträchtigt werden und sie gestorben wäre», schloss der Chefarzt die Pressekonferenz.