When I get to the bottom I go back to the top of the slide
Where I stop and I turn and I go for a ride
Till I get to the bottom and I see you again
Helter Skelter (The Beatles)
Am Dienstag ist die mittlerweile 73-jährige Leslie Van Houten «unter Bewährungsaufsicht» aus dem Gefängnis entlassen worden, wie die kalifornische Strafvollzugsbehörde mitteilte. Sie sass dort 53 Jahre ein. Der Grund: Van Houten war ein Mitglied der berüchtigten «Manson Family» und war im Jahr 1969 am Mord am Unternehmer Leno LaBianca und dessen Ehefrau Rosemary beteiligt.
Die Morde der «Manson Family» zählen noch immer zu den brutalsten Verbrechen überhaupt. Wer sind die Mitglieder der «Manson Family» und wie kam es zu diesen bestialischen Morden?
Die USA sind ein gewalttätiges Land. Zahlreiche spektakuläre Kriminalfälle haben die Geschichte der Nation mitgeprägt. Was sich in der Nacht zum 9. August 1969 in einer Villa in Beverly Hills zugetragen hatte, war aber selbst für amerikanische Verhältnisse barbarisch.
Drei Anhänger des Sektenführers Charles Manson drangen in das Haus am Cielo Drive ein. Sie ermordeten die im neunten Monat schwangere Schauspielerin Sharon Tate, drei ihrer Freunde und einen zufällig anwesenden Studenten. Wobei «ermordet» ein Euphemismus ist. Die Opfer wurden mit Messern teilweise niedergemetzelt. Tates ungeborenes Kind wurde nicht verschont.
Am folgenden Tag ermordete die «Manson Family» den Inhaber einer Supermarktkette und seine Frau. Mehr als zwei Monate blieben die Bluttaten, die die Welt schockierten, ungeklärt. Nach einer Razzia im Hauptquartier der Sekte im Oktober 1969 konnte die Polizei die Täter fast zufällig überführen. Sie wurden 1971 in einem spektakulären Prozess zum Tod verurteilt.
Weil Kalifornien die Todesstrafe ein Jahr später kurzzeitig abschaffte, wurden die Urteile in lebenslänglich umgewandelt. Leslie Van Houten kam im Jahr 2023 nach 53 Jahren Gefängnis frei.
Die 26-jährige Sharon Tate galt als eine der schönsten Frauen jener Zeit. Den grössten Erfolg als Schauspielerin hatte das ehemalige Model 1967 mit der Gruselkomödie «Tanz der Vampire» des polnischen Regisseurs Roman Polanski. Er war von Tate nicht nur beruflich angetan. Im Januar 1968 heirateten sie in London. Nachdem Tate schwanger wurde, mieteten sie die Villa am Cielo Drive.
In der verhängnisvollen Nacht befand sich Polanski beruflich in Grossbritannien. Sharon Tate verbrachte den Abend mit ihrem Ex-Freund, dem Promi-Coiffeur Jay Sebring. Anwesend waren auch Abigail Folger, die Erbin eines Kaffee-Imperiums, und Wojciech Frykowski, ein polnischer Freund von Roman Polanski, der sich als Drehbuchautor in Hollywood etablieren wollte.
Zufällig vor Ort war der Student Steven Parent. Er hatte den Hauswart der Villa besucht, den er flüchtig kannte. Parent wurde als erstes Opfer von der «Manson Family» erschossen. Sharon Tate und ihre Freunde wurden mit Schüssen und Dutzenden Messerstichen abgeschlachtet. Mit Tates Blut schrieben die Mörder das Wort «PIG» (Schwein) an die Haustüre.
Der verzweifelte Polanski flog nach Los Angeles und führte die Medien demonstrativ an den blutüberströmten Tatort.
Nur einen Tag später wurde das Ehepaar Leno und Rosemary LaBianca, Inhaber einer Supermarkt-Kette, ermordet. Am Tatort fanden die Ermittler die mit dem Blut der Opfer geschriebenen Wörter «Death to pigs», «Rise» und «Healter Skelter». In Leno LaBiancas Bauch hatten die Mörder zudem das Wort «WAR» eingeritzt.
Charles Manson wurde 1934 als uneheliches Kind geboren. Von seinen ersten 32 Lebensjahren verbrachte er 20 in Heimen und Gefängnissen. Er war klein gewachsen und charismatisch, intelligent und ungebildet. Bis zum 17. Lebensjahr war er Analphabet. Nach einer Karriere als Kleinkrimineller schloss sich Manson 1967 einer Hippie-Kommune in San Francisco an.
