Sotschis langer Weg nach Olympia

Eine Stadt im Wandel

Sotschis langer Weg nach Olympia

Bevor es mit Sport los geht, wollen wir die Geschichte Sotschis kurz erklären. Der Ort war einst ein russischer Militärposten, dann eine Spielwiese der Reichen und heute also Olympia-Stadt.
05.02.2014, 22:34
Daniel Huber

Die östlichen Gestade des Schwarzen Meeres standen schon seit über 300 Jahren unter der Oberherrschaft der Osmanen, als das Russische Reich in die Kaukasusregion vordrang. Im Russisch-türkischen Krieg (1828-1829) entriss das Zarenreich die Küstenregion den Osmanen. 

Die mehrheitlich muslimischen Einwohner der Region, tscherkessische (adygeische) Ubychen, widersetzten sich der russischen Kolonialisierung – ihr Widerstand wurde im längsten aller kaukasischen Kriege gebrochen, der bis 1864 dauerte. 

Im Zuge des Kriegs gegen die aufständischen Tscherkessen richteten die Russen ab 1830 eine Kette von Festungen entlang der Küste ein. 

1838 entstand an der Mündung des Flusses Sotschi eine befestigte Siedlung, die nach der Zarin Aleksandra benannt wurde.

Kurz darauf benannte man die Festung in Nawaginsk um. Sie wurde während des Krimkrieges geschleift, 1864 aber unter dem Namen Post Dachowski wieder aufgebaut.  

Die meisten Einheimischen wurden während des Kaukasuskriegs vertrieben; bei der Emigration in die Türkei und andere Länder kamen zehntausende um. Neusiedler aus allen Teilen des Zarenreiches bevölkerten den verödeten Landstrich. 

1896 erhielt der Militärposten das Stadtrecht und wurde in Sotschi umbenannt, nach dem Fluss, der dort ins Meer mündet.  

Doch erst mit der Entdeckung der schwefelhaltigen Quellen, denen eine «ausserordentliche Heilwirkung» zugeschrieben wird, begann der Aufstieg Sotschis. 1902 wurde im Ortsteil Mazesta die erste Holzbaracke mit zwei Wannenbädern erbaut. 

Sieben Jahre später eröffnete das Luxushotel «Kaukasische Riviera» mit zwei Bettenhäusern, Theater, eigener Kanalisation und Stromversorgung. 

Gutbetuchte Russen aus Moskau und St. Petersburg; darunter auch die Familie des Zaren – kauften Land und liessen darauf ihre Villen bauen. 

Damit war nach der Machtübernahme der Bolschewiki Schluss: 1919 wurden per Dekret alle Sanatorien und Hotels in staatliches Eigentum überführt. 

Die neuen Machthaber sagten der Malaria, die in der sumpfigen Gegend endemisch war, den Kampf an: Ab 1921 wurden zahlreiche Sümpfe trocken gelegt. Knapp 20 Jahre später besuchten bereits mehr als 100'000 Menschen pro Jahr Sotschi und Umgebung.

Darunter befand sich auch der gefürchtete sowjetische Diktator Josef Stalin. Er verbrachte manchen Sommer in seiner Datscha in Sotschi. Im Ortsteil Mazesta liess er sich ein eigenes Badehaus bauen. Auch seine Nachfolger Chruschtschow und Breschnew kamen oft und gern nach Sotschi.

Stalins Tochter Swetlana erinnerte sich später: «Zu seinem Vergnügen schoss Vater manchmal mit einem Doppelläufer auf Geier oder nachts auf im Scheinwerferlicht auftauchende Hasen.»

Im Zweiten Weltkrieg wurde aus dem Kurort ein riesiges Lazarett, in dem insgesamt mehr als eine halbe Million verwundete Soldaten gepflegt wurden. 1942 gelangten die Angriffsspitzen der deutschen Sommeroffensive in die Nähe von Sotschi, das bis Februar 1943 Frontstadt blieb. 

Nach dem Krieg gewann Sotschi seine Bedeutung als Kur- und Badeort zurück. Der Bahnhof und der Hafen wurden neu gebaut, zahlreiche Sanatorien und Hotels kamen dazu. 

1961 wurde aus der Stadt und den umliegenden Gemeinden Gross-Sotschi gebildet, dessen Küstenlinie nun über 140 Kilometer mass. Zugleich trat ein Entwicklungsplan in Kraft, der die Kapazität von 42'000 auf 200'000 Touristen erhöhen sollte. 

Neben den Massentouristen, die vor allem aus den nördlichen Gebieten der Sowjetunion nach Sotschi kamen, besuchten in den Sixties und Seventies auch Prominente und Politiker wie Eleanor Roosevelt, Josip Broz Tito oder Georges Pompidou die kaukasische Riviera. 

Ende der Achtzigerjahre kamen jährlich bis zu vier Millionen Touristen nach Sotschi. Doch mit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 und dem Einzug des Kapitalismus, stiegen die Preise stark an; der Massentourismus brach ein. 

Etwa 70 Kilometer östlich von Sotschi liegt Krasnaja Poljana, das im Sommer ein beliebtes Wandergebiet und im Winter ein Ski-Resort ist. Als die Skigebiete im Südkaukasus nach dem Ende der Sowjetunion verlorengingen, wuchs die Bedeutung von Krasnaja Poljana. 

2007 wählte das Internationale Olympische Komitee (IOK) Sotschi zum Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2014. Seither wird der Ort rasant ausgebaut. Dabei kam es zu Zwangsenteignungen und Umsiedlungen. Der Entscheid des IOK und seine Folgen werden den Kurort stark verändern. 

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