Brücken verbinden. Von der römischen Steinbrücke bis zur modernen Hängebrücke – sie alle überwinden das Trennende. Manche aber tun dies auf eine so kühne Weise, dass nur Schwindelfreie sie ohne mulmiges Gefühl überqueren können. Das gilt besonders für Fussgängerbrücken, auf denen man den Sog der Tiefe unmittelbar spürt. Wie bei diesen elf krassen Brücken.
Beginnen wir mit einem heimischen Bauwerk: Die 170 Meter lange Triftbrücke in der Nähe von Gadmen ist eine der längsten Stahlhängebrücken der Welt. Die Brücke verdankt ihre Existenz dem Gletscherschwund: Mit dem Zurückweichen des Triftgletschers entstand ein See, der von den Alpinisten auf dem Weg zur Trifthütte umgangen werden musste. 2004 baute man deshalb eine erste Brücke, die sich aber als zu gefährlich erwies, denn sie begann bei bestimmten Windverhältnissen stark zu schaukeln. 2009 wurde die heutige Brücke aus Stahl und Holz gebaut, die den Gletschersee in rund 100 Meter Höhe überquert.
Sie gilt als gefährlichste Brücke der Welt: Die aus Seilen und Holzbrettern erbaute Brücke in der Nähe der pakistanischen Kleinstadt Hussaini überquert den Borit-See im Hunza-Tal. Sie ist der einzige Übergang über den Hunza-Fluss weit und breit. Die Brücke ist nicht die einzige dieser Art im gebirgigen Norden Pakistans, aber sie ist die berühmt-berüchtigtste. Viele Holzplanken fehlen, und der Wind kann die Brücke schnell zum Schaukeln bringen. Überdies nähren die traurigen Reste einer älteren Brücke, die heute noch zu sehen sind, die Befürchtungen der Reisenden ...
In der zentralen Region des westafrikanischen Staats Ghana befindet sich der Kakum-Nationalpark, dessen gesamte Fläche von tropischem Regenwald eingenommen wird. Das nahezu undurchdringliche Grün können wagemutige Touristen auch von oben bestaunen: In bis zu 45 Meter Höhe verläuft der sogenannte Canopy Walkway zwischen den Baumriesen, ein Rundgang, der aus sieben einzelnen Hängebrücken besteht. Die Brücken sind so schmal, dass zwei Personen nicht Seite an Seite darauf gehen können. Von hier aus geniessen schwindelfreie Naturliebhaber einen einzigartigen Blick auf einen Lebensraum, der sonst unzugänglich ist.
Elegant und spektakulär: Die Langkawi Sky-Bridge, eine 125 Meter lange Schrägseilbrücke für Fussgänger, bietet einen atemberaubenden Blick auf die Berglandschaft der malaysischen Insel Langkawi und auf die Andamanensee. Die per Gondelbahn erreichbare Brücke liegt auf 700 Meter über Meer und verläuft in einem kühnen Schwung in bis zu 100 Meter Höhe. Wer unter Höhenangst leidet, wird sich eventuell von der doppelten Brüstung aus Edelstahlrohr beruhigen lassen; doch die Tatsache, dass die Brücke nur von einem einzigen Pfeiler gehalten wird, dürfte manche Nerven zum Flattern bringen. Zum Glück gibt es da mehrere Ruhebänke, auf die sich setzen kann, wer weiche Knie hat.
Gleich geht's weiter mit den spektakulären Brücken, vorher ein kurzer Hinweis:
Es ist Russlands erste Brücke, die höher als 100 Meter ist: Die 2014 anlässlich der Olympischen Spiele im Schwarzmeer-Urlaubsort Sotschi eröffnete Skybridge überragt den Grund an der höchsten Stelle um 207 Meter. Mit einer freien Seilspannweite von 440 Metern ist die Brücke über das Krasnaja-Poljana-Tal die längste ihrer Art weltweit.* Die Gesamtlänge der Anlage, für die 740 Tonnen Metall und 2000 Kubikmeter Beton verbaut wurden, beträgt 550 Meter inklusive eines Stegs und einer Lounge auf Stelzen. Die Gangway hängt an acht 52-Millimeter-Tragseilen; an zwei Stellen befinden sich zudem permanente Absprungstellen für Bungee-Jumper.
Die highline179 verdankt ihren Namen der Fernpassstrasse B 179, die sie südlich von Reutte im Tirol in luftiger Höhe überquert. Mit 406 Meter Länge ist sie nach der Skybridge im russischen Sotschi aktuell die zweitlängste Fussgängerhängebrücke der Welt.* Ihr Hauptzweck ist die bequeme Verbindung zwischen der Ruine Ehrenberg und dem Fort Claudia, zugleich soll sie aber durch ihre spektakuläre Lage auch selbst Touristen anlocken. Das 2014 eröffnete Bauwerk spannt sich über einen 114 Meter hohen Abgrund – nichts für Menschen mit Höhenangst.
Etwa 100 Kilometer von Cuzco entfernt, der einstigen Hauptstadt des Inka-Reiches, gibt es in der peruanischen Provinz Canas einen Rest der ehemaligen Inka-Infrastruktur zu bestaunen: die Grasbrücke von Q’eswachaka. Diese Hängebrücke ist aus geflochtenen Halmen des Ichu-Grases erbaut und wird jedes Jahr im Juni von den Leuten der Umgebung neu errichtet. Das 28 Meter lange und etwa 1,20 Meter breite Bauwerk besteht schon seit rund 500 Jahren in dieser Form und gilt als letzte funktionierende Seilbrücke der Inka.
30 Meter über dem Ozean überquert die Hängebrücke von Carrick-a-Rede eine 20 Meter breite Kluft und verbindet so die winzige Insel Carrick mit der Grafschaft Antrim in Nordirland. Auch heute noch wird es sich mancher Tourist gut überlegen, ob er die bei Wind arg schwankende Konstruktion betreten will – dabei ist die Brücke heute viel sicherer als früher. Noch in den Siebzigerjahren gab es hier lediglich eine Brücke mit unregelmässig platzierten Holzbrettern und nur einseitigem Geländer. Als sich mit dem aufkommenden Tourismus immer wieder Leute auf die Insel, von dort aber nicht mehr zurück wagten, beschloss man, die Brücke auszubauen. Wer die Nerven hat, sie zu überqueren, wird mit einer fantastischen Aussicht bis nach Schottland hinüber belohnt.
Nur für Furchtlose: Der Königspfad. Der Caminito del Rey in der südspanischen Provinz Málaga ist nicht unbedingt etwas für den entspannten Sonntagsausflug. Und das, obwohl der vier Kilometer lange Klettersteig, der sich entlang steiler Wände hoch über dem Fluss Guadalhorce windet, kürzlich restauriert und 2015 offiziell wiedereröffnet wurde. Seit 2001 war der Weg gesperrt, denn zuvor hatte es Todesfälle gegeben: Kletterer waren von ungesicherten Stellen in die bis zu 200 Meter tiefe, schmale Schlucht El Chorro gestürzt.
Der Steig, zwischen 1901 und 1905 für ein Wasserkraftwerk errichtet und danach ausgebaut, wurde 1921 von König Alfonso XIII. eingeweiht und kam so zu seinem Namen.
Wer noch etwas zusätzlichen Nervenkitzel aus seiner Höhenangst herausholen möchte, ist goldrichtig auf der 430 Meter langen Glasbodenbrücke über dem Zhangjiajie Grand Canyon in der chinesischen Provinz Hunan. Nicht nur gähnt unter den 99 Glaspaneelen – sie sind solide 50 Millimeter dick – ein Abgrund von 290 Metern, es gibt für besonders Wagemutige auch eine Station für Bungee-Sprünge. Auch Schwindelfreien könnte es hier durchaus den Atem verschlagen; so spektakulär ist der Blick auf die berühmten Sandsteinpfeiler von Wulingyuan. Der Besucheransturm auf die Brücke war so gewaltig, dass sie kurz nach der Eröffnung 2016 wieder kurzfristig geschlossen werden musste.
Zum Schluss kehren wir in die Schweiz zurück: Im Herzen der Alpen lockt Europas höchstgelegene Hängebrücke Besucher an – mit Vorteil schwindelfreie. Der Titlis Cliff Walk, eine schwingende Seilkonstruktion, spannt sich nämlich in 3041 Meter Höhe über einen 500 Meter tiefen Abgrund. Vom Titlis-Gipfel gelangen die Touristen über einen 140 Meter langen Stollen zur Aussichtsplattform am Südwandfenster. Die 2012 zum 100-Jahr-Jubiläum der Drahtseilbahn Engelberg-Gerschnialp eröffnete Hängebrücke, die nur einen Meter breit und über 100 Meter lang ist, verbindet diese Plattform mit der Bergstation der Gletschersesselbahn Ice-Flyer.
* Seit Juli 2017 ist die Charles-Kuonen-Hängebrücke die längste Fussgängerhängebrücke der Welt.
Auch die im Mai 2017 eröffnete Titan RT im Harz hat ein frei hängendes Teilstück, das länger als das längste der Brücke in Sotschi ist.
Noch eine weitere Brücke, die atemberaubend sein soll: die tibetanische Hängebrücke "Curzútt" über das Val Sementina im Tessin (http://www.ticinotopten.ch/de/wanderungen/curztt-tibetanische-haengebuercke)