Bald gründete er mit «The Family» eine eigene, sektenähnliche Gemeinschaft. In der Nähe von Los Angeles bezog sie eine Ranch, die als Kulisse für Filme und Fernsehserien gebaut worden war. Bis zu 100 Personen sollen der «Familie» angehört haben. Der autoritäre wie hochgradig manipulative Manson machte seine Anhänger mit Drogen und Sex gefügig.
An den Tate-Morden war er nur als Auftraggeber beteiligt. Verübt wurden sie von Susan Atkins, Patricia Krenwinkel und Charles «Tex» Watson. Sie stammten teilweise aus zerrütteten Verhältnissen und verübten die Morde unter Einfluss von LSD. Beim LaBianca-Doppelmord war Manson vor Ort, und mit Leslie Van Houten beteiligte sich eine weitere Anhängerin an der Bluttat. 14 Mal stach Van Houten auf die Frau ein.
In beiden Fällen anwesend, aber nicht direkt involviert war Linda Kasabian. Sie fuhr jeweils das Fluchtauto. Nach der Verhaftung der «Manson Family» – Susan Atkins hatte nach der Razzia auf der Ranch gegenüber Mitgefangenen mit den Tate-Morden geprahlt – stellte sich Kasabian der Staatsanwaltschaft als Kronzeugin zur Verfügung und erhielt eine bedingte Strafe.
Bis heute ist nicht mit absoluter Sicherheit geklärt, was Charles Manson zu den bestialischen Morden veranlasste. Er war ein Fan der Beatles und des Songs «Helter Skelter» aus dem «Weissen Album» von 1968. Das laute, aber inhaltlich harmlose Lied handelt von einer spiralförmigen Rutschbahn, die man häufig in britischen Vergnügungsparks findet.
Manson aber interpretierte «Helter Skelter» als Aufruf zu einem Rassenkrieg zwischen Weissen und Schwarzen, den diese gewinnen würden. Weil sie wegen ihrer «sklavischen» Natur nicht herrschen könnten, würden sie Manson – der nur Weisse unter seinen Gefolgsleuten duldete – zum Anführer ernennen. Die Morde habe er den Schwarzen in die Schuhe schieben und damit den Rassenkrieg auslösen wollen, sagten «Family»-Mitglieder. Damit konnte Manson selbst angeklagt werden.
Ein weiteres mögliches Motiv ist Rache. Charles Manson hoffte auf eine Karriere als Musiker und war zeitweise mit Dennis Wilson von den Beach Boys befreundet. Er stellte Manson dem Produzenten Terry Melcher vor, doch der war nicht interessiert. Melcher war Vormieter des Hauses am Cielo Drive und könnte das eigentliche Ziel gewesen sein, doch das gilt als wenig plausibel.
Der Begriff «lebenslange Haft» kann im Fall von Charles Manson wörtlich genommen werden. Er starb im November 2017 mit 83 Jahren an Darmkrebs. Bis zuletzt waren die Amerikaner von ihm gleichermassen fasziniert wie angewidert. Er erhielt viel Fanpost, nicht zuletzt von Frauen. Echtes Bedauern über die von ihm veranlassten Verbrechen hat er nie gezeigt.
Ganz im Gegensatz zu seinen «Handlangern». Sie haben oft und glaubhaft ihre Reue bekundet. Doch ihre Haftentlassungsgesuche wurden jahrelang abgelehnt – zu stark war die Erinnerung an die Gräueltaten. Susan Atkins, die als «Haupttäterin» bei den Tate-Morden galt, kam auch nicht frei, als sie unheilbar an Krebs erkrankt war. Sie starb 2009 im Gefängnis.
Nur Leslie Van Houten ist seit Juli 2023 wieder auf freiem Fuss, ein Berufungsgericht hatte dies so entschieden. Der Gouverneur des Bundesstaats Kalifornien, Gavin Newsom, hatte sich darüber enttäuscht gezeigt.
Van Houten tritt hinaus in eine Welt, die ihr völlig fremd ist. Zur Zeit ihres Haftantrittes gab es nicht einmal Geldautomaten, geschweige denn Smartphones oder andere Dinge des täglichen Lebens. «Sie versucht immer noch, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass das real ist», so ihre Verteidigerin gegenüber der amerikanischen Presse.
We're stealing it back.
Das ist lebenslänglich